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Buona Liberazione!

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Trotz des andauernden Ausnahmezustandes hat man am vergangenen Sonntag italienweit neue, kreative und vielleicht besinnlichere Wege gefunden, den Tag der Befreiung zu zelebrieren und den Akteur*innen der Widerstandsbewegung zu gedenken, und das schon zum zweiten Mal. Seit 1946 wird am 25. April der Befreiung vom Faschismus und der deutschen Besatzung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gedacht.

Der diesjährige 76. Jahrestag jener Befreiung war zugleich der erste ohne Lidia Menapace, einer Wahlboznerin mit einem so illustren Lebenslauf, dass man sich schwer damit tut, sie in ein, zwei Wörtern vorzustellen. Antifaschistische Widerständlerin, Universitätsprofessorin, eine der ersten Frauen im Südtiroler Landtag und allererste in der Landesregierung, lebenslange Verfechterin von Frieden, Demokratie, Menschen- und Frauenrechten – all das war sie. Letzten Dezember starb sie 96-jährig an COVID-19, zwei Jahre nach ihrer letzten Kandidatur für die Parlamentswahlen.

Sie hat in zahlreichen Interviews, Texten und Auftritten immer wieder aus ihrem Leben erzählt und anderen Menschen dabei etwas mitgegeben. Wie auch anhand ihres Buches „Io partigiana – La mia resistenza“, einer persönlichen, leicht zugänglichen und ehrlichen Erzählung ihrer Zeit als Partisanin im italienischen Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus, welche 2014 erschienen ist.

Foto: ANPI Gallarate

Dem Titel getreu berichtet Menapace in erster Linie über ihre eigenen Erfahrungen, aber sie lenkt den Blick der Lesenden auch auf das große Ganze – ohne die aktive Beteiligung von Frauen in allen Schichten des Widerstandes sei dieser schlicht nicht möglich gewesen, und dies sei immer noch nicht vollkommen anerkannt. Recht geben Menapace da auch Zeitgenoss*innen wie der ehemalige Partisan und Politiker Carlo Smuraglia, oder Historiker*innen wie Anna Bravo oder Anna Bruzzoni. Auch die Associazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI) bemüht sich merklich um eine Narrative der Resistenza, welche die zentrale Rolle von Frauen darin angebracht würdigt. Damit ist der Verein ein erfrischendes, ermutigendes Beispiel für eine nationale Organisation, die sich offen gegen Sexismus ausspricht, und das in einem Land geprägt von patriarchalen Ideen und Strukturen, das so etwas bitter nötig hat.

Wie Menapace schreibt, engagierten sich viele Frauen im Widerstand auf eine Art und Wiese, die als typisch weiblich gilt – sie versteckten zum Beispiel Partisan*innen, verpflegten und verarzteten sie, riskierten dabei freilich viel und retteten Leben. Aber sie „unterstützten“ oder bemutterten vermeintlich ausschließlich männliche Partisanen nicht nur. Frauen waren aktive Teilnehmerinnen der Resistenza, und prägten diese auch politisch. ANPI zufolge waren rund 35.000 Frauen als Partisaninnen aktiv, 1070 kamen dabei ums Leben, 4653 wurden verhaftet und gefoltert, mehr als 2750 wurden deportiert, und 2812 wurden hingerichtet, erschossen oder erhängt.

Eine Kategorie von Partisaninnen waren die sogenannten „staffette“, wortwörtlich „Staffelläuferinnen“. Dabei handelte es sich in der Regel um junge, unbewaffnete Frauen, die den Kontakt zwischen Widerstandseinheiten, und Partisan*innen und der Zivilbevölkerung aufrecht hielten. Aufgrund ihres Geschlechts und Alters waren sie wenig suspekt – unbewaffnet und selten geübt in Selbstverteidigung oder Ähnlichem waren sie allerdings auch erheblichen Risiken ausgesetzt.

Lidia Menapace war in ihrer Heimatregion Piemont als staffetta aktiv, und erzählt, wie sie in Taschen mit doppeltem Boden Essen, Medikamente und Sprengstoff zu den Partisan*innen brachte, trotz der ständigen Angst, von der faschistischen Polizei erwischt zu werden. Staffette prüften auch Ortschaften auf die Anwesenheit von faschistischen oder deutschen Einheiten, oder sie halfen Menschen auf der Flucht.

Foto: Unsplash

Obwohl das Engagement im Widerstand für viele Frauen eine Chance war, aus klassischen Rollen auszubrechen und sich politisch zu engagieren, war die Resistenza nicht frei von Widersprüchen oder Sexismus, wie Historikerin Bravo anmerkt. So berichten Zeitzeug*innen etwa von männlichen Partisanen, welche die Teilnahme ihrer Kameradinnen an den Siegesparaden durch italienische Städte nach der Befreiung zu verhindern versuchten. Nur Tage nachdem der Einsatz von Partisaninnen noch bitter nötig gewesen war, wollten manche diesen Teil der Geschichte schon zu den Akten legen und Ehre, Aufmerksamkeit, Macht und was sonst noch für sich allein beanspruchen.

Der italienische Widerstand wurde bald zu einer Art Gründungsmythos der Italienischen Republik, deren Verfassung von den Werten der Resistanza geprägt ist, und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen vorsieht. Uns wird quasi täglich bewusst, dass Sexismus und Genderdiskriminierung immer noch allgegenwärtig sind, und dass eine echte Anerkennung der Bemühungen und Opfer von Frauen, heute wie damals, immer noch nicht selbstverständlich sind. Dahin kommen wir auch nur mit mutigen und konkreten Schritten – aber das Gedenken die Frauen von damals und das Nennen ihrer Namen, das gehört auch dazu. Am besten natürlich jeden Tag, aber vor allem an Tagen wie dem 25. April. Also, nachträglich: Buona Liberazione!

Lisa Settari

 

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