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Damit keine #träumeplatzen!

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Hunderte Seifenblasen steigen am Montagmorgen in Bozen vor dem Landhaus 1 in die Luft. Soeben wurde das Thema des diesjährigen Equal Pay Days genannt: Damit keine #träumeplatzen – #isogninonsiinfrangono. Die Seifenblasen, die schillernd in die Luft steigen und doch so leicht zerplatzen, sind Sinnbild für die Träume, die weiterhin platzen werden, wenn Frauen und Männer nicht endlich gleich bezahlt werden.

In Südtirol findet der Equal Pay Day heuer schon zum neunten Mal statt. Die Zahlen haben sich seitdem nicht wirklich verändert: In Südtirol verdienen Frauen 2019 immer noch 17,2 Prozent weniger als Männer mit derselben Qualifikation und Berufserfahrung.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: In den vergangenen neun Jahren haben sich immer mehr Organisationen an der Aktion des Landesbeirats für Chancengleichheit beteiligt und so sind es heute über 60 Institutionen, die in öffentlichen Einrichtungen, auf den Straßen und Plätzen Südtirols vertreten sind und Passant*innen über dieses Thema informieren.

Gut ist auch, dass in den vergangenen neun Jahren die Aufmerksamkeit für das Thema durchaus gestiegen ist. 2010 war der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen noch nicht statistisch erfasst. Das bedeutet, das Wissen darüber, ob es überhaupt eine Lohnschere in Südtirol gibt, war nicht vorhanden. Inzwischen konnten Zahlen gesammelt werden und viele Menschen sind sich des Problems bewusst.

Mit dem aus Köln übernommenem Motto “damit keine #Träumeplatzen“ werden Frauen und Männer dazu aufgerufen, über ihre eigenen Träume nachzudenken und diese mit einem Foto mit einer Seifen- oder Kaugummiblase auf den sozialen Medien zu veröffentlichen.

Als Informationsmaterial werden heute an den Ständen im ganzen Land u.a. Postkarten mit fünf verschiedenen Motiven verteilt. Sie zeigen fünf Träume aus verschiedenen Lebensbereichen und beschreiben beispielhaft die Auswirkungen, die die Lohnschere tatsächlich auf unser Leben haben kann:

Gute Noten. Falsches Geschlecht?

Ich träume von gleichen beruflichen Chancen und gleicher Bezahlung für Frauen und Männer.

Frauen sind in Sachen Bildung auf der Überholspur– 53,7 Prozent Mädchen besuchen Oberschulen, an Universitäten sind 57 Prozent der Studierenden Frauen und Weiterbildungen werden zu 60 Prozent von Frauen belegt. Das bedeutet, dass Frauen heute tatsächlich alle Berufs-Branchen offen stehen. Trotzdem verdienen sie weniger als Männer und schaffen es viel seltener in Spitzenpositionen.

 

Was ist uns Arbeit wert?

Ich träume davon, dass soziale Berufe gerecht bezahlt werden.

Auffallend ist, dass zahlreiche frauendominierte Berufe schlecht entlohnt werden.

Beispielsweise in der Kinderbetreuung in Südtirol sind zu 92 Prozent Frauen beschäftigt, die einen durchschnittlichen Nettolohn von 1.190€ verdienen. Auch die Pflegehilfe ist weiblich dominiert mit 68,1 Prozent Frauen. Dort ist der durchschnittliche Nettoverdienst 1.020 €. Als Vergleich dazu werden Allgemeine Hilfskräfte – wo der Frauenanteil mit 20 Prozent gering ist – besser entlohnt, sie erhalten im Schnitt 1.410 € Nettolohn.

 

Exot auf dem Spielplatz?

Ich träume davon, dass Männer wie selbstverständlich in Elternzeit gehen.

Kindererziehung wird auch heute noch hauptsächlich als Frauenaufgabe angesehen – doch daran ändert sich langsam etwas. In den vergangenen Jahren sind auch in Südtirol die Zahlen der Männer gestiegen, die in Vaterschaftsurlaub gehen. Um dieser neuen gesellschaftlichen Kultur auf die Sprünge zu helfen, plant die EU Maßnahmen für Väter. So sollen beispielsweise alle Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass Männer künftig zehn Tage bei ihrem Neugebornen bleiben – bislang waren es in Italien fünf Tage.

 

Nach der Familienzeit zu nichts mehr zu gebrauchen?

Ich träume davon, dass beruflicher Wiedereinstieg und Karriere selbstverständlich sind.

Beruflicher Wiedereinstieg ist keine Selbstverständlichkeit – für viele bedeutet Familienzeit auch gleichzeitig den Ausstieg aus dem Beruf. Ca. 40 Prozent aller unbefristet beschäftigten Frauen in der Privatwirtschaft kündigen innerhalb des ersten Lebensjahres der Kinder – auch in Südtirol.

 

Altersarmut statt aktiver Lebensabend?

Ich träume davon, dass jahrelanges Engagement für Familie und Gesellschaft endlich angemessen entlohnt wird.

Wenn das Gehalt von Frauen und Männern schon während der Erwerbstätigkeit unterschiedlich ist, so wächst die Lohnschere in der Pension noch um einiges an. Hier wird dann nicht mehr nur vom Gender Pay Gap gesprochen, sondern von Gender Pension Gap. Auch in Südtirol sind viele Frauen von Altersarmut betroffen. Aktuell leben in Südtirol mehrere tausend Frauen ohne Rente. Ein INPS-Rentner bekommt 1.306 € durchschnittlich und eine INPS-Rentnerin bekommt im Schnitt 713 € – also fast die Hälfte!

Ein Aktionstag, fünf Motive: Der Equal Pay Day 2019 soll auf unterschiedliche Situationen der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern hinweisen. Foto: LPA/fg

 

Diese fünf Beispiele zeigen klar – dieses Problem betrifft Frauen in allen Lebenslagen. Daran gearbeitet werden muss auf verschiedenen Ebenen: auf gesetzlicher Ebene, auf gesellschaftlicher Ebene, aber auch im Privaten – damit in Zukunft keine Träume mehr platzen.

Hier findet ihr die Standorte der Informationsstände am heutigen Equal Pay Day.

 

Die Zahlen wurden der Zeitschrift des Landesbeirats für Chancengleichheit ëres fraueninfodonne 2/2019 entnommen, die hier kostenlos abonniert werden kann. Dort können auch einzelne Zeitschriften downgeloadet werden.

Judith Mittelberger

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