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Negativpreis „Saure Gurke“ geht in Rente

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Der Negativpreis die „Saure Gurke“ machte jährlich auf sexistische Berichterstattung im deutschen Radio und Fernsehen aufmerksam. Nun wurde der Preis in den Ruhestand geschickt. Wir haben nach den Gründen gefragt.

Seit 1980 wurde im Rahmen des Herbsttreffens der Medienfrauen jährlich die „Saure Gurke“ verliehen. Damit wurde aufgezeigt, welche Beiträge im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen Frauen nicht berücksichtigt oder in bestimmte Geschlechterrollen gedrängt haben. So hat im letzten Jahr ein Journalist die „Saure Gurke“ bekommen, als er sich im Interview mit einer Sportlerin mehr für ihr Flirtverhalten, als für ihre sportlichen Leistungen interessiert hat. Er reagierte mit einer Entschuldigung auf die Verleihung des Preises.

Nun nach fast 4 Jahrzehnten wurde die „Saure Gurke“ beim diesjährigen Herbsttreffen der Medienfrauen in den Ruhestand geschickt. Darüber diskutiert und schlussendlich entschieden haben das die über 20 Frauen in der Gleichstellungskonferenz von ARD, ZDF, DW, Deutschlandradio und ORF gemeinsam. Auch wenn der Preis über die Jahre hinweg auf ironische und deutliche Art und Weise auf Entgleisungen in der Medienwelt hingedeutet hat, war es für die Frauen an der Zeit, ihn zu verabschieden.

42. Herbsttreffen der Medienfrauen

Darüber gab es auch kritische Stimmen, eine davon wird hier von der taz genannt: Eine WDR-Journalistin kommt zu Wort, die sich fragt, wie sich satirische Selbstkritik überholen kann. Sie gibt zu bedenken, dass auch in öffentlich-rechtlichen Sendern Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht ist. Und, dass „männerdominierte Strukturen sich eher wieder neu verfestigen“.

Gleichstellungsbeauftragte des Hessischen Rundfunks und diesjährige Zuständige für das Medienfrauentreffen, Sinaida Thiel, sagt in der Abschiedsrede zur „Sauren Gurke“:

Ja, es gibt weiterhin Strukturen in unseren Häusern, die Frauen fern halten und die gläserne Decke ist nicht ins Märchenreich verschwunden. Aber es ist an der Zeit, etwas Liebgewonnenes mit Dank zu verabschieden, eine Veränderung anzustoßen und Neues auszuprobieren!

Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht zuletzt liegt es auch daran, dass sich in der Medienwelt doch einiges verbessert habe.

Auf sexistische Berichte würde inzwischen über soziale Medien viel schneller reagiert. Die Einsendungen und die Reichweite der „Sauren Gurke“ seien damit zurückgegangen.

Hauptgrund scheint aber zu sein, dass ein Negativpreis nicht mehr der heutigen Zeit entspricht. Laut Sinaida Thiel haben immer mehr Stimmen einen Positivpreis gefordert:

Kritische Stimmen sind heute lauter als je zuvor, der gesellschaftliche Diskurs verschiebt sich. Mittlerweile sind wieder eher leise, positive, ja auch lobende Worte findende Beiträge wichtiger geworden, so Sinaida Thiel.

Sie nennt das Stichwort constructive journalism – konstruktiver Journalismus, der für Kritik mit konstruktivem Ansatz steht. Also auch für Lösungsvorschläge. Denn das positive Beispiel wirkt viel ermutigender und ist damit eher in der Lage, etwas zu verändern.

So verabschiedet sich Sinaida Thiel von der „Sauren Gurke“ mit den Worten:

Liebe Saure Gurke, vielen Dank für deine scharfe Zunge im Kampf gegen Frauenfeindlichkeit in den Medien! Du warst toll, nun übernehmen andere.

Und wir bleiben gespannt, was die Zukunft bringt, und ob es bald ein positives Gegenstück zur „Sauren Gurke“ geben wird.

 

Judith Mittelberger

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