Unsere Frau des Monat Februar ist Petra Oberhollenzer, sie bekam 2024 den Förderpreis des Landesbeirates für Chancengleichheit/Frauenbüro für ihre Masterarbeit “Bergbäuerin sein – Herausforderungen und Chancen früher und heute”.
“Bäuerin zu werden war somit schon bald mein Traum, da es für mich ein Beruf ist der eine vielseitige Selbstverwirklichung, einen gesunden sinnvollen Arbeitsalltag und zugleich eine enkeltaugliche Zukunft verspricht.”
Im Interview mit Sissi Prader erzählt Petra mit Begeisterung über ihr Leben als junge Bäuerin.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Petra Oberhollenzer, bald 32 Jahre alt, Bergbäuerin und Mutter von Jakob, 4 und Klara 2. Das besondere an unserer Familie ist aber, dass wir ein Chromosom reicher sind als eine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern 😉, Klara hat Trisomie 21. Wir wohnen auf einem Bergbauernhof im Sarntal auf 1365m Meereshöhe und mein Mann bewirtschaftet unser kleines, aber schönes Stückchen Kulturlandschaft, nun schon seit über 10 Jahren mit Unterstützung seiner Mutter, Geschwister und weiteren fleißigen Heuerntehelfern. Seit nun fast 5 Jahren darf ich an seiner Seite das Erbe seiner Vorfahren schätzen und kultivieren lernen.
Dein Beruf als Bergbäuerin ist wohl eine Berufung?
Ich bin in Brixen mit zwei Geschwistern aufgewachsen und schon während meiner Oberschulzeit hat es mich für ein Auslandsjahr in die USA verschlagen. Nach der Matura bin ich nach Graz, um einen europäischen Freiwilligendienst in einem Zentrum für arbeitslose Jugendliche zu absolvieren und gleich danach hat mich mein Interesse an naturwissenschaftlichen Themen und Nachhaltigkeit für mein Geographie Bachelor Studium nach Schweden verschlagen. In dieser Zeit wurde mir immer öfter bewusst wie sehr mir meine Heimat und ganz besonders die Naturverbundenheit am Herzen liegt.
Dann liegt die nächste Frage auf der Hand: Wie hast du deinen Ehemann kennengelernt?
Ich habe auf einer Hochalm im Schnalstal als Hirtin gearbeitet und einer der zwei Sarner, die für einen Tagesausflug 2h Autofahrt und 3h Fußweg in Kauf genommen haben, um für gute Musik und Volkstanz unsere Alm aufzuspüren, hat mir sofort den Kopf verdreht. Ja nach dem anfänglichen verliebt sein hat wohl auch das Schicksal oder wie wir glauben unser Herrgott mitgewirkt, dass wir uns dann auch entschlossen haben, uns ein Leben lang tiefer kennen und lieben lernen zu wollen.
Was hat dich dann motiviert noch einen Sozialwissenschaftlichen Master zu machen?
Ich habe zu der Zeit verschiedene praktische Arbeitserfahrungen im Sozialwesen gesammelt (Caritas, Bezirksgemeinschaft Salten Schlern und Mittelschule Sarntal) und mir wurde bewusst, dass mir auch dieser Bereich fordert, erfüllt und besonders auch am Herzen liegt. Durch den Master „Innovation in Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit“ konnte ich meinen Schwerpunkt auf die Forschung der „Sozialen Landwirtschaft“ legen und damit meine zwei Herzenswelten schon mal in der Theorie vereinen. Wenn Gott will, werden wir in naher Zukunft dann versuchen auch unseren Hof sowie unsere naturnahe Heimat für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu öffnen. Wir möchten unser Zuhause mit Menschen teilen, die keinen Zugang zur landwirtschaftlichen Lebenswelt haben und Sozialprojekte umsetzen, die traditionelle landwirtschaftliche Tätigkeiten als Therapie nutzen bzw. es schaffen sie als lebendiges Wissen weiterzutragen.
Was beinhaltet die alltägliche Arbeit am Hof und wie schafft man die Herausforderung alle Ansprüche unter einem Hut zu bringen?
Unsere zwei Kühe melken wir für den Eigengebrauch und ich mache mit der überschüssigen Milch gelegentlich leckeren Jogurt, Quark oder Frischkäse. Wenn wir einen oder zwei Ochsen im Jahr an den Metzger verkaufen, tun wir das, um die landwirtschaftlichen Ausgaben zu decken. Einkommen haben wir eigentlich nur durch unsere Ferienwohnung und durch die Holzarbeit. Was wir an unserer Lebens- und Arbeitsweise aber am meistens schätzen, sind unsere eigenen gesunden Lebensmitteln sowie das große Lernpotenzial, das in jeder Tätigkeit versteckt ist und zu jeder Jahreszeit auf dem Programm steht.
Diese Frage war wohl Anlass in die Masterarbeit „Bergbäuerin sein – Herausforderungen und Chancen früher und heute“ näher zu untersuchen und auch entsprechende Maßnahmen vom SBB zu treffen, die Arbeit am Hof nicht nur wert zu schätzen, sondern auch Möglichkeiten der Entlastung zu bieten? Ist dies überhaupt möglich?
Die zentrale Rolle der Frau sollte im Hinblick auf die Bergbauernhöfe in der Südtiroler Peripherie Aufschluss darüber geben, wie Landflucht verhindert und der Fokus damals aber auch heute von den Herausforderungen auf die Chancen gelegt werden kann. Deshalb habe ich in meiner Studie die Entwicklungen der Südtiroler Bäuerinnen in Landwirtschaft und Gesellschaft, ihr Alltag und ihre Zukunftsvisionen in einem Zeitraum von 1980-2022 analysiert.
Grundlage und Ausgangspunkt der Forschung war die Zusammenarbeit mit der Südtiroler Bäuerinnen Organisation (SBO) und die Auswertung der quantitativen Ergebnisse der bereits durchgeführten Umfragen mit den Mitgliedern der SBO. Die Auswertung der vergleichbaren Daten der Umfragen von ermöglichte einen Vergleich über einen Zeitraum von 20 Jahren, der sich auf relevante Themenbereiche bezieht. Zu jedem der sieben Themenbereiche wurde eine vertiefende qualitative Datenerhebung durchgeführt, die sich in der Praxis und in der Zusammenarbeit mit der SBO entwickelte. Diese Methodentriangulation der qualitativen und quantitativen Daten ermöglichte abschließend eine zusammenführende themenbezogene Analyse aller Ergebnisse.
Ausgearbeitete Hauptkonzepte der Abschlussarbeit
Die Masterarbeit beinhaltet die Auswertung von Daten zu einem fast 40-jährigen Zeitraum und bearbeitet dabei folgende Hauptthemenbereiche: Allgemeines zum Berufsbild und dessen vielfältige Ausprägungen, die Familiensituationen auf den Höfen, der Gesundheitsstatus der Bäuerinnen, die Urlaubs- bzw. Freizeitbeschäftigungen sowie ihr politisches und soziales Engagement und die Visionen und Zukunftsaussichten der Bäuerinnen. Dabei zählen die Rolle der Frau in Landwirtschaft und Gesellschaft, mit der Reproduktionsarbeit und den neuen Aufgabenbereichen in der Produktion sowie die Gleichberechtigung und Emanzipation im Landwirtschaftssektor zu den Hauptkonzepten der Abschlussarbeit.
Schlussfolgerung
Um die Ergebnisse für die Bergbäuerinnen getrennt von den Obst- und Weinbäuerinnen betrachten zu können, musste statistisch zwischen Grünland- und Intensivkulturbäuerinnen unterschieden werden. Der ergänzende qualitative Ansatz führt jedoch zum Ergebnis, dass die Verschiedenheit der Südtiroler Bäuerinnen weit über diese beiden Definitionen hinausgeht. Dies ist zusätzlich Beweis dafür, dass die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Berufes sehr weitläufig sind. Dies wiederum trägt dazu bei, dass die Bäuerinnen allgemein ihrem Beruf gegenüber sehr positiv eingestellt sind.
Viele Bäuerinnen von heute wollen auch die Öffentlichkeit auf die Herausforderungen ihres Berufsbildes aufmerksam machen, um Missstände zukünftig zu verhindern. Laut dieser Studie liegen die Probleme häufig bei stark geprägten geschlechterspezifischen Rollenbildern oder sind mit gesellschaftlichen Vorurteilen sowie einem klischeebehafteten Bild der landwirtschaftlichen Arbeit verbunden. Zugleich wird auch auf die verschiedenen hierarchischen Verhältnisse innerhalb der Bauernfamilien und der patriarchalen Gesellschaft aufmerksam gemacht. Dies könnte durch eine Anpassung der landwirtschaftlichen Ausbildungen mit geschlechterneutralen Unterrichtsthemen verbessert werden. Die Ergebnisse der Studie bezeugen aber auch, dass sich in den letzten 40 Jahren durch die starke Verbandstätigkeit der SBO und durch die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen bei den Frauen und in deren Familien bereits vieles positiv verändert hat.
Nichtsdestotrotz erkennt die Studie die bäuerliche Wirtschaftsweise und die Familientraditionen im Südtiroler Berggebiet wegen ihres wertvollen Wissens und der lebendigen Kultur als großen Reichtum der Vergangenheit und als Potenzial für die Zukunft an
Es braucht viel Aufklärungsarbeit für die nicht-bäuerliche Gesellschaft, damit ihre Produkte irgendwann die verdiente Wertschätzung erfahren Es braucht neue wirtschaftliche und soziale Modelle, die den bäuerlichen Familien auf Bergbauernhöfen eine Zukunft sichern.
Laut dieser Forschung liegt die Hoffnung eindeutig bei der Innovationskraft der Frauen im ländlichen Raum und sollte in einem Wandel weg von wirtschaftlichem Wachstum hin zu sozialem Reichtum liegen. Abschließend kann betont werden, dass für Südtirol eine landwirtschaftliche Regionalentwicklung mit konkretisierter Frauenförderung anzudenken wäre. Diese Förderung und Unterstützung von Seiten der Politik muss eine Zusammenarbeit mit dem Sozialwesen anstreben, sodass die Bäuerinnen in Südtirol die klein strukturierten Voraussetzungen für die verschiedensten individuellen Strategien bestmöglich nutzen und zum weltweiten sozial-ökologischen Wandel beitragen können.
Deine Kinder erleben ein ganz anderes Umfeld als in einer Stadt – dies ist sicherlich auch ein hoher Wert?
Ja meine Kinder sind privilegiert hier aufwachsen zu dürfen. Ich selbst lerne täglich von ihnen wie sie die Natur bestaunen, etwas Neues ausprobieren, wieder beobachten und daraus lernen können. Und mein größter Wunsch wäre unseren Bergbauernhof als Lern- und Erholungsort auch anderen Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen zugänglich zu machen. Vielleicht wird es ja auch irgendwann möglich auf unserem Bauernhof in Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten einzelne solidarische und partizipative Arbeitsreintegrationsprozesse zu ermöglichen.
Woher nimmst du den Ansporn und die Kraft?
Meine Familie und mein Mann geben mir sehr viel Kraft, aber auch wenn ich es im Garten wachsen sehe oder besonders wenn meine Kinder Fortschritte machen, ist das täglich ein Ansporn für mich. Ohne meinen Glauben an Gott, die Sonntagsmesse und das Staunen über seine wunderbare Schöpfung wäre vieles nicht so leicht. Ich bin meinen Mitmenschen dankbar, dass ich jeden Tag von neuem mich bemühen darf sie annähernd so zu lieben, wie Gott es sich wünscht.
Hast du auch Vorbilder, die dir nahe sind oder einfach nur aus anderen Kontexten kennst?
Ich hatte und habe in meinem Leben immer wieder Menschen von denen ich vieles lernen darf, die mich annehmen, wie ich bin, mir vergeben und mir die Chance geben zu wachsen.
Zeit für Hobbys, die dir wichtig sind?
Schwimmen, Eislaufen und Wandern erden mich und öffnen Augen für die wundervolle Schöpfung. Volkstanz sowie auch Gemeinschaftssportarten oder -spiele tun meiner Seele gut. Jetzt wo die Kinder noch klein sind, finde ich weniger Zeit für Hobbies, versuche aber meinen Alltag mit Tätigkeiten in der Natur zu füllen, die auch den Kindern Spaß machen. Garteln vom Samen bis zur Ernte macht mir große Freude aber auch die Küche hat großes Experimentierpotential.
Was ist ihr Lebensmotto?
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. (Reinhold Niebuhr)

Vielen Danke liebe Petra für das Interview, wir wünschen dir/euch nur das Beste.