Gerade 20 Jahre alt und im dritten Jahr ihres Architekturstudiums an der Wiener Kunstgewerbeschule war Grete Lihotzky, als sie den ersten Preis für ihren Entwurf einer Arbeiterwohnung gewann. Vorher hatte die Tochter aus bürgerlich-intellektuellem Haus sich auf Anraten ihres Professors das Elend in den armseligen Arbeiterunterkünften mit eigenen Augen angesehen – sieben bis acht Personen lebten dort am Ende des Ersten Weltkriegs in einem Raum und unter unglaublichen sanitären Verhältnissen. Ihre aus diesen Eindrücken gewonnene soziale Berufseinstellung behielt sie ihr Leben lang bei.
Mit 22 schloss sie als erste Frau in Österreich ihr Architekturstudium ab und wurde sofort von Alfred Loos engagiert, dem Chefarchitekten des Städtischen Siedlungsamtes. Sie entwarf den Prototyp der »Siedlerhütte«, einen ganz aus Holz gefertigten Würfel mit 4,5 Metern Seitenlänge, in dem sie unter perfekter Ausnutzung des Raumes alle notwendigen Einrichtungsstücke unterbrachte. Diese Hütte diente als erste anständige Unterkunft für Tausende von Flüchtlingsfamilien am Ende des Krieges und die vielen obdachlosen Arbeiter, die seit Beginn des Jahrhunderts auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Stadt gezogen waren.
Nach dem Tod ihrer Eltern wechselte sie 1926 nach Frankfurt am Main, wo sie vom Stadtplaner Ernst May ebenfalls für Neuerungen im Massenwohnbau engagiert wurde. Besonders zeit- und platzsparende Einrichtungen zur Erleichterung der Hausarbeit für berufstätige Frauen lagen ihr am Herzen, ihre »Frankfurter Küche« ging als ideale Einbauküche in die Architekturgeschichte ein.
Doch Ende der 1920er Jahre verschärfte sich die politische Lage in Deutschland durch die Weltwirtschaftskrise. Und als Ernst May 1930 ein Angebot aus der Sowjetunion erhielt, ging er mit einer Gruppe von 17 Planern in den Osten. Lihotzky, sie hatte inzwischen ihren deutschen Kollegen Wilhelm Schütte geheiratet, war als einzige Frau dabei. Das Land befand sich im Aufbau, ganze Städte wurden aus dem Boden gestampft mit Wohnungen, Schulen und Kindergärten, bis auch hier das politische Klima umkippte. 1937 wurden alle ausländischen Architekten von Bauplanungen ausgeschlossen.
Nach einer kurzen Zwischenphase in Paris fand das ArchitektInnenpaar schließlich Arbeit in der Türkei, vermittelt durch den bekannten deutschen Kollegen Bruno Taut. Dort schloss sich Lihotzky, inzwischen Mitglied der Kommunistischen Partei, dem österreichischen Widerstand an.
Im Dezember 1940 fuhr sie in geheimer Mission nach Wien, um mit den Genossen Kontakte zu knüpfen. Verraten von einem Spitzel wurde sie verhaftet, wochenlang verhört, monatelang in Einzelhaft gehalten, schließlich als »Hochverräterin« verurteilt und in ein Frauengefängnis nach Bayern verlegt, aus dem sie erst 1945 von den Amerikanern befreit wurde. Die Erlebnisse dieser schrecklichen Zeit beschrieb sie später in ihren Erinnerungen aus dem Widerstand.
Nach dem Krieg kehrte Lihotzky in die elterliche Wohnung nach Wien zurück, doch als Kommunistin hatte sie wenig Chancen auf öffentliche Aufträge. International aber erhielt sie viel Anerkennung, arbeitete in Kuba und in der DDR und engagierte sich in der Friedensbewegung.
Erst in den 1980er Jahren wurde sie auch wieder im eigenen Land gewürdigt, erhielt vier Ehrendoktortitel, Interviews in den Medien, schließlich eine Ausstellung über ihr Lebenswerk im Museum für angewandte Kunst in Wien.
Auch als Hundertjährige, wie immer brennend an Tagespolitik interessiert, dachte sie noch an die Zukunft: »Man wird wieder mehr in großen Gruppen, Wohn- oder Hausgemeinschaften zusammenleben«, war ihre Überzeugung, und sie forderte das »Grundrecht auf menschenwürdiges Wohnen für alle«.
Als die österreichische Architekturstudentin Margarete Schütte Lihotzky denersten Preis für ihren Entwurf einer Arbeitswohnung gewann, war sie gerade erst 20 Jahre alt. Es waren die armseligen Arbeitsunterkünfte während des ersten Weltkrieges, die Grete dazu bewegten, immer weitere und bessere ausgestattete Wohnmöglichkeiten zu kreieren.
Mit 22 Jahren entwarf sie den Prototyp der »Siedlerhütte«, einen ganz aus Holz gefertigten Würfel, die als anständige Unterkunft für Flüchtlingsfamilien wie obdachlosen Arbeiter Ende des Krieges dienten. Es gelang ihr einen einzigen Raum ganz auszunutzen mit allen notwendigen Einrichtungsstücken die es brauchte.
Der große Durchbruch kam 1926 in Frankfurt am Main als sie die ideale Einbauküche „Frankfurter Küche“ für berufstätigte Frauen herausbrachte und somit eine Zeit- und platzsparende Einrichtung das Leben der Hausfrauen erleichterte.
Über zehntausend Küchen dieses Typs wurden in unterschiedlichen Varianten in den Frankfurter Siedlungen eingebaut, die Stadtbaurat Ernst May errichten ließ, um breite Bevölkerungsschichten mit günstigen, zweckmäßig ausgestatteten Wohnungen zu versorgen.
Schließlich war die Küche der ideale Gegenstand des neuen, rationalen Planens: Sie war ein Arbeitsraum, hier mussten zahlreiche kleine Handgriffe koordiniert werden, wiederholten sich bestimmte Tätigkeiten mehrfach, und alles musste schnell gehen, wollte die berufstätige Frau noch Zeit für sich und ihre Familie haben.
Die „Frankfurter Küche” im Museum der Dinge gibt nicht nur Einblick in ein spannendes Kapitel der Kultur- und Sozialgeschichte. Sie macht uns auch bewusst, wie die Dinge, mit denen wir uns umgeben, unseren Alltag prägen, wie sie uns entlasten, aber auch einspannen in vorprogrammierte, rationelle Arbeitsabläufe und sogar unser soziales Leben mitbestimmen.
Im Bild: Eine Frankfurter Küche (Wiki Common Festung Ehrenbreitstein) , eine traditionelle Küche (Archiv Frauenmuseum)