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„Der Schlüssel ist, immer und primär den Menschen zu sehen“

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Als Frau in einer Männerdomäne hat sie gelernt, sich durchzusetzen: Tila Mair hat viele Jahre als Sekretärin des Südtiroler Gewerkschaftsbundes SGB-CISL gewirkt. Im Rahmen unserer Rubrik #FraudesMonats haben wir sie zu ihrer politischen Arbeit und zu ihren wertvollen Ergebnissen befragt und dazu, wie sie nun in Pension weitermacht.

Tila, wie würdest du dich beschreiben?

Neugierig, beharrlich, achtsam, vernetzt und interessiert am Nächsten.

Was hat dich zur Gewerkschaftsarbeit bewogen?

Ich leide sehr wahrscheinlich an einem ausgeprägten Helfersyndrom.

Witz beiseite.

Ich bin in einer Großfamilie aufgewachsen. Zwischen uns Geschwistern war es immer schon selbstverständlich, aufeinander aufzupassen, sich zu helfen, sich zu unterstützen, einzuspringen wo die Anderen nicht allein weiterkamen.

Das hat sich dann bei der Arbeit, in der Fabrik, mit den Kolleg*innen weiter ausgeprägt und entwickelt. Dort habe ich sehr schnell die interne betriebliche Gewerkschaftsvertretung übernommen und bin letztendlich diesen Weg weitergegangen.

Tila Mair mit Luisa Gnecchi und Gewerkschaftsmitglieder*innen
Nun bist du ja in Pension und dennoch weiterhin aktiv. Hast du dir das gewünscht?

Selbstverständlich habe ich das gewollt und zwar sehr. Ich bin übrigens dankbar dafür, dass ich es auch durfte und darf.

Deine Arbeit ist eine höchst politische. Du scheust es nicht, dich mit den ranghöchsten Politiker*innen an einen Tisch zu setzen und Rechte einzufordern.

Der Schlüssel dazu ist nicht die Rolle, nicht die Funktion, die jemand bekleidet, sondern immer und primär den Menschen zu sehen und diesem zu begegnen. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung und so habe ich es immer versucht zu machen. Man lernt sich besser kennen und das führt nicht zuletzt zu gegenseitiger Wertschätzung. Man baut Glaubwürdigkeit auf und macht so einiges leichter, auch in der Wahrnehmung unterschiedlicher Interessensvertretung.

Kannst du auf wertvolle Ergebnisse blicken?

Frauen voran!

Als Frau in einer eigentlich sehr ausgeprägten Männerdomäne (Gewerkschaften sind es leider immer noch zu viel) war ich in meiner Führungsrolle  lange Zeit eine unter sehr wenigen Frauen. Angefangen habe ich in der Bauarbeitergewerkschaft. Es war kein Leichtes, aber gerade das war die interessante Herausforderung. Ich habe mich von Anfang an geweigert, vollzeitig in die Gewerkschaftsarbeit einzusteigen, um die „Sekretärin“ eines männlichen Kollegen zu spielen. Das war nicht meine Vorstellung und nicht der Sinn, den ich in der Gewerkschaftsarbeit sehen und leben wollte. Ich habe mich durchgesetzt : mein erster Erfolg, wenn ich es so sagen darf.

Frauen sind immer noch benachteiligt  und dennoch geht etwas voran.

Auf Italienisch sagt man so schön „eppur si muove…“.  Es wäre nicht korrekt zu behaupten, dass sich in den vergangenen Jahren nichts getan hätte. Es bewegt sich so Einiges und zum Besseren. Schon allein die Anzahl an Frauen in Führungspositionen hat sich vervielfältigt, nur als Beispiel. Frau, so sehe ich es, sollte allerdings in erster Linie mehr von sich selbst  überzeugt sein, sich dementsprechend einbringen und selbst an den längst fälligen Veränderungen, an gleichen Chancen und gleicher Berechtigung, an wahren Vereinbarungsmöglichkeiten, arbeiten. Sozusagen in eigener Sache.

Wie verbringst du deine Freizeit? Wo kannst du deine Energien schöpfen?

Ich reise sehr gerne, bin immer noch sehr neugierig auf andere Leute, andere Geschichten, andere Welten, andere Ansichten, ich lese ziemlich viel, ich genieße gutes Essen und ein  Glas guten Weines, ich unternehme so Einiges mit Freund*innen, aber ich scheue auch nicht „il dolce far niente „. Energien schöpfe ich bei meinem Mann, wir sind seit mehr als 50 Jahren verheiratet. Er ist Italiener und das ist gut und er ist unumstritten der ruhige und kraftbringende Pol in meinem eigentlich bewegten Leben. Ich bin es, die schnelllebig unterwegs ist. Mit dem was er in unser gemeinsames Leben gebracht hat, hat er auch wesentlich dazu beigetragen,  dass ich der Mensch geworden bin, der ich bin.

Tila Mair mit ihrem Mann und ihrer Enkelin
Was ist deine Lebensweisheit bzw. was ist dein Motto?

Ein Spruch meines Vaters begleitet mich seit meiner Kindheit: „Gehe achtsam mit anderen Menschen um, wirf sie nicht aus deinem Leben, sondern lege sie behutsam zur Seite. So kannst du sie immer wieder zurückholen.“ Daraus habe ich gelernt, das Positive des Anderen zu sehen und festzuhalten und alles Negative zu streichen.

 

Interview: Sissi Prader und Judith Mittelberger

 

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