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„Der Mensch kommt zuerst, die Beeinträchtigung ist nicht so wichtig“

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Seit 13 Jahren ist unsere Frau des Monats Oktober, Karin Pfeifer, bei People First in der Lebenshilfe tätig. People First ist eine Selbstvertretungsgruppe für Menschen mit Lernschwierigkeiten die sich politisch für die Rechte von Menschen mit Lernschwierigkeiten einsetzt. Nach dem Motto:

Nichts über uns, ohne uns.

Im Interview erzählt Karin Pfeifer von ihrer Arbeit, was ihr besonders am Herzen liegt und wieso sie sich u.a. auch am Frauenmarsch beteiligt.

 

Vorab einige Informationen, die auf der Homepage zu People First zu finden sind:

Seit über 20 Jahren setzt sich die Selbstvertretungsgruppe People First für die Rechte von Menschen mit Lernschwierigkeiten ein. Bei People First arbeiten und entscheiden Menschen mit Lernschwierigkeiten. Für ihre Arbeit stehen ihnen 2 Unterstützungspersonen zur Verfügung.

Was macht People First alles?

  • Wir arbeiten politisch
  • Wir machen Selbstvertretung
  • Wir machen Öffentlichkeitsarbeit
  • Wir organisieren Weiterbildungen.
  • Wir vernetzen uns mit anderen Selbstvertretungsgruppen
  • Wir setzen uns für Leichte Sprache ein. Leichte Sprache ist für viele Menschen wichtig.

Unsere Ziele:

  • Wir wollen für uns selbst sprechen.
  • Wir wollen mit·reden.
  • Und mit·bestimmen bei unseren Themen.
  • Wir wollen eine Inklusive Gesellschaft wo Alle Menschen dazugehören.
Gruppenfoto People First
Karin, du bist stellvertretend hier für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Ihr habt als Selbstvertretungsgruppe die Möglichkeit für euch wichtige Projekte umzusetzen, da ihr sowohl von der Lebenshilfe als auch von der Abteilung 24 des Landes finanziert werdet. Fangen wir mit dem Frauenmarsch an. Dort haben wir uns 2021 kennen gelernt. Warum habt ihr als People First daran teilgenommen?

Wir haben vom Frauenmarsch auf Facebook erfahren. Weil das Thema Gewalt auch für uns ein wichtiges Thema ist wollten wir beim Frauenmarsch mit dabei sein. Das war eine sehr wichtige Aktion für uns.

Wir haben auch einen Stuhl gemacht der jetzt im Frauenmuseum Meran steht.

Karin und Julia mit Stuhl beim Frauenmarsch Bozen 2021
Erzählst du uns von deiner Arbeit, die du bei People First stellvertretend für Menschen mit Lernschwierigkeiten machst?

Wir sind eine Sektion der Lebenshilfe. Ich arbeite im Büro und organisiere unsere Projekte, die unser Vorstand beschlossen hat. Ich mache Öffentlichkeitsarbeit und Vorträge. Im Moment mache ich zum Beispiel Vorträge zu den Landtagswahlen in Einrichtungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Ich organisiere auch Kurse. Zum Beispiel Computerkurse, Facebookkurse oder wir haben im Sommer einen Erste Hilfe Kurs in Leichter Sprache organisiert.

Nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern viele verschiedene Gruppen können von Texten in leichter Sprache profitieren. So leistet ihr einen wichtigen Beitrag. Wie viele Menschen arbeiten bei euch im Büro?

Wir sind zwei Ansprechpersonen im Büro.

Unterstützt werden wir von 2 Unterstützer*innen.

In unserem Vorstand sind 13 Menschen mit Lernschwierigkeiten. Sie beschließen, welche Projekte wir machen.

In den 13 Jahren, die du bei People First arbeitest, hast du ja schon viele Erfahrungen gemacht. Du scheust es nicht, Dinge anzusprechen, um die Lebenssituationen von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu verbessern. Hast du auch mit den anderen Bereichen der Lebenshilfe Kontakte?

Wir tauschen uns mit anderen Mitarbeiter*innen aus, sei es über Neuigkeiten oder auch Veranstaltungen, wo wir mit dabei sind. Der Präsident von People First hat im Vorstand der Lebenshilfe auch Sitz- und Stimmrecht. Wir von People First arbeiten aber inhaltlich unabhängig von der Lebenshilfe. Wir bestimmen selbst welche Projekte wir machen und welche Themen uns wichtig sind. Dafür haben wir einen eigenen Vertrag mit der Lebenshilfe abgeschlossen.

Das ist natürlich eine große Freiheit und es ist sehr wichtig, dass ihr selbst entscheiden könnt.
Karin, was möchtest du uns sonst über dich erzählen?

Ich wohne in Schlanders und habe auch einen Freund. Meine Eltern und die Geschwister wohnen in Brixen. In der Freizeit bin ich viel mit einer Wandergruppe unterwegs, wo ich Kameradschaft und Beziehungen pflege, da wir viel miteinander erleben und sprechen. Zusätzlich leite ich auch eine Freizeitgruppe.

In der Natur zu sein ist gesund.

Karin Pfeifer beim Wandern

Letzthin habe ich 6 Wochen Auszeit von meinem Beruf genommen. Ich denke, nach so vielen Jahren tut es gut, ein bisschen Abstand zu bekommen. Danach habe ich mich wieder auf die Arbeit gefreut, wo ich gebraucht werde, wo ich etwas Wertvolles beitragen kann, das mir Vieles gibt. Mir ist wichtig Menschen mit Lernschwierigkeiten zu unterstützen und ein Vorbild zu sein.

Du arbeitest auch freiwillig in einer Bibliothek mit?

Ja die Arbeit in der Bibliothek macht mir Spaß.

Dort sind viele Menschen, die verhalten sich ruhig, was angenehm ist. Ab und zu, wenn Kinder kommen, wird es etwas lauter.

Bekommst du für deine Arbeit auch einen Lohn und wie läuft die Arbeit ab?

Ja, wir bekommen einen richtigen Lohn für unsere Arbeit. Wir sind Expert*innen in eigener Sache und haben gleich viel Wert wie alle anderen. Jede und jeder hat gleich viel Verantwortung bei uns im Büro.

Prüflesen
Bald sind Landtagswahlen. Ihr habt natürlich auch das Recht, zu wählen.

Ja, Menschen mit Lernschwierigkeiten haben das Wahlrecht. Auch Menschen die einen Sachwalter oder eine Sachwalterin haben oder entmündigte Menschen dürfen wählen gehen, das ist ganz wichtig.

Dazu haben wir eine Broschüre in leichter Sprache verfasst, damit alle verstehen, wie wählen geht. Und wir haben ein barrierefreies Wahlvideo gemacht.

Auf was freust du dich nun?

Wir freuen uns beim Frauenmarsch am 23. September dabei zu sein und uns dafür einzusetzen, dass Frauen auch gesehen und gewürdigt werden.

Wir wollen uns auch dafür einsetzen, dass Gewalt an Frauen mit Lernschwierigkeiten aufhört.

Frauenmarsch 2023
Euch bekannt zu machen ist wertvoll, denn ihr seid Teil der Gesellschaft.

Ja und ich denke auch, es ist wichtig, über Begrifflichkeiten zu sprechen. Wir sind Menschen mit Lernschwierigkeiten. Das Wort Behindert verletzt uns.

Unser Motto ist: Der Mensch kommt zuerst. Die Beeinträchtigung ist nicht so wichtig.

 

Interview: Sissi Prader

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