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Sr. Hedwig Vinyou über ihre Arbeit zwischen den kriegerischen Fronten in Nord West Kamerun

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Sr. Hedwig Vinyou, die „Anführerin der Gefangenen“, Preisträgerin des Netzwerkes „1000 Friedensfrauen“ war am 11 Mai zu Gast bei ihren Projektpartnerinnen vom Meraner Verein Etica Mundi eO und erzählte im Frauenmuseum von Meran von ihrer Arbeit zwischen den kriegerischen Fronten in Nord West Kamerun.

Schwester Hedwig wurde der Preis der 1000 Friedensfrauen für ihre Arbeit im Gefängnis von Bamenda verliehen. Sie kämpfte für die Rechte der Gefangenen und schaffte es, 7000 von ihnen freizubekommen, die wegen kleiner Delikte auf einen Prozesstermin warteten.

Diese Zeit hat ihr das Vertrauen vieler Menschen eingebracht und führt dazu, dass sie von allen Kampfparteien geachtet wird und immer wieder von beiden Seiten über bevorstehende Kampfaktionen informiert wird, um sie zu beschützen.

Kamerun ist ähnlich groß wie Deutschland. Ein Fünftel des Landes ist, was Sprache und politisches System angeht, aus historischen Gründen an England orientiert, der Rest an Frankreich. Das ist gesetzlich auch so verankert, zumindest theoretisch.

Die heutige Situation erinnert an die schwere Zeit in Südtirol vor mehr als 70 Jahren: immer öfter wurden öffentliche Stellen, Menschen aus dem frankophonen Teil zugewiesen, die kaum englisch konnten und damit das Recht der Bevölkerung auf die Benutzung der eigenen Sprache untergruben.

Das bewirkte einen friedlichen Streik der Richter und Lehrer im Herbst 2016, auf den die Regierung mit gewaltsamer Niederschlagung reagierte. Das führte bald zu einem Bürgerkrieg, der bis heute andauert. Der ursprüngliche Wunsch die Minderheit zu schützen, führte zu einer Radikalisierung einzelner „Ambas“ genannter Gruppen, die ohne Rückhalt der Bevölkerung für die Unabhängigkeit kämpfen. Das Heer reagiert mit blutiger Unterdrückung. Zu Schaden kommt vor allem die Zivilbevölkerung, die in jedem Fall zwischen den Fronten steht.

Mehr als ein Viertel der Einwohner:innen dieser Region ist geflohen, zum größten Teil in den französisch sprechenden Teil des Landes und nach Nigeria. Wir sprechen von mehr einer dreiviertel Million Menschen, die Haus und Hof verloren haben und schreckliche Gräueltaten mit ansehen mussten.

Im Rest der Welt ist das kaum bekannt. Die NGO Norwegian Refugee Council reihte diesen Konflikt in den letzten Jahren an erste Stelle unter den schlimmsten, nicht beachteten Krisenherden der Welt.

Viele NGO’s haben sich aus dem Gebiet aus Sicherheitsgründen entfernt. Die Tertiarschwestern haben beschlossen zu bleiben und der Bevölkerung so gut es geht zu helfen.

Im Frauenmuseum erzählte Sr. Hedwig von dieser Hilfe.

Sr. Hedwig in Runde mit Frauen Projekt Weltgebetstag der Frauen

Über die Grenze nach Nigeria wird mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs geholfen. Im Kampfgebiet wird Traumabewältigung auf niederschwellige Art organisiert. Als Unterstützung der Selbsthilfe wird in Demonstrationsfarmen den Frauen beigebracht, Mischanbau mit Mais, Bohnen und Kartoffeln zu betreiben, organische Dünger selbst herzustellen und die Ernteprodukte zu konservieren. Hilfsmittel wie Geräte, Schubkarren und Gießkannen wurden in allen Dörfern verteilt.
Von den Kursteilnehmerinnen wird das Wissen zuerst in sogenannte Community Farms weitergetragen und von dort auf die persönlich zugeteilten kleinen Grundstücke bei den jeweiligen Wohnorten. Es gibt laufend Beratung und Unterstützung.

Sr. Hedwig mit neuer Hobelmaschine und Tischlereischülern

Bei Sondersituationen wird mit Mikrokrediten dabei geholfen, eine kleine Tätigkeit zu begründen. Die Gruppe wacht über die Rückzahlungen, sobald der Geldbetrag durch Einkünfte verdoppelt wurde. So speist sich das Mikrokreditsystem für andere bedürftige Menschen.

Auf ähnliche Art werden alte Menschen unterstützt: sie bekommen Hühner, Schafe oder Ziegen und geben ein Tier zurück, sobald diese mehrere Nachkommen gezeugt haben.

Behinderte und Kranke werden auch nicht vergessen und die Schwester kümmern sich medizinisch um sie, so gut sie können.

In Kriegszeiten ist die Information über Menschenrechte auch von großer Bedeutung, sie wird in organisierten Zusammenkünften vermittelt. Die Menschen sollen nicht zu einem Spielball der Kampfparteien werden.

Sr. Hedwigs Berufsschule kümmert sich um eine anerkannte Berufsausbildung für sehr viele auf sich selbst gestellte Jugendliche, viele können hier auch wohnen. (siehe www.eticamundi.org)

Diese und andere Schulen der Tertiarschwestern sind als einzige Schulen der Region wieder regulär geöffnet und geben den jungen Menschen Struktur und Perspektive.

Es ist also unglaublich viel, was die Schwestern leisten. Die Bedeutung für diese Unterstützung und Beschäftigung der traumatisierten Menschen ist auch für den Wiederaufbau von immenser Bedeutung. Sr. Hedwigs Beziehung zu Menschen in beiden Kampfparteien machen diese Hilfe auch nachhaltig und sicher.

Der Verein Etica Mundi in Meran gehört zu jenen, die die Tertiarschwestern in all den Jahren unterstützt hat und weiterhin ein wichtiger Partner sein wird.

Andrea Maria Zeller, Claudia Luterotti, Sr. Hedwig, Elisabeth Spregser

Nähere Informationen über den Einsatz in Kamerun: www.eticamundi.org, info@eticamundi.org, Spendenkonto mit Betreff Sr. Hedwig: lautend auf Eticamundi IBAN: IT 59 J 08081 11600 000300007323

 

Claudia von Lutterotti

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