Bei uns in Südtirol ist der 15. August der Hochunserfrauen-Tag, an dem die Kräuterweihe stattfindet. Nur wenige wissen, dass dieses Frauenfest nicht nur ein alter christlicher Brauch, sondern auch ein Überbleibsel keltischen und gemanischen Brauchtums ist, die unser Land auch besiedelten. Im Buch der Südtiroler Kräuterfrauen ist zu lesen:
Zentral im keltischen Heilwissen war der „richtige Zeitpunkt“, in dem die KräutersammlerInnen die Seelen der Pflanzen für sich gewinnen können. [… ] In all diesen guten Zeitpunkten galt die Kommunikation mit den Wesen der Anderswelt und den Pflanzenwesen leichter.
Der Zusammenhang alter Muttergottheiten mit den Kräutern lässt sich hier erahnen. Und auch, dass die Kirche ihre männliche Dreifaltigkeit “Vater, Sohn und Heiliger Geist” nicht ganz durchsetzen konnte. Hier ist zu lesen:
Also holte man Maria, die Himmelsmutter und Gottesgebärerin, nun doch noch in den höheren Himmel und gestand ihr einige Kompetenzen zu. Für die Urchristen und das „gemeine“ Volk aber war Maria von Anfang an nach Jesus selbst die wichtigste Figur, die es zu verehren galt. Sie vermittelt(e) zwischen den Menschen und Gott und war für viele die logische, legitime Nachfolge der weiblichen Gottheiten.
Der 15. August, der „Mariä-Himmelfahrts-Tag“, ist sicherlich eines dieser Zeitpunkte, an der die Marienverehrung eingeführt wurde. Um diesen Tag sind die Kräuter in voller Reife. Seit je her wird ihnen gerade in dieser Zeit eine besondere Heil- und Abwerkraft zugesprochen. Im Buch Lebendige Bräuche in Südtirol schreibt Jutta Tappeiner:
Im Volksglauben hält sich die Meinung, Kräuter seien in dieser Zeit voller Magie und durch die Kräuterweihe werden Heil und Segen dreifach verstärkt.
Der Kräuterbuschen
Und am 15. werden die in Sträuße gebundenen Kräuter und Blumen geweiht. Der “Kräuterbuschen”, “Frauenstrauß” oder “Weihbuschen” kann aus 7, 9, 33, 77 oder sogar 99 Kräutern bestehen, je nach Ort und Tradition. Dabei ist genau vorgeschrieben, welche Pflanzen dabei sein dürfen.
Am häufigsten enthalten sind:
- die Königskerze in der Mitte,
- Johanniskraut,
- Wermut,
- Beifuß,
- Schafgarbe,
- Rainfarn,
- Kamille,
- Thymian,
- Baldrian,
- Eisenkraut,
- verschiedene Getreidesorten,
- Raute,
- Mohn,
- Tausendguldenkraut,
- Wegwarte und
- Dost.
Der Buschen wird dann getrocknet und dann an einem besonderen Platz aufbewahrt, in vielen Südtiroler Stuben im „Herrgottswinkel“. Sie galten als Schutz gegen das Gewitter, wurden in den Raunächten geräuchert und gelten bis heute als Heilmittel gegen Frauenleiden. Auch sonst werden sie für die Krankheiten in der Familie eingesetzt.
Der Frauendreißiger
Am 15. August beginnt auch der Frauendreißiger, der bis zum 8. August (“Mariä Geburt”) andauert und als die Zeit des Kräutersammelns gilt.
Beitragsbild: gate74 from Pixabay
von Astrid Schönweger