Caroline Forer hat ihr Hobby zum Beruf gemacht: Als Profi-Streamerin verdient sie mit Computerspielen und mit Kommentieren ihren Lebensunterhalt. Wie sie es geschafft hat, ihren Traum zu verwirklichen und mit welchen Vorurteilen sie als Frau immer wieder zu kämpfen hat, erzählt sie uns im Interview.
Du bist hauptberufliche Streamerin, was bedeutet das?
Ja, als Streamerin übertrage ich quasi eine Live-Show. Das heißt, Leute können mir live zusehen, wie ich (hauptsächlich) Videospiele spiele, koche, durch die Stadt gehe, Fitness mache usw. Sie können sich mit mir unterhalten über einen integrierten Chat und mir Fragen stellen etc.
Wie hat alles angefangen?
Ich habe angefangen zu streamen als ich ungefähr 18 Jahre alt war, weil ich schon lange Videospiele gespielt habe (vor Allem World of Warcraft) und ich gesehen habe, dass andere Leute mit Streamen Geld verdienen. Zuerst hatte ich nur wenige Leute die mir zugeschaut haben, meistens nur Freunde und Bekannte, aber das hat sich dann relativ schnell geändert und es guckten immer mehr und mehr Leute zu, bis ich es dann zu meinem Hauptberuf machen konnte.
Was gehört neben dem Spielen zu deinem Job dazu?
Ein Streamer ist automatisch ein Unterhalter, das heißt, man muss permanent reden und am Besten auch gut gelaunt sein und humorvoll sein usw. Vor Allem weil es mittlerweile auch schon sehr viele Streamer gibt (fast 7,4 Millionen Streamer wurden im Mai registriert, Quelle: https://twitchtracker.com/statistics ). Also es reicht nicht mehr “nur” gut zu sein in dem Spiel das man spielt, man muss auch sonst interessanter sein, als andere Streamer.
Also verbringe ich viel Zeit damit meinen Stream besonders zu gestalten und ich versuche meine anderen Social Media Plattformen so gut wie möglich zu pflegen (Twitter, Instagram, YouTube, usw.). Ansonsten verbringe ich auch viel Zeit verschiedenen privaten Nachrichten zu antworten von Zuschauern und mit eventuellen Sponsoren Verträge auszuhandeln.
Ansonsten arbeite ich auch als “Shoutcaster” für E-Sports Turniere, speziell für World of Warcraft. Genauso wie ein Fußballkommentator erkläre den Zuschauern was gerade passiert. Hier war ich zum Beispiel bei den “Mythic Dungeon International Spring Finals” in Sydney dabei:
Wie sieht es mit finanzieller Sicherheit aus?
Finanziell hängt man von den Zuschauern und Sponsorenverträgen ab. Man kann es mit einem selbstständigen Einzelunternehmer vergleichen. Natürlich kann es sein, dass man einmal mehr und einmal weniger verdient, aber man kann das schon gut abschätzen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich von einen Tag auf den anderen alle meine Zuschauer verliere, außer etwas sehr drastisches passiert. Also variiert das Einkommen schon von Monat zu Monat, aber es gibt auch garantiertes Einkommen (z.B monatliche Bezahlungen von Sponsorenverträgen, Gage fürs Kommentieren von Turnieren usw.).
Woher kommt das Geld, das du mit Streamen verdienst?
Das Geld kommt von vielen verschiedenen Quellen.
- Twitch Subscriber: das sind Zuschauer die quasi für ein monatliches Abo bezahlen um bestimmte zusätzliche Boni in meinem Stream zu bekommen.
- Donations: also Trinkgeld sozusagen. Zuschauer können Geld spenden und diese Spende löst dann eine automatische Nachricht im Stream aus, die dann jeder sieht. Leute finden das oft interessant, weil sie dann quasi “im Fernsehen” sind.
- Twitch Werbung: Man kann als Streamer Werbung schalten, genauso wie im Fernsehen.
- Sponsoren: Ich schließe Verträge mit Sponsoren ab und bekomme dann monatlich Geld. Oftmals zeige ich ihr Logo in meinem Stream, ich bewerbe ihre Produkte auf meinen sozialen Netzwerken, oder sie bezahlen mich dafür, ihr neues Videospiel zu streamen.
- Kommentieren: Ich werde natürlich auch fürs Kommentieren von Turnieren bezahlt.
Gibt es viele Streamerinnen? Ist das eine Männersache? Spielen auch immer mehr Mädchen und Frauen?
Ich habe keine Statistik gefunden, die zeigt wie viele Streamerinnen es gibt im Vergleich zu Streamern, aber ich nehme an dass es mindestens 60-70% männliche Streamer (und auch Zuschauer) sind. Die Anzahl an Zuschauerinnen und auch Streamerinnen steigt auf jeden Fall an von Jahr zu Jahr, mittlerweile ist es nicht mehr so eine eindeutige Männersache wie es mal war, aber es ist immer noch nicht ausgeglichen.
Bist du Vorurteilen begegnet?
Ja, es gibt immer noch ziemlich viele Vorurteile gegenüber Frauen in dem Bereich. Oft gehen die Leute davon aus, dass man nicht gut ist in dem Spiel, weil man eben eine Frau ist und alles, was man macht wird dann unter die Lupe genommen. Ich habe auch über die Jahre festgestellt, dass es egal ist, was ich alles erreiche als Spielerin oder Streamerin, man kann diese Leute eben einfach nicht zufrieden stellen. Wenn ich alles perfekt mache dann ist das eben “erwartet” oder ich wurde “geboosted” (das heißt andere (männliche) Spieler hätten mir geholfen dahin zu kommen wo ich bin) und wenn ich einen Fehler mache dann ist das natürlich ein Beweis dafür, wie schlecht ich eben bin. Und wenn man als Frau schön aussieht dann ist das alles noch viel schlimmer, weil die Leute dann meinen, man hätte die ganzen Zuschauer ja gar nicht verdient, weil die Leute alle nur zugucken, wegen des Aussehens. Und wenn man sich schminkt und gut anzieht dann “nutzt man das ja noch mehr aus”. Und wenn man einen besonderen Stream macht (z.B. Fitness Stream oder Koch Stream usw.) dann gibt es viele Leute, die dann sagen, das würde man ja nur machen, damit die Leute den Körper der Streamerin sehen können und deshalb zugucken etc.
Auch wenn ich kommentiere, sind die Leute oft viel kritischer mit dem was ich sage im Vergleich zu meinen männlichen Kollegen. Zum Beispiel wenn ich etwas erkläre und ein Zuschauer wusste das nicht oder hatte fälschlicherweise eine andere Meinung, dann wird angenommen, dass ich falsch liege (“hä was labert die denn? das stimmt doch gar nicht”, obwohl ich recht habe). Wenn dieselbe Situation mit einem meiner männlichen Kollegen passiert, dann bedanken sich die Leute eher (“ach echt? Cool, wusste ich gar nicht”). Und viele Leute beschweren sich dann auch wegen meiner Stimme, meine Stimme wäre so anstrengend oder so schlimm.
Ich glaube das Problem haben Frauen auch oft in bestimmten Sportarten, die Großteils “Männersache” sind, z.B. wird eine weibliche Fußball Kommentatorin mehr kritisiert, als ein männlicher Kommentator. Weil es einfach noch nicht so viele Frauen in dem Bereich gibt und Menschen dann oft einfach genau hin hören um ihre Vorurteile zu bestätigen.
Wie ist es innerhalb des Spiels selbst? Gibt es dort männliche und weibliche Charaktere? Wie sind diese verteilt? Werden Klischees bedient?
Im Spiel selbst gibt es männliche und weibliche Charaktere, ja. Ich glaube World of Warcraft (WoW) ist auf jeden Fall ein Spiel, das sehr wenige Frauen Klischees bedient, also diese typischen Charaktere mit Barbie-Körpermaßen und riesigen Brüsten gibt es in WoW nicht.
Würdest du dich als Influencerin bezeichnen? Und was bedeutet das für dich?
Wenn ich mir die Definition der Bezeichnung “Influencer” ansehe, dann würde ich auf jeden Fall sagen, ich falle in diesen Bereich. Aber ich finde die Bezeichnung macht oftmals einen negativen Eindruck.
Ich selbst weiß, dass ich auf jeden Fall Einfluss auf meine Zuschauer habe und ich versuche das für positive Dinge zu nutzen, z.B. für Fitness und gesunde Ernährung. Ich versuche auch hin und wieder über politische Probleme oder Ähnliches zu sprechen und die Leute aufzuklären (z.B. mit dem momentanen #BlackLivesMatter Movement oder Covid-19 Maßnahmen usw.)
Ist es für dich eine Herausforderung, Berufs- und Privatleben zu trennen?
Ich habe keine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben, da ich theoretisch ständig arbeite, auch wenn ich nicht streame. Weil ich quasi mein Privatleben dokumentiere auf Social Media, für alles was ich mache gibt es dann ein Foto oder einen Text auf Twitter oder Instagram. Ich koche etwas abends? Foto für Instagram. Ich fahre in den Urlaub? Fotos für Instagram etc. Ich treffe meine Freunde zum Grillen? Foto für Instagram.
Manchmal bin ich nicht glücklich darüber, dass ich nie wirklich abschalten kann. Aber mittlerweile ist es ein bisschen einfacher für mich als es früher war. Und ich habe mich damit abgefunden, dass ich mein Leben leben kann ohne mich schlecht zu fühlen, dass ich nicht x oder y für meine Arbeit mache stattdessen.
Dein Lebensmotto?
Ich habe kein Lebensmotto, aber ich bin ein sehr positiver/optimistischer Mensch und versuche immer das Beste in Allem zu sehen.
Was ist für dich Erfolg?
Ich finde, dass ich erfolgreich bin, wenn ich mein Bestes gebe, um die Ziele, die ich mir selbst setze, zu erreichen. Egal, ob ich es dann erreiche oder nicht, solang ich weiß dass ich mein Bestes gegeben habe, bin ich zufrieden.
Welche Lebensweisheit hast du im letzten Jahr gewonnen?
Ich versuche ständig an mir selbst zu arbeiten, im letzten Jahr habe ich keine speziellen neuen Lebensweisheiten gewonnen aber ich komme auf jeden Fall immer näher an mein Ziel, mich selbst so zu mögen, wie ich bin und das beste Ich zu sein das ich sein kann.
Interview: Judith Mittelberger und Sissi Prader