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Bikini – ein Kleidungsstück erzählt

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Am Sonntag wird in den USA der nationale Tag des Bikinis gefeiert (National Bikini Day), denn am 5. Juli 1946 wurde der Bikini erstmals unter diesem Namen in Paris vorgeführt. Dahinter steckt eine Geschichte von Skandalen und Umbrüchen, die ein Sittenbild einer sich wandelnden Gesellschaft zeichnet – auch in Südtirol. Anlass für uns, genauer hinzuschauen und euch hiermit unsere neue Rubrik vorzustellen: #herstory.

Was passierte im Juli 1946?

Am 1. Juli 1946 warf das amerikanische Militär die erste Atombombe der Nachkriegszeit über einer Inselgruppe im Pazifik ab und begann somit eine Testserie. Die Entrüstung über die Zerstörung des Bikini Atolls, so der Name der Inselgruppe, war groß. Einige Tage später, am 5. Juli 1946 führte das Model Micheline Bernardi in Paris ein Badekostüm bestehend aus vier Dreiecken mit dem Namen Bikini vor. Es war eine höchst skandalöse Kreation, so viel nackte Haut hatte die Modewelt noch nie zuvor gesehen. Dazu kam der skurrile Name, der sich auf eine gigantische Militäroperation bezog, die die Erde dort radioaktiv verseucht hat und die Inselgruppe Bikini bis heute unbewohnbar gemacht hat.

Derjenige, der den Einfall hatte, dieses Badekostüm nach dem Bikini-Atoll zu nennen, war Louis Réard, ein französischer Modedesigner, der ursprünglich Maschinenbauingenieur war. Wenige Wochen vorher hatte sein Konkurrent schon ein ähnliches Bekleidungsstück vorgestellt unter dem Namen „Atome“. Ob seine Kreation zu wenig schrill war oder der Name zu direkt, darüber gehen die Meinungen auseinander – jedenfalls war es Louis Réard mit seinem Bikini der sich durchsetzte. Die doppelte Bezugnahme auf das Militärspektakel im Pazifik zeugt wohl vom Geist jener Zeit: ein Gefühl zwischen Kriegsschrecken und Lebensgier.

Der erste Bikini?

Der Bikini war damals aber nicht eine komplette Neuerfindung. Der Lebensreformer Valentin Lehr propagierte 1907 als erster ein zweiteiliges Badekostüm, das möglichst viel Bewegungsfreiheit ließ. Als Vorbild dienten Mosaike aus der Römerzeit, auf denen Frauen turnend im Zweiteiler zu sehen waren. Auch im Amerika der 20er Jahre gab es zweiteilige „palm and beach“ Kombinationen aus Oberteil und kurzer Hose.

Villa Romana del Casale in Sizilien

Ein sich wandelndes Gesellschaftsbild…

Hinter dem Bikini steht natürlich auch das große Thema des Vorzeigens und Verstecken des Körpers und die geschlechtliche Anziehungskraft. Wie viel Haut darf gezeigt werden und wie viel vom weiblichen Körper darf sichtbar sein? Réard führte den Bikini mit folgenden Worten beim Publikum ein: „Er ist so klein, dass er alles über die Trägerin enthüllt bis auf den Mädchennamen ihrer Mutter“.

In den ersten Jahren war der Bikini auf Badestränden, bei Schönheitswettbewerben und in Hollywoodfilmen verboten. Erst in den 60er Jahren machte der Bikini im Film Furore, besonders durch Ursula Andres in James Bond – 007 jagt Dr. No. Der Bikini wurde bald auf allen Stränden gesichtet. Im Zuge der 68er Revolution wurde der Ruf nach sexueller Freizügigkeit laut – und die Bikinis wurden knapper. Die Oben-Ohne-Bademode konnte sich bis heute nur regional durchsetzen.

…auch in Südtirol

Von katholisch-konservativer Seite wurde das Aufeinandertreffen von Mann und Frau in unpassender Kleidung im Schwimmbad sowieso argwöhnisch betrachtet. So war im Meraner Lido ab 1931 der Polizist für die Moral zuständig – mit Patrouillengängen im Schwimmbad, aber auch mit Fingerkontrollen für die richtige Stoffmenge der Badebekleidung.

1946 – im Jahr der Erfindung des Bikinis – wandten sich Mütter an den Meraner Bürgermeister, um sicherzugehen, dass ihre Kinder im Lido nicht „moralischen Gefahren ausgesetzt“ sein sollten. Im Meraner Lido mussten auch immer wieder Löcher an den Wänden der Klos und Kabinen verschlossen werden, deutliche Hinweise auf Voyeurismus als Folge der gesellschaftlich verkrampften Haltung zur Sexualität, zum anderen Geschlecht und zum eigenen Körper. Genauer nachlesen könnt ihr das hier.

Und heute?

Worin liegt heute das explosive Potential des Bikinis? Es lag wohl nie im Kleidungsstück selbst, sondern immer in den Körperteilen, die er bedeckte und damit erst richtig betonte. Wie viel Haut Frauen zeigen oder verdecken war in der Geschichte und bleibt bis heute öffentlich diskutiertes Thema, an dem auch immer wieder die Moralvorstellungen der Gesellschaft festgemacht werden.

Wenn die Geschichte des Bikinis einerseits von einer körperlichen Befreiung von Frauen erzählt so ist sie gleichzeitig auch Zeugin einer Einengung. Einher ging damit die Sexualisierung des Frauenkörpers, wodurch der Körper in den Vordergrund getreten ist und die Frau als Mensch dahinter verschwindet. Und wodurch Frauenkörper wie Objekte benutzt werden, um zum Beispiel Produkte zu bewerben.

Einengend bleibt auch bis heute die Vorstellung davon, wie denn so ein „Bikini-Körper“ aussehen muss. Gesellschaftlich festgelegte Schönheitsideale bestimmen, wer seinen Körper frei zeigen und sogar stolz präsentieren darf und wer auf der anderen Seite seinen Körper den Blicken von anderen Leuten nicht „zumuten“ sollte. Schon der Bikini-Kauf kann so zum frustrierenden Erlebnis werden.

Zuerst wurde den Frauen gesagt, sie dürften ihre Beine nicht zeigen, dann wurden sie übersexualisiert, dann wird suggeriert, nur Frauen mit einem flachen Bauch sollen Bikini tragen. Das heißt: Wir können genauso gut alles tragen, was wir wollen.

Damit wünschen wir euch einen schönen Bikini-Tag und Freude daran, euch in eurem Bikini (oder allen anderen Kleidungsstücken) genau so zu zeigen, wie ihr euch wohl und gut fühlt!

 

Judith Mittelberger

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