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3 Bikerinnen, die Geschichte geschrieben haben

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Nehmen Sie sich eine Minute Zeit und stellen Sie sich jemanden auf einem Motorrad vor:
Vielleicht haben Sie das Bild eines langhaarigen Außenseiter vor sich? Oder stellen sich einen Motorradabenteurer im fernen Ausland vor? Oder denken Sie jetzt etwa an den letzten Motorradfahrer, der auf der Passstraße an Ihnen vorbeigeschossen ist? Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings groß, dass Sie dabei an einen Mann gedacht haben – nicht an eine Frau.

Die Motorradszene ist definitiv eine stark von Männern dominierte Subkultur. In Amerika sind nur 14% der Motorräder – etwa 1,18 Millionen – für Frauen zugelassen.

Motorradfahrerinnen sollten so häufig sein wie Autofahrerinnen

sagt Maggie McNally, Vorsitzende der American Motorcyclist Association. McNally ist die erste Frau an der Spitze der AMA in ihrer 94-jährigen Geschichte.

Abgesehen von den Zahlen sind Motorradfahrerinnen in der allgemeinen Vorstellungskraft noch nicht eingezogen. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Motorrad-Heldinnen gibt. In der Tat gibt es viele Motorradfahrerinnen, die eine breitere öffentliche Aufmerksamkeit verdienen – für ihren Tabubruch und ihre Erfahrungen auf zwei Rädern. Drei Bikerinen, die sehr unterschiedliche Reisen unternommen haben, wollen wir hier hervorheben:

  • Lois Pryce reiste über ganze Kontinente und knüpfte persönliche Kontakte in entlegenen Ländern. Ihre „Stärke der Verwundbarkeit“ und gute Laune waren ihre Stärken.
  • Melissa Holbrook Pierson wagte sich weit in ihre eigene Psyche vor, um die Verlockung von Motorrädern auf Menschen zu verstehen. Sie ließ sich von ihrer furchtlosen und ehrlichen Selbstbeobachtung leiten.
  • Die geistige Vorfahrin dieser beiden, Bessie Stringfield, stellte sich dem institutionalisierten Rassismus und Sexismus im Amerika der 30er Jahre. Ihr starker Glaube und ihre persönliche Hartnäckigkeit brachten sie weiter.
via ConsumersAdvocate.org

Eine weite Reise: Lois Pryce

Lois Pryce aus Großbritannien hat das gemacht, wovon viele nur träumen: Sie hatte einen Schreibtischjob bei der BBC und machte sich auf den Weg, um mit dem Motorrad die Welt zu erkunden.

Sie durchfuhr ganz Amerika, von Alaska bis nach Feuerland, machte den ganzen Weg von London bis nach Kapstadt, durchquerte die Sahara-Wüste, den Dschungel in der Subsahara Afrikas und die sonnenverwöhnten Hügel Südafrikas.

via ConsumersAdvocate.org

Aber ihre berührendste Reise führte sie über die Türkei in den Iran. Sie kam in Kontakt mit Dutzenden Menschen aus dem Iran, die sie mit Freundlichkeit überschütteten.

Unterwegs begegnete sie immer wieder Herausforderungen und erschreckenden Erlebnissen. So wurde sie Zeugin eines schrecklichen Motorradunfalls, sie stieß mit aufdringlichen Polizisten und Grenzschutzbeamten zusammen, die entschlossen schienen, ihre Weiterfahrt zu verhindern, sie erlebte die Hitze der Sahara und die Eiseskälte der Zagros-Berge im Nordwesten des Iran.

Image Credit: Gaby R. via ConsumersAdvocate.org

Trotzdem ist sie davon überzeugt, dass sie als Frau auf einem Motorrad in einem fremden Land sicherer unterwegs ist, als ein Mann es wäre.

Eine Frau zu sein, kann im Großen und Ganzen von Vorteil sein. Wenn die Menschen dich als Reisende in ihrem Land sehen, besonders wenn du alleine unterwegs bist, möchten sie sich eher um dich kümmern, anstatt dir zu schaden… Eine alleinreisende Frau wird nicht als Bedrohung gesehen, deshalb sind die Menschen in der Regel einladend und freundlich.

Diese Idee von Stärke durch Verwundbarkeit war das Thema eines TEDx-Vortrags, den Pryce 2015 hielt. Auf ihrer ersten großen Reise von Alaska nach Feuerland lernte sie, dass

der Grund zu reisen jener ist, menschliche Kontakte herzustellen. Um tatsächlich solche Begegnungen zu erleben, musst du dich bloßlegen. Du kannst dich nicht isolieren und dich verstecken. Du musst verwundbar sein … Deine Verwundbarkeit wird zu deiner Stärke und bringt das Beste der Menschen hervor.

In der Zeit zwischen ihren großen Motorradtouren schrieb Pryce drei Bücher. Zusammen mit ihrem Ehemann, Austin Vince, organisiert sie gemeinsam das Adventure Travel Film Festival, eine Veranstaltung, bei der bis zu 100 Jahre alte Abenteuer-Reisefilme gezeigt werden, Musik gehört und Erzählungen von Trekkern, Radfahrern, Seglern – und natürlich – Motorradfahrer*innen gehört werden.

 

Die Reise nach innen: Melissa Holbrook Pierson

via ConsumersAdvocate.org

Melissa Holbrook Pierson schreibt in ihrem Buch The Perfect Vehicle: What It Is About Motorcycles nicht nur über das Motorradfahren, sondern unternimmt eine psychologische Untersuchung desselben:

Motorräder sind ein Weg, um zu sich selbst zu finden.

Pierson begann mit Mitte Zwanzig nach ihrem Studium mit dem Motorradfahren. Sie entdeckte die Freude, die Kraft, den Frieden, die Angst, die Verwundbarkeit und das Glück, die ein*e Fahrer*in in nur zehn Kilometern erfahren kann.

via ConsumersAdvocate.org

Anfangs fuhr sie nur in die nähere Umgebung um New York City, um später Amerika und auch Europa zu durchreisen. Aber ihre eigentliche Reise führte sie durch die Landschaft ihrer Psyche.

Trotz ihres Status als Motorradfahrerin gibt Pierson darauf Acht, nicht für alle Motorradfahrerinnen zu sprechen.

Ich glaube nicht, dass Motorradfahren selbst eine geschlechtsspezifische Erfahrung ist. Es ist die Art der Wahrnehmung, die geschlechtsspezifisch ist … Frauen müssen manchmal zusätzlichen Widerstand überwinden, um ohne Einschränkungen das zu tun, was wir tun wollen. In Kulturen mit starken geschlechtsspezifischen Vorschriften begegnen Motorradfahrerinnen der Gefahr einer körperlichen Bestrafung. Trotzdem gibt es heute fast überall Beispiele für Frauen, die sich für das Motorradfahren entschieden haben, auch wenn sie dafür körperliche Schmerzen erleiden mussten und das ist eine neue und erstaunliche Entwicklung. Männer müssen sich dieser nicht stellen.

 

Eine Reise nach vorne: Bessie Stringfield

Sie war nur 157 cm groß, zeigte aber wahre Größe in einer Zeit, als schwarz und weiblich zu sein bedeutete, dass man doppelt unterdrückt wurde. Fotos von Bessie Stringfield zeigen eine starke Frau mit einem einladenden Lächeln.

1911 geboren, brachte sie sich in den 1920er Jahren mit dem Motorrad des Nachbars selbst das Fahren bei. Sie war damals in ihren Teenager-Jahren und das moderne Motorrad selbst war erst ungefähr zehn Jahre alt. Sie erinnerte sich später:

Meine Mutter hatte einen Anfall. Nette Mädchen fuhren damals nicht Motorrad.

Trotzdem schenkte ihr die Adoptivmutter zu ihrem sechzehnten Geburtstag das, was sie sich wirklich wünschte: ein eigenes Motorrad. Es war schwer, laut und der Auspuff röhrte, aber es musste sich wie Freiheit angefühlt haben. Mit 19 war Stringfield schon im ganzen Land unterwegs. Einige sagen, sie hätte ihre Ziele gewählt, indem sie einen Penny auf eine Karte warf.

via ConsumersAdvocate.org

Die Risiken des Motorradfahrens und die Herausforderungen von Fernreisen in dieser Zeit hätten viele Menschen bereits abgeschreckt. Stringfield stieß jedoch auf weitere Hindernisse durch ihre schwarze Haut und ihren weiblichen Körper. In den 1930er Jahren war es absolut legal, dass Hotels, Restaurants und Gasthäuser sich weigerten, Afroamerikaner*innen und unbegleitete Frauen zu bedienen. Stringfield verbrachte viele Nächte bei schwarzen Familien, die sie auf Reisen traf. Andere Abende hat sie an einer Tankstelle geparkt und auf ihrem Motorrad geschlafen.

Aber sie ließ sich nicht abbringen. Sie war die erste afroamerikanische Frau, die in jedem der 48 zusammenhängenden Staaten der USA mit dem Motorrad fuhr. Sie reiste auch nach Brasilien, Haiti und Europa. Sie nahm an Wettkämpfen teil und führte Motorrad-Stunts auf Veranstaltungen und Messen durch. Während des Zweiten Weltkriegs diente sie als Motorradkurierin der US-Armee und trug wichtige militärische Dokumente von Basis zu Basis.

In späteren Jahren war Stringfield bemerkenswert zurückhaltend in Bezug auf die Diskriminierung, die sie auf amerikanischen Straßen erlebt hatte. In einem Zeitungsinterview von 1981 erinnerte sie daran, dass

farbige Menschen sich damals nicht in Hotels oder Motels aufhalten konnten. Aber es hat mich nie gestört.

Stringfield starb 1992 im Alter von 82 Jahren. Bis kurz vor ihrem Tod fuhr sie jeden Sonntag mit ihrer Harley in die Kirche. Heute gibt es eine große Anzahl von Frauen, die zu ihren Ehren Motorradfahren.

via ConsumersAdvocate.org

Drei Frauen, drei Reisen

Die meisten von uns, die Motorrad fahren, werden niemals die unerhörten Entfernungen wagen, die Lois Pryce zurückgelegt hat. Wir werden nicht durch furchtlose Selbstanalyse den psychischen Aspekt des Motorradfahrens ergründen, wie es Melissa Holbrook Pierson tat. Und wir werden (hoffentlich) nie dem Rassismus und Sexismus begegnen, mit dem Bessie Stringfield einen Großteil ihres Lebens zu kämpfen hatte. Diese drei Frauen bereisten mit ihrem Motorrad entfernte Länder, erkundeten die Psyche, durchbrachen gesellschaftliche Stereotype und haben für den Rest von uns Wege geebnet.

Nun liegt es an uns, ihre Inspiration weiterzutragen.

 

Hier gelangen Sie zum vollständigen Artikel in englischer Sprache.

Dieser erschien zuerst in englischer Sprache auf www.consumersadvocate.org. Auf Anfrage derselben Seite veröffentlichen wir ihn hier in gekürzter Fassung und in deutscher Sprache. Wir danken dafür. Es ist uns eine Ehre, diesen Beitrag hier zu veröffentlichen!!!

 

von Jim Trumm
Übersetzung des Artikels: Judith Mittelberger

An alle Les*erinnen von ichfrau.com: Welche Geschichten kennt Ihr von Motorradfahrerinnen in alten Zeiten? Und was für tolle Geschichten zum Motorradfahren habt Ihr zu erzählen? Meldet euch bei uns.

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