Blog vom Frauenmuseum Il Blog del Museo delle Donne
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Seneca Falls – eine Stadt lebt Frauengeschichte – Teil 2

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Nach unserer ersten Bekanntschaft mit den führenden Köpfen der Frauenrechtsbewegung in der National Women’s Hall of Fame, beginnen wir unseren Spaziergang zu den weiteren feministischen Hotspots der Stadt. Seneca Falls wird auch als Geburtsstätte der amerikanischen Frauenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Wir sehen die „Seneca Knitting Mill“, die seit 2020 das Frauenmuseum beherbergen soll. Es handelt sich um eine ehemalige Wollkleiderfabrik aus dem Jahr 1844, schön gelegen am Erie–Kanal. Schon damals Arbeitsplatz vieler Frauen, stellt sie eine würdige neue Heimstatt dar. Zur damaligen Zeit war die Fabrik im Besitz einiger Unterzeichner der „Declaration of Sentiments“, (ja, auch Männer unterstützten die Forderungen der Suffragetten), die auch Abolitionisten (Verfechter der Skav*innenbefreiung) waren. Sie weigerten sich, Baumwolle zu verarbeiten, die ihren Ursprung in der Sklav*innenarbeit hatte. Für damalige Zeiten eine revolutionäre Haltung. Warum passierte das alles hier in Seneca Falls?

Ein Blick zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts: In den 1830er- und 1840er-Jahren siedeln sich in der Gegend viele Quäker*innen an, die von ihrer religiösen Einstellung her glauben, dass alle Menschen von Geburt an gleich sind. So etabliert sich eine reformerische Gemeinschaft, die sich für die Sklav*innenbefreiung einsetzt. Die Gleichheit und Gleichwertigkeit aller bezieht sich in ihrer religiösen Vorstellungswelt auch auf jene zwischen den Geschlechtern. Erstaunt stelle ich fest: Das ist die erste Religion, die mir in meinem über 60jährigen Leben begegnet, bei der die Basis stimmt und auch gelebt wird. Und: Als Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft riskieren Frauen nicht ihre eigene Unterdrückung zu unterstützen. Für die Quäkerinnen ist es ein logischer nächster Schritt, für sich auch in gesellschaftlichen Belangen die gleichen Rechte zu fordern. Vieles ist Frauen damals entweder gesetzlich verboten oder wird als unschicklich angesehen. Unverheiratete Frauen wählen nicht, sprechen nicht in der Öffentlichkeit, bekleiden kein Amt, verdienen sich ihren Lebensunterhalt bestenfalls als Lehrerin, Näherin oder Hausmädchen. Verheiratete Geschlechtsgenossinnen können keine Verträge abschließen, nicht bei Gericht klagen, kein Sorgerecht für ihre Kinder erlangen, keinen Besitz ihr Eigen nennen – nicht einmal die Kleider, die sie tragen. Der Ehemann hat das Recht, sie zu kontrollieren. Einschränkungen über Einschränkungen. Doch widerständige Frauen proben den Aufstand, dessen Spuren wir nun verfolgen.

Unser erster Weg führt uns zum Geburtsplatz der Frauenrechtsbewegung, der Wesleyan Chapel. Elisabeth Cady Stanton und ihre Anhänger*innen erklärten an diesem Ort 1848, in der sogenannten „Declaration of Sentiments“, dass alle Frauen und Männer gleich erschaffen sind. Mit dieser Erklärung setzten sie auch den ersten Schritt in Richtung Frauenwahlrecht, das erst nach einem 72 -jährigen Kampf im Jahre 1920 für die gesamte USA Gültigkeit erlangte.

Declaration of Sentiments: berühmtes Manifest der Frauenbewegung; 1848 anlässlich der Zusammenkunft („Seneca Falls Convention“) der FrauenrechtlerInnen herausgegeben; erklärt Frauen und Männer als gleichberechtigt (equal)

Unübersehbar leuchten Elisabeth Cady Stantons berühmte Worte aus ihrem 1. Entwurf dieses wichtigen Dokuments der Frauengeschichte, von der Hausmauer des benachbarten Women`s Rights National Historic Park:

We hold these truth to be self-evident: that all men and women are created equal.

In diesem Besucher*innenzentrum samt Museum lässt sich die Geschichte der Frauenrechtsbewegung ausgiebig studieren.

Women’s Rights National Historic Park / Besucherzentrum und Museum

Auf dem Weg zum Haus der Elisabeth Cady Stanton, kommen wir an einer Statue vorbei, die an das historisch bedeutsame Zusammentreffen dreier Frauen im Jahre 1851 erinnert. Amelia Jenks Bloomer macht Susan B. Anthony mit Elisabeth C. Stanton bekannt. Zwischen der kinderfreien Anthony und der 7fachen Mutter Stanton beginnt eine lebenslange Freundschaft. Im gemeinsamen Kampf für die Frauenrechte bilden sie ein erfolgreiches Paar. Anthony unterstützt ihre Freundin bei ihren häuslichen Pflichten, damit sie ihre Reden schreiben kann. Anthony, nicht viel mit eigener Hausarbeit belastet, reist mit ihnen durchs Land und wirbt damit um Frauenrechte.

Statue: When Anthony met Stanton

Die folgende Episode zeigt, wie konsequent und beharrlich die Frauenrechtlerin Elisabeth C. Stanton ihre Überzeugungen durchsetzte. Bei ihrer Hochzeit bestand sie darauf, dass das Wort „gehorchen“ aus dem Eheversprechen gestrichen wird – ein einzelnes Wort, das für einen großen Unterschied sorgt. Und wo, denken Sie, verbrachte das Paar seine Flitterwochen? In London, wo es am „Weltkongress gegen die Sklaverei“ (World Anti- Slavery Convention) teilnahm.

Haus der Elisabeth Cady Stanton

Nachdem sie mit ihrem Ehemann einige Zeit in Boston gelebt hatte und dort, als sehr gebildete Frau, das intellektuelle, kulturelle und politische Leben genoss, litt sie nach der Rückkehr ins kleinstädtische Milieu von Seneca Falls sehr am Mangel des kulturellen Angebots und der geistigen Herausforderungen. Ihre Mutterschaft bot, trotz ihrer 7 Kinder, kein erfüllendes Leben für sie:

Der isolierte Haushalt ist zu einem großen Teil für die Unwissenheit und Erniedrigung der Frau verantwortlich. Ein Geist, der stets nur mit Kindern und Dienstboten in Kontakt kommt, deren Aspirationen und Ehrgeiz nicht über das Dach hinausgehen, das sie schützt, muss zwangsläufig an seiner Entfaltung gehindert werden.

Elisabeth Cady Stanton (1815 – 1902), Susan B. Anthony (1820 – 1906), Matilda Joslyn Gage (1826 – 1898), amerikanische Pionierinnen der Frauenbewegung, 1881

Was würden die Frauenrechtlerinnen von damals heute tun, um die Gleichberechtigung voranzutreiben? Um darauf Antworten zu finden, übergebe ich das Schlusswort an Elisabeth Cady Stanton mit ihren zentralen und auch heute aktuellen Fragen:

  • Was tun wir als nächstes?
  • Welche unserer gegenwärtigen Anstrengungen werden zur Gleichheit der Geschlechter in der Zukunft beitragen?

 

Marianne Wimmer, Frauenmuseensammlerin

 

Seit 2015 reist Marianne Wimmer um den Globus, um alle Frauenmuseen weltweit zu besuchen. Hier auf Ichfrau berichtet sie regelmäßig von dieser spannenden Reise und auf iawm.international sind ihre Berichte auch in englischer Sprache zu finden. Ihre Amerika-Reise, bei der sie auch Seneca Falls besuchte, fand im Jahr 2018 statt.

 

Vorhergehender Blogbeitrag: An der Geburtsstätte der Frauenrechtsbewegung – Teil 1

Was kommt als nächstes? Susan B. Anthony Museum & House, Rochester, NY

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