Blog vom Frauenmuseum Il Blog del Museo delle Donne
Frauenmuseum | Museo delle donne

„Ich bin eine Forscherin der sichtbaren und unsichtbaren Dimensionen im Körper“

0

Bewegung und Ausdruckstanz sind ihre Berufung. Doris Plankl ist um die Welt gereist, um Tanz, physisches Theater und Körperwahrnehmung zu studieren. Nachdem sie zurück nach Südtirol kam, hat sie Produktionen verwirklicht, mit Erwachsenen und Kindern gearbeitet und das Festival AlpsMove mit begründet, das sich für den Tanz in Südtirol stark macht. Im Interview erzählt sie von ihrem Weg.

Wie hast du deine Liebe zum Bewegung/Tanz entdeckt?

Ich habe mich immer schon gerne bewegt. Sport oder Bewegungsspiele in der freien Natur, ebenso wie das Tanzen zur Musik waren mir tägliche Nahrung. Die Verbindung mit sich selbst im Rhythmus, mit anderen Menschen und dem umgebenden Raum haben für mich nicht nur etwas Vitales, sondern auch etwas Sakrales.

Während meines Studiums an der Universität Wien, besuchte ich parallel eine private Tanztheaterausbildung. In dieser Zeit wurde mir klar, was meine eigentliche Berufung war.

Worum geht es dir beim Ausdruckstanzen?

Schon während meiner Tanztheaterausbildung in Wien, habe ich mich auch auf anderen Ebenen mit den psycho-physischen Prozessen auseinandergesetzt. Nicht nur die Ausdrucksformen, sondern der Mensch in seinem Ganzen waren für mich von Interesse. Von neuesten Bewegungs- und Körperrecherchen fasziniert, bin ich schließlich in die Welt gezogen: Nach Wien kamen San Francisco, Bolder/Colorado, Amsterdam, Berlin… um einige Stationen zu nennen. Ich hatte Glück mit Stipendien und konnte so an verschiedensten Institutionen und Hochschulen Tanz, Physisches Theater und Körperwahrnehmung studieren. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Sich mit dem Körper, seinen Ausdrucksformen und den komplexen inneren Zuständen auseinanderzusetzen ist mir zur Leidenschaft geworden. In diesem Sinne bin ich eine Forscherin der sicht- und unsichtbaren Dimensionen im Körper, der körperlichen Präsenz in all ihren Facetten.

Im Körper präsent zu sein, verbunden mit all seinen Zellen und gleichzeitig die Verbindung nach außen zum Raum zu haben, verleiht dem Körper eine Kraft, die strahlt. Daran kann man arbeiten, so, dass allein schon ein Gang über die Bühne zum Ereignis wird.

Du hast mehrere Vereine mitbegründet… Theatraki, Idea, Alpsmove und somit viele Menschen für die Bewegung begeistern können.

Zusammen mit Beate Sauer habe ich Ende der 80iger Jahre das Theater in der Hoffnung gegründet. Ein Verein, der sich dem Theater für Kinder als auch dem Tanztheater widmete. Schließlich waren diese zwei Sparten nicht mehr vereinbar, es kam zur Trennung. Daraus entstand IDEA – tanztheaterperformance. IDEA produziert seit nunmehr 25 Jahren Produktionen im Bereich Tanz, Physisches Theater und Performance. In Zusammenarbeit mit Bildhauer*innen, Filmemacher*innen und Bühnenbildner*innen sind zahlreiche Projekte für Innen- und Außenräume entstanden. Produktionen, die wir auf Bühnen in Italien (Bari, Ferrara, Turin, Trient…), ins benachbarte Ausland (München, Frankfurt, Kassel, Bochum, Berlin…) und sogar bis Seoul (Korea) brachten.

Theatraki hingegen entstand aus einer Initiative der Gemeinde Bozen. Vor allem war es Patrizia Trincanato, die damalige Amtsdirektorin für Schule und spätere Kulturassessorin der Grünen im Gemeinderat Bozen, die dieses Projekt voran brachte.

Seit über 30 Jahren arbeite ich nun an den Schulen, und sehe wie wichtig diese Arbeit für Kinder und Jugendliche ist. Es bringt sie in Kontakt mit sich selbst und mit anderen. Die Schulung der Wahrnehmung ist persönlichkeitsfördernd und holt sie dort ab, wo sie sind: Das Spiel ist der Kern jeder kreativen Auseinandersetzung. Daraus entstehen die Stücke für die Bühne. Der Moment des Rampenlichts hat schließlich eine magische Wirkung. Durch diese Erfahrung verändern sich Klassengemeinschaften und die Kinder und Jugendlichen selbst. Das Gegenteil habe ich eher selten gesehen. Die Kinder und Jugendlichen, die das Rampenlicht scheuen, können auch bühnentechnisch mitarbeiten. Es gibt immer etwas zu tun.

ALPSMOVE war schließlich die Krönung meines Werdegangs. Anfangs hat es uns Zurückkehrer*innen (viele von uns haben jahrelang im In- und Ausland gearbeitet) die Möglichkeit gegeben, Eigenproduktionen zu erarbeiten. Daraus ist eine Gruppe entstanden, die sich für den Tanz im Lande stark machte. Das Festival ist schließlich immer mehr gewachsen. Heute bietet es jungen und auch älteren Choreograf*innen – viele leben und arbeiten im Ausland: Paris, Amsterdam, Wien, Berlin, Kassel etc. – die Möglichkeit ihre Kreationen nach Südtirol zu bringen und sie vor einem heimischen Publikum zu zeigen. Sie kommen gerne, sind dankbar für diese Möglichkeit. Es verbindet sie auch untereinander, es entstehen Zusammenarbeiten. So ist ein Netzwerk entstanden, das auch die lokale Szene bereichert.

Wie hast du dich im Lauf deines Lebens mit deinem Frau-Sein auseinander gesetzt? Hast du diese Auseinandersetzung auch mit Bewegung umgesetzt?

Natürlich war auch das Thema Frau-Sein dran.

Mit „meinwärts“ (1992) kam eine Rebellion gegen Konventionen auf die Bühne.

„Frauen und Krieg“ (1995) war eine Auseinandersetzung mit dem Balkankrieg, Krieg, den Männer machen.

In „Dass ich eins und doppelt bin“ (2001) ging es um Weiblichkeit und Männlichkeit: Ich setzte mich mit dem Thema Hermaphrodismus auseinander, schlüpfte in Männerrollen und lotete meine eigenen androgynen Anteile aus. Letztendlich ein sehr spirituelles Stück, eine Suche nach Vollkommenheit, die es nur außerhalb der Dualität geben kann. In diesem Sinne war es ein sehr wichtiges Stück für mich, vielleicht das wichtigste überhaupt, weil es so sehr auch mit mir zu tun hatte. Dieses Stück habe ich 2016 für das Festival ALPSMOVE wieder aufgenommen. Ich zeigte es im Puccini-Theater in Meran.

In „Modranith“ (2005) ging es um die weibliche Dreifaltigkeit: Persefone, Demeter und Hekate, oder – wenn wir so wollen – um Barbara, Margarethe und Katharina. Diese drei weiblichen Figuren werden z.B. noch heute in Meransen verehrt.

„Virgo Fortis“ (2008) griff das Thema der Hl. Kummernuss auf. In diesem Stück bewegen wir uns erneut auf den Spuren der großen Göttin, die im Laufe der Zeit verdrängt wurde, bis im Mittelalter der Kult der Hl. Kümmernis entstand, der sich für Frauenleiden, Inzest und Fruchtbarkeit einsetzte.

Dein Lebensmotto?

Mein Lebensmotto? Das Leben ist viel. Fasziniert bin ich von der menschlichen Metamorphose, die wir alle durchlaufen. In dieser präsent zu sein und zu bleiben ist mir ein großes Anliegen.

Was ist für dich Erfolg?

Erfolg ist relativ. Natürlich ist und bleibt Anerkennung wichtig.

Für mich ist die Wirkung auf eine Gemeinschaft vorrangig, damit diese wachsen und sich entwickeln kann. Meine Erfahrungen zu teilen, mich in den Dienst eines größeren Ganzen zu stellen, ist mir das größte Anliegen.

Wen bewunderst du?

Ich bewundere Menschen, die sich für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Transparenz einsetzen, jene Menschen, die das Wohl der Menschheit im Blick haben. Da gibt es viele Frauen und Männer, die nennenswert wären.

Welche Lebensweisheit hast du im letzten Jahr gewonnen?

Meditation ist seit Jahren ein wichtiger Teil meines alltäglichen Lebens geworden. Ebenso ist es der Kontakt mit der Natur, der mich nährt und trägt. Es ist die Stille, die mich mehr und mehr in ihren Bann zieht.

Interview: Sissi Prader und Judith Mittelberger

 

Leave A Reply