Seit 20 Jahren beschäftigt sich die Sozialpädagogin Erni Kutter mit Frauengeschichte, Kulturanthropologie, und spirituellen Frauentraditionen. Ihr Buch Schwester Tod, das 2010 im Kösel Verlag erschienen ist und nachgedruckt werden musste, ist für ichfrau in der Zeit um Allerheiligen Anlass mit Erni Kutter über den Tod zu sprechen.
Was hat Dich bewogen, das Buch: „Schwester Tod“ zu schreiben?
Durch berufliche Erfahrungen in der Trauerbegleitung habe ich immer wieder erfahren, wie negativ viele der gängigen Todesbilder unseres Kulturraums sind. Allen voran das Bild eines Sensenmannes, der meist sehr martialische und militärische Züge trägt. Solche bedrohlichen Darstellungen verstärken die Tendenz, Sterben und Tod zu verdrängen und zu tabuisieren. Dasselbe gilt für die bis heute verbreitete Vorstellung eines strafenden, richtenden Gottes, die die Todesfurcht ebenfalls eher verstärkt als abmildert. Bei den jahrelangen Recherchen zu meinem Buch bin ich immer wieder auf weibliche Todespersonifikationen gestoßen, zum Beispiel auf Schwester Tod, Schnitterin Tod, Frau Tod oder auf Totenmütter und Tödinnen. Sie alle waren gleichermaßen für Geburt und Tod zuständig und galten sogar als Beschützerinnen der Verstorbenen und Hüterinnen der Anderswelt. Diese vergessenen Überlieferungen bringen ein ganz anderes Verständnis von Leben und Sterben zum Ausdruck, als wir es heute meistens haben. Das hat mich sehr angesprochen und deshalb wollte ich diese alten Traditionen in Erinnerung bringen und wiederbeleben.
Wie bist Du zu diesen Materialien gekommen?
Nachdem mein Blick erst einmal entsprechend geschärft war, habe ich angefangen, frühgeschichtliche Darstellungen, Mythen, Sagen, Märchen und jahreszeitliche Bräuche unter die Lupe zu nehmen und mir insbesondere ihre oftmals verborgene Symbolik anzuschauen. Zu meiner Überraschung waren Darstellungen und der Kult von heiligen Frauen und Männern in dieser Hinsicht besonders ergiebig, denn sie spielten im Sterbeprozess und auch in der Zeit nach dem Tod eine wichtige Rolle in der Volksfrömmigkeit. Geburt und Tod waren in unserem Kulturraum also über Tausende von Jahren und bis ins letzte Jahrhundert hinein untrennbar miteinander verbunden und prägten viele Generationen und ihren Umgang mit Leben und Tod.
Welche Resonanz hatte Dein Buch bei Deinen Leserinnen und Deinen Seminaren?
Die Rückmeldungen waren überwiegend positiv, sowohl bei Frauen wie bei vielen Männern, auch bei Sterbe- und Trauerbegleiter*innen oder Bestatter*innen. Aus der Hospizarbeit und dem Bereich von Palliativ Care gab es ebenfalls viel Resonanz. Durch meine Lesungen und Seminare bekam ich bald Kontakt mit anderen Frauen, die sich so wie ich um einen anderen Umgang mit Leben, Sterben und Tod und eine alternative Trauer- und Sterbekultur bemühen. Viele von ihnen beziehen bei der Entwicklung neuer Bestattungsrituale und Abschiedsfeiern auch Symbole und Gestaltungselemente einer weiblichen Spiritualität ein, wie z.B. Segensworte, Lieder, Gebete und Gedichte. Auch in der Begleitung von todkranken und sterbenden Frauen und der um sie trauernden Angehörigen und FreundInnen zeigt sich die stärkende und tröstende Wirkung von weiblichen Bildern und Gestalten bis heute sehr eindrucksvoll. Und was könnte die Lebendigkeit dieser Traditionen mehr bestätigen als solche Erfahrungen.
Wer das Buch lesen möchte, hier ein Einblick in die Inhalte:
Frauen trauern anders
Dieses Begleitbuch aktiviert den reichen Erfahrungsschatz alter Traditionen, Mythen und Märchen. Rituale und Bräuche eines nur scheinbar vergangenen weiblichen Wissens unterstützen Frauen in ihrem Umgang mit Tod und Trauer. Gekonnt verbindet die Autorin religions- und kulturgeschichtliche Informationen mit Vorschlägen für eine heute stimmige Trauerkultur.
- Altes Frauen-Wissen für heute
- Einfühlsame Hilfe bei der Begleitung Sterbender
- Abschiedsrituale und praktische Impulse zur Trauerbewältigung
Erni Kutter, Dipl.-Sozialpädagogin war viele Jahre in der Beratungs- und Bildungsarbeit einer kirchlichen Einrichtung tätig. Freiberuflich war sie in den Bereichen Erwachsenen- und Frauenbildung tätig. Seit 20 Jahren beschäftigt sie sich mit den Bereichen Frauengeschichte, Kulturanthropologie, Mythologie und spirituellen Frauentraditionen unseres Kulturkreises. Langjährige Praxiserfahrung in Krisenberatung, Bildungsarbeit sowie Tanz- und Ritualgruppen.
Sie ist Autorin zahlreicher Bücher, die in Deutschland, aber auch in Südtirol verlegt wurden.
Das Frauenmuseum ist seit vielen Jahren mit Erni Kutter verbunden, hat Seminare, Vorträge und kulturgeschichtliche Exkursionen in Südtirol mit ihr angeboten.
Interview: Sissi Prader