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„Barbie“: Feminismus trägt pink

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Pinkes Kleid, rosa High-Heels, perfekte Haare und ein strahlendes Lächeln – das ist Barbie genau wie man sie sich vorstellt. Und genau so hängt sie auch auf riesigen Werbeplakaten auf der ganzen Welt und lädt uns ein mit ihr „Barbieland“ zu erobern.

Am 20. Juli dieses Jahres kam der Film „Barbie“ der Regisseurin Greta Gerwig in die Kinos Europas und natürlich auch Südtirols und sorgt derzeit für ordentlichen Gesprächsstoff. Schon allein am ersten Wochenende spielte der Film 155 Millionen Dollar ein. Das stellt einen neuen Rekord für eine weibliche Direktorin auf und ist schon aus diesem Gesichtspunkt ein großer Tag für Frauen in der Filmindustrie. Doch die Qualität und der Wert eines Films lassen sich natürlich nicht an dem Gewinn an der Kinokasse festmachen. Also lass uns über Inhalte reden.

Bild: Wikimedia Commons

Die Plakate sind für viele ein Versprechen für eine sorglose pinke Zuckerwattewelt, andere schrecken sie ab, da sie sich oberflächliche Unterhaltung gefüllt von Stereotypen erwarten. Beide Gruppen liegen falsch. Gerwig lässt all unsere Vorurteile, die wir mit der „Barbie“-Marke verbinden gegen die Wand laufen und bietet uns stattdessen ein feministisches Stück Kinogeschichte mit viel Gesellschaftssatire und Humor.
Wir starten in der Welt der Barbies – eine Art fröhliches Matriarchat in dem Barbies alles sein können: Ärztin, Autorin, Wissenschaftlerin und sogar Präsidentin. Die männlichen Kens hingegen haben einzig eine Aufgabe: die Aufmerksamkeit der Barbies zu erlangen. In „Barbieland“ ist jeder Tag perfekt und selbstverständlich ist auch jede Barbie perfekt. Bis eine Barbie – gespielt von Margot Robbie – plötzlich Todesgedanken, Plattfüße und Cellulitis bekommt. Eine Barbie mit Makeln ist natürlich die reinste Katastrophe und hat ein Portal zur echten Welt geöffnet. In die muss Barbie nun, sie muss die Person finden, die mit ihr spielt, um sich und „Barbieland“ wieder in Ordnung zu bringen. Zusammen mit ihrem unglücklichen Verehrer Ken, der sich einfach nicht abschütteln lässt, entdeckt sie die Welt der Menschen und Wörter wie „Patriarchat“, „Faschismus“ und „Alter“. Und Ken (Ryan Gosling) entdeckt voller Enthusiasmus, dass Männer die Welt regieren.

Ryan Gosling by Gage Skidmore.jpg – Wikimedia Commons

Sitzt man im Kinosaal und blickt auf das pinke Tohuwabohu das sich vor einem ausbreitet ist die Handlung absolut nachvollziehbar. Erst im Nachhinein wird einem die Absurdität des ganzen bewusst. Das schmälert aber in keinster Weise die Kinoerfahrung, die man gemacht hat. Ich habe gelacht und geweint während des Films und als der Abspann lief fühlte ich mich besser als vorher.

Zum einen war es der Film selbst der zu der Erfahrung geführt hat. Stellenweise macht er einfach gute Laune und durch einige intelligente und einige stumpfsinnige Witze brachte er den ganzen Kinosaal zum Lachen.
Doch „Barbie“ ist auch ein emotionaler Film, besonders für Frauen. Durch die Augen der menschgewordenen Puppe, die zum ersten Mal die echte Welt betritt, sehen wir all die Bürden denen wir Tag für Tag ausgesetzt sind. Die tägliche Sexualisierung, Anmachsprüche auf der Straße und die gläserne Decke, die undurchdringlich scheint. America Ferreras Charakter Gloria – eine gestresste und überarbeitete Mutter, die Barbie in der echten Welt kennenlernt hat – hat für mich den stärksten Auftritt des ganzen Films. Als sie einen starken Monolog mit den Worten „Ich habe es einfach satt, mir und allen anderen Frauen dabei zuzusehen, wie sie sich selbst einen Knoten in den Hintern machen, damit die Leute uns mögen.“ (selbst übersetzt) abschloss, war ich den Tränen nahe. Es hat sehr viel Schmerz, den man ständig in sich trägt, in Worte gefasst.

Margot Robbie by Gage Skidmore.jpg – Wikimedia Commons

Wie gesagt war der Film selbst für mich nur ein Teil, warum ich meine Erfahrung mit „Barbie“ so fantastisch fand. Der andere Teil passierte bevor ich überhaupt Tickets und Pop-Corn gekauft hatte.
Zum Kinobesuch mit meinen Freund:innen trug ich ein pinkes Top, einen lila Blümchenrock, eine viel zu große Sonnenbrille und rosa Lipgloss auf dem Mund. So würde ich sonst nie aus dem Haus gehen. Denn seit der Grundschule habe ich gelernt: pink ist doof und was für Mädchen. Das Wort Mädchen hier bitte in einem möglichst abfälligen Ton lesen, als wäre es eine Beleidigung. Denn genau so wurde es immer gesagt. Ich wollte schon sehr lange kein Mädchen sein. So habe ich zwar zuhause stundenlang mit meinen Barbiepuppen gespielt, aber auf dem Pausenhof hätte ich das nie erzählt. Alles was feminin und eben typisch Mädchen ist, war uncool. Deshalb habe ich angefangen Iron Maiden statt Taylor Swift zu hören und meine pinken Klamotten Stück für Stück auszusortieren.
Der Film gab mir die Gelegenheit diese angelernten Denkweisen, von denen ich heute weiß, dass sie wirklich bullshit sind, zu vergessen und stattdessen mein inneres Mädchen zu entdecken. Hier bitte „Mädchen“ stolz und selbstbewusst lesen, denn so habe ich mich gefühlt. Abgesehen von dem Inhalt des Films hat er schon vor dem Release Date dafür gesorgt, dass viele Frauen und Mädchen einen Teil ihrer Kindheit wiederentdeckt haben, den sie womöglich lange vergessen und abgelegt haben.

So viel also zu meiner Erfahrung mit „Barbie“ vor und während des Kinobesuchs. Doch mit dem Verlassen des Kinosaals hört diese Geschichte noch nicht ganz auf. Fast so unterhaltsam wie der Film selbst waren die Reaktionen danach – vor allem die von manchen Männern. Der rechtskonservative amerikanische Autor Ben Shapiro nannte es einen „flammenden Müllhaufen eines Films“ und der britische Reporter Piers Morgen meinte, er würde „hingerichtet“ werden, wenn er einen ähnlichen Film für Männer machen würde. Sogar der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach teilte auf Twitter öffentlich mit, dass er schon jetzt wüsste, dass er sich den Film niemals anschauen wird.
Grundsätzlich gilt hier mein Motto: Wenn sich viele fragile Männeregos über eine Sache echauffieren, dann hat sie irgendetwas richtig gemacht.

Sophia Steinegger

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