Übermorgen ist Neumond – damit ist es also wieder Zeit für unsere Rubrik #tanterosa.
Der 19. Oktober wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Internationalen Tag gegen Brustkrebs erklärt. In vielen Ländern wird allerdings der gesamte Oktober dafür genutzt um auf das Thema Brustkrebs aufmerksam zu machen, für die Krankheit zu sensibiliseren und über Vorsorgeuntersuchungen und regelmäßige Kontrollen aufzuklären. All dies soll es ermöglichen, die Krankheit frühzeitig zu erkennen und zu heilen. Als Symbol für den Brustkrebsmonat gilt eine rosa Schleife (wie im Titelbild des Beitrags abgebildet). Von dieser leitet sich auch die häufig verwendete Bezeichnung als “rosa Monat” ab.
Mammographie-Screenings gelten als eine der wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen gegen Brustkrebs. In vielen Staaten gibt es deshalb für Frauen auch die Empfehlung regelmäßig ihre Brust kontrollieren zu lassen. Für Frauen ab 20-30 Jahre gilt mindestens einmal jährlich, für Frauen ab 50 alle zwei Jahre. In Italien erhalten Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle 2 Jahre vom Sanitätsbetrieb eine Einladung zu einem Mammographie Screening.
2013 hat ein Fachgremium des unabhängigen Swiss Medical Board (SMB) einen Bericht verfasst und veröffentlicht. Dieser beschäftigt sich mit der Frage, welchen Nutzen diese systematischen Screenings haben. Die Forschungsergebnisse und Antworten, die die Ärzt*innen erhalten haben, sind recht ernüchternd. Es konnten nur wenige Anhaltspunkte und Beweise dafür finden, dass Mammographie-Screenings mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringen.
Nachdenklich machen vor allem folgende Ergebnisse:
- Das Risiko an Brustkrebs zu sterben wird durch Mammographie-Screenings nur um ca. 20% reduziert.
- Eine Untersuchung von 20 Mammographie-Screening-Programmen in 17 Ländern hat gezeigt, dass pro Screening-Zyklus ca. 4% falsch-positive Befunde festgestellt werden. D.h. Frauen wurde fälschlicherweise Brustkrebs diagnostiziert und sie wurden unnötig dagegen behandelt.
- Falsch-negative Ergebnisse, also Befunde, die keinen Brustkrebs diagnostizieren, obwohl ein Krebs vorliegt, liegen bei 4,5%.
- Hinzu kommt ein Anteil von 1-10% an Überdiagnosen – d.h. eine “Diagnose eines Brustkrebses im Rahmen der Mammographie-Screening-Untersuchung […], der über die Lebensspanne der Frau nicht klinisch symptomatisch geworden wäre und – hätte keine Screening-Untersuchung stattgefunden – niemals diagnostiziert worden wäre.“
- Von der psychischen Belastung der Falsch- und Überdiagnosen gar nicht zu sprechen…
Das Fachgremium des Swiss Medical Board hat im Bericht deshalb folgende Empfehlungen erarbeitet:
- Es wird nicht empfohlen, systematische Mammographie-Screening-Programme einzuführen.
- Die bestehenden systematischen Mammographie-Screening-Programme sind zu befristen.
- Alle Formen des Mammographie-Screenings sind bezüglich Qualität zu evaluieren.
- Ebenfalls werden bei allen Formen des Mammographie-Screenings eine vorgängige gründliche ärztliche Abklärung und eine verständliche Aufklärung mit Darstellung der erwünschten und unerwünschten Wirkungen empfohlen.
Demgegenüber stehen Erfahrungen und Zahlen z.B. von Dr. med. Herbert Heidegger, der seit 17 Jahren Primar der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhauses Meran ist. In einem Interview der Zeitschrift “Die Chance. Die Zeitschrift der Südtiroler Krebshilfe” von 2017 ist Folgendes zu lesen:
Ein Drittel der Patientinnen seiner Abteilung haben eine onkologische Diagnose. Zahlen, die angestiegen sind in den 17 Jahren seit er von Deutschland […] nach Südtirol zurückgekommen ist. Und diese Tatsache kann durchaus auch in einem positiven Licht gesehen werden: Die Krebs-Vorsorge beginnt zu greifen, wenn auch immer noch zu langsam. Heidegger würde sich wünschen, dass hundert Prozent der Frauen die Einladung zu den Krebsvorsorgeuntersuchungen Ernst nähmen! Dank der Vorsorge werden zwar mehr Tumore diagnostiziert, aber sie sind in einem Früstadium, sind kleiner und damit steigen die Heilungschancen um ein Vielfaches. „In meiner Abteilung liegt die Heilungsquote der Patientinnen mit Brustkrebs bei 90%. Mehr als 70% der Operationen können wir heute brusterhaltend durchführen,“ unterstreicht der Primar. Die Zahl der großen Tumore ist von 17% auf 12% zurückgegangen.
Doch was heißt das jetzt konkret? Soll ich der Einladung zum Mammographie-Screening nachkommen? Soll ich die Vorsorgeuntersuchung verweigern?
Eindeutige Antworten darauf zu geben ist nicht leicht. Es gibt Frauen, deren Gesundheit und oft sogar Leben aufgrund einer (Früh-)Diagnose gerettet werden konnten. Es gibt aber auch Frauen, die ohne einer in ihrer Brust existierenden Krebserkrankung unnötig verschiedenen Therapien (wie z.B. Chemotherapie) unterzogen worden sind.
Letztlich liegt die Entscheidung bei jeder Frau ganz persönlich. Helfen kann beim Entscheidungsprozess ärztliche Beratung und der Zugang zu einer breiten Vielfalt an Informationen. Positive und negative Seiten, Vorteile und Nachteile – alle Seiten müssen abgewogen werden.
Hier finden Sie ausführliche Informationen rund um Brustkrebs und das Mammographie-Screening-Programm (in Deutschland).
Hier eine Broschüre mit Quiz, die als Entscheidungshilfe dienen kann.
Bei weiteren Fragen, wenden Sie sich mit ihren Fragen an einen Facharzt/eine Fachärztin und bitten Sie um ein Beratungsgespräch.
Yvonne Rauter & Sissi Prader