Heute ist internationaler Schachtag. Das strategische Brettspiel steht für Konzentrationsfähigkeit, Strategie und einen wachen Geist. Aber nicht nur. Vielleicht kennt ihr Phiona Mutesi, die berühmte Schachspielerin aus Uganda. Seitdem ihre Geschichte unter dem Titel „Queen of Katwe“ als Buch und Film von Disney um die Welt ging, steht Schach auch für Hoffnung.
Phiona Mutesi ist in Katwe aufgewachsen, das ist der größte Slum in Kampala, Uganda. Als sie noch ein Kleinkind war verstarb ihr Vater an AIDS. Schon in jungen Jahren mussten sie und ihre Geschwister Mais auf der Straße verkaufen, anstatt zur Schule zu gehen.
Als sie ungefähr 9 Jahre alt war, erfuhr sie von einem Schachklub in der Nachbarschaft. Wer dort Schachspielen lernte bekam eine Mahlzeit. Robert Katende ist der damals 28-jährige Missionar und Schachlehrer, der von der Ausbildung her eigentlich ein Ingenieur ist. Er benutzt Schach als ein Werkzeug, um junge Menschen in den Slums von Kampala zu betreuen.
Am Anfang war Schach für mich nur eine Schale Haferbrei, sagte sie.
Phiona lief jeden Tag die 6,5 Kilometer Entfernung von ihrer Hütte bis zum Schachklub. Nach und nach lernte sie immer mehr und das Spiel begann sie zu faszinieren. Bald schon war die sie beste Spielerin im Klub. Als die gegen den Klub-Besten spielte, sagten die anderen Jungen zu ihm: “Wie kann ein Mädchen dich schlagen? Das kannst du nicht zulassen”. Doch Phiona gewann trotzdem. Das war ein besonderes Gefühl für Phiona, denn, wie sie sagte, galt in der Gesellschaft um sie herum, dass Mädchen nichts sind, und Jungen diejenigen die zur Schulen gehen sollten.
Auch in ihrer Familie war es so gewesen. Ihre Großmutter war nicht zur Schule gegangen und auch ihre Mutter nicht. Phiona sagte, es sei wie ein Fluch, dass die Frauen ihrer Familie immer im Teenager-Alter schwanger würden. Für sich sah sie eine Chance diesen Fluch zu brechen – indem sie Schach spielte.
Phiona wurde immer besser und nahm an immer größeren Wettkämpfen teil. Sie vertrat sogar Uganda bei internationalen Turnieren und nahm vier Mal an den Schacholympiaden teil.
Trotz den Erfolgen schlichen sich aber immer wieder Zweifel ein:
Jedes Mal, wenn ich an diese neuen Orte ging, sah ich eine Menge Dinge – und ich dachte: ‘Ich wünschte, ich hätte das hier. Ich wünschte, ich hätte das hier. Und ich wollte nicht wieder nach Hause zurückkehren. Denn ich hatte das Gefühl, dass ich gerade jetzt in diesem teuren Hotel bin. Und ich bekomme gutes Essen. Zu Hause haben wir kein Essen. Ich bin obdachlos. Ich habe nirgendwo ein Zuhause. Mein Leben wird sich nicht ändern.
Und doch hat sich Phiona’s Leben Schritt für Schritt verändert. Sie bekam ein Stipendium, damit sie wieder zur Schule gehen konnte. Der US-amerikanische Autor und Sportjournalist Tim Crothers war von Phionas Leben so beeindruckt, dass er neben einem Artikel auch das Buch Das Schachmädchen – Der erstaunliche Weg der Phiona Mutesi (Originaltitel The Queen of Katwe) veröffentlichte. Dadurch verdiente sie genug Geld, um ein Haus für ihre Mutter zu kaufen und dafür zu sorgen, dass sich ihre Familie keine Sorgen mehr um das Essen machen musste.
2016 verwandelte Disney das Buch von Crothers in den Film “Queen of Katwe“.
Trotz ihrer Erfolge begann Phiona daran zu zweifeln, ob Schach wirklich eine tragfähige Zukunft für sie hat. So kam sie zur Entscheidung, dass das, was sie für sich selbst wünschte, eine Ausbildung war – die Ausbildung, die ihre Großmutter, Mutter und Schwester nie bekommen hatten. Sie wollte Ärztin werden.
Und es war das Schachspiel, das ihr die Chance gab. Bei der Seattle-Premiere von “Queen of Katwe” bot der Präsident eines kleinen christlichen Colleges, der Northwest University, Mutesi ein Stipendium an. So gelangte sie in den Seattleer Vorort Kirkland. Seit Herbst 2017 ist sie dort im College.
Auch dort gab es Hindernisse, sie musste lernen, einen Computer zu bedienen, und sie musste ihr Heimweh überwinden. Darüber hinaus musste sich Phiona immer noch um Geld sorgen. Ihr Stipendium deckt die Studiengebühren ab, aber nicht ihren Unterhalt und ihre Reisen zwischen Amerika und Uganda. Sie verdient etwas Geld als Motivationsrednerin und durch Spenden, sodass sie über die Runden kommt.
Phiona sagt, das Schachspielen ist ihr immer noch wichtig, aber nun habe sie nicht mehr so viel Zeit dafür. Trotzdem ist sie dankbar:
Ich habe das Gefühl, das Schachspiel hat mir die Tür geöffnet.
Hier geben Phiona Mutesi und ihre Mutter ein spannendes Interview in englischer Sprache:
Judith Mittelberger