Blog vom Frauenmuseum Il Blog del Museo delle Donne
Frauenmuseum | Museo delle donne

Mileva Einstein-Maric – Das Schicksal eines weiblichen Genies

0

Einstein – das Genie. So ist es in all unseren Köpfen abgespeichert. Dabei sollte „Einstein-Maric – das Genie“ eigentlich genauso gelten. Mileva Einstein-Maric war die erste Frau Albert Einsteins. Genau wie ihr Mann war auch sie eine hochbegabte Mathematikerin und Physikerin. Dennoch starb sie 1948 alleinerziehend und verarmt in Zürich, ohne jegliche finanzielle Mittel und ohne Anerkennung in wissenschaftlichen Kreisen. Wie konnte es so weit kommen?

Mileva Maric kam 1875 in Serbien als Tochter einer wohlhabenden Familie zur Welt. Die Intelligenz des Mädchens war nicht zu übersehen und fiel Eltern und Lehrpersonen gleichermaßen auf. Ihre Eltern sandten sie auf exklusive Elite-Schulen, in denen sie mit Leichtigkeit gute Noten schrieb. Im Obergymnasium in Zagreb war sie das einzige Mädchen auf der gesamten Schule. Von vielen Lehrern wurde sie als „brillant“ beschrieben[1], die Fächer Mathematik und Physik hatten es ihr von Anfang an besonders angetan.
Nach dem Schulabschluss ging sie in die Schweiz, das einzige deutschsprachige Land, in dem Frauen an Hochschulen zugelassen waren. Am Polytechnikum in Zürich war sie wieder die Henne im Korb, noch heute ist es ein männerdominiertes Gymnasium, damals waren Frauen eine echte Sensation. Professoren nahmen Frauen nicht ernst und Unterstützung konnte sie sich auch keine erwarten.
Mitten in diesem Kampf um Bildung machte Mileva Maric eine Begegnung, die ihr Leben so stark veränderte wie keine andere: Sie traf Albert Einstein. Im selben Semester hatte auch er sein Studium begonnen. Die beiden stellten sofort eine intellektuelle Beziehung zueinander her. Sie arbeiteten zusammen an ihren Diplomarbeiten und hatten sogar den gleichen Professor. Während sie stundenlang über Probleme der Physik und Mathematik sprachen, verliebten sie sich ineinander. Auch die Abschlussprüfung machten sie zusammen: Einstein bestand mit 4,91, Maric fiel mit 4,00 durch.[2] Sie wiederholte die Prüfung und erneut erhielt sie die Rückmeldung: nicht bestanden. War die Prüfung fair? Hat der Professor ihr extra schwierige Fragen gestellt oder von Anfang an nicht vor, sie bestehen zu lassen? Wäre sie mit denselben Antworten durchgekommen, wären sie aus einem Hals mit Adamsapfel gekommen?

Ehepaar Einstein in Prag 1912, Foto: Jan F. Langhans, Bildquelle: ETH-Bibliothek Zürich

Ein drittes Mal probierte sie es jedenfalls nicht. Mileva Maric war schwanger geworden und ihre Rolle in der Gesellschaft veränderte sich schlagartig. Kein Studium mehr, keine Karriere. Sie wurde zur Mutter und Frau. Die uneheliche Tochter „Lieserl“, die sie im Ausland zur Welt brachte, wollte Albert nicht in sein Haus aufnehmen. Ihre Spur verliert sich und Albert bekam das Kind nie zu Gesicht.
Nach der Hochzeit gebar Mileva zwei weitere Kinder – Hans-Albert und Eduard. Sich um sie und den Haushalt zu kümmern, war nun der Großteil ihrer Arbeit. Albert Einstein betonte, wie gut sie darin sei, die Aufgaben einer Haushälterin zu übernehmen und lobte ihre Kochkünste.[3]
Doch am Anfang der Ehe war sie für ihn noch mehr als das. Trotz nicht bestandenem Studium war Mileva immer noch eine beeindruckende Mathematikerin und Physikerin. Oft sprach sie mit Albert über seine Arbeiten, half ihm dabei Probleme zu lösen und kritisierte ihn zuweilen auch mal. Er schätzte sie für ihren Intellekt, in den er sich auch verliebt hatte. „Wie glücklich bin ich, dass ich in Dir eine ebenbürtige Kreatur gefunden habe, die gleich kräftig und selbständig ist, wie ich selbst“[4], schrieb er ihr einmal in einem Brief.

Wie groß ihre Beteiligung an der Relativitätstheorie war, ist umstritten. Einige Stimmen halten es für eine gemeinsame Arbeit. In Briefen an Maric sprach Einstein von „unserer Arbeit über die Relativbewegung“[5]. Auch soll es eine Version der Manuskripte gegeben haben, die mit Einstein-Maric signiert war. Im späteren Scheidungsvertrag wurde ihr sogar das Preisgeld für den Nobelpreis zugeschrieben.[6]
Das alles sind Indizien, es gibt aber auch solche, die dagegen sprechen. Mileva selbst schrieb beispielsweise immer nur über „Alberts Arbeiten“[7]. Außerdem war sie wahrscheinlich die bessere Mathematikerin, doch die Relativitätstheorie behandelt vor allen Dingen Probleme aus der Physik, in der sich Albert besser auskannte. So oder so war sie zu der Zeit seine wichtigste Gesprächspartnerin und hatte damit sicherlich großen Einfluss auf ihren Mann.

Einstein hatte aber irgendwann genug von der Frau an seiner Seite. Kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes begann er eine Affäre mit seiner Cousine Elsa in Berlin. Mit ihr machte er sich auch über seine Frau lustig, bezeichnete sie als „Angestellte, die ich nicht entlassen kann“[8]. Immer mehr distanzierte er sich von ihr, bis sie ihn bald gar nicht mehr zu Gesicht bekam. Einen perfekt geführten Haushalt erwartete der Mann, für den man sich laut seinem Freund Janos Plesch sorgen müsse wie für ein Kind, natürlich trotzdem. In alltäglichen Dingen war er völlig unbeholfen.
1914 wurde er an die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin berufen. Zu dem Zeitpunkt schien Einstein jeglichen Respekt vor seiner einstigen intellektuellen Genossin verloren zu haben. Er schrieb Mileva eine Liste mit all den Aufgaben, die sie als gute Frau erfüllen müsse:

A Du sorgst dafür,

  1. dass meine Kleider und Wäsche ordentlich im Stand gehalten werden.
    2. dass ich die drei Mahlzeiten im Zimmer ordnungsgemäß vorgesetzt bekomme.
    3. dass mein Schlaf- und Arbeitszimmer stets in guter Ordnung gehalten sind, insbesondere, dass der Schreibtisch mir allein zur Verfügung steht.

B Du verzichtest auf alle persönlichen Beziehungen zu mir, soweit deren Aufrechterhaltung aus gesellschaftlichen Gründen nicht unbedingt geboten ist. Insbesondere verzichtest Du darauf,

  1. dass ich zu Hause bei Dir sitze.
    2. dass ich zusammen mit Dir ausgehe oder verreise.

C Du verpflichtest Dich ausdrücklich, im Verkehr mit mir folgende Punkte zu beachten:

  1. Du hast weder Zärtlichkeiten von mir zu erwarten noch mir irgendwelche Vorwürfe zu machen.
    2. Du hast eine an mich gerichtete Rede sofort zu sistieren, wenn ich darum ersuche.
    3. Du hast mein Schlaf- bzw. Arbeitszimmer sofort und ohne Widerrede zu verlassen, wenn ich darum ersuche.

D Du verpflichtest Dich, weder durch Worte noch durch Handlungen mich in den Augen meiner Kinder herabzusetzen.[9]

Nach diesem Höhepunkt der Respektlosigkeit stimmte Mileva Einstein-Maric schließlich der Scheidung zu, vom Ehebruch hatte sie inzwischen auch erfahren.

Mileva Maric, 1896, Bildquelle: Wikimedia Commons

Jetzt musste sie also auf eigenen Beinen stehen. Finanziell war sie abhängig von Albert Einstein, doch bei dem versprochenen Nobelpreis-Preisgeld suchte dieser nach juristischen Schlupflöchern, um es doch selbst zu behalten. Der jüngste Sohn hatte schon lange gesundheitliche Probleme und litt unter Schizophrenie, sie selbst erkrankte nach der Scheidung auch. Ihr Leben bewegte sich zwischen rechtlichen Streitigkeiten, Gesprächen mit Anwälten, der Pflege des kranken Sohnes und der Führung des Haushalts. Dabei wurde sie immer schwächer und ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich stetig. Albert Einstein, der inzwischen zu einer wissenschaftlichen Größe auf internationaler Ebene geworden war, verlor kaum ein gutes Wort über seine ehemalige Familie. Die kleinwüchsige Frau Frieda seines ältesten Sohnes bezeichnete er als genetisch minderwertig, sorgte sich um die „Verschlechterung der Rasse“[10]. Auch Mileva könnte genetisch vorbelastet sein, überlegte er. Als sie ihre Memoiren veröffentlichen wollte, reagierte er mit den Worten: „Wenn man eine Null ist, so ist nichts dagegen einzuwenden, aber man soll schön bescheiden sein und das Maul halten. Dies rate ich Dir.“[11]

Die ewigen Schikanen, die hohe Belastung des Alltags und ihre schlechte Gesundheit führten 1948 schließlich zu Milevas Tod. Sie starb einsam und müde, ohne Geld und ohne Kraft. Die junge Frau aus gutem Hause, voller Wissbegierden und hochintelligent konnte man nur noch erahnen. Während auf ihren Ex-Mann Lobeshymnen gesungen werden und Wissenschaftler*innen sein Gehirn untersuchen, um herauszufinden, was ein „Genie“ ausmacht[12], kennt kaum jemand den Namen Mileva Einstein-Maric.

 

Sophia Steinegger

 

Quellen:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/albert-einstein-frau-mileva-maric-relativitaetstheorie-1.4412479-2
https://www.swissinfo.ch/ger/einstein–genie-und-macho/4473882
https://www.stern.de/gesundheit/genie–was-macht-menschen-wie-albert-einstein-zum-genie–7446276.html
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/mileva-maric-einstein

Fotoquellen:
https://picryl.com/media/albert-einstein-and-his-wife-mileva-maric-7bd19f
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mileva_Maric.jpg

 

[1] https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/mileva-maric-einstein
[2] Ebenda
[3] https://www.swissinfo.ch/ger/einstein–genie-und-macho/4473882
[4] Albert an Mileva, März 1901
[5] https://www.sueddeutsche.de/wissen/albert-einstein-frau-mileva-maric-relativitaetstheorie-1.4412479-2
[6] https://www.swissinfo.ch/ger/einstein–genie-und-macho/4473882
[7] Ebenda
[8] Ebenda
[9] Collected Papers of Albert Einstein, vol. VIII, 1998
[10]https://www.sueddeutsche.de/wissen/albert-einstein-frau-mileva-maric-relativitaetstheorie-1.4412479-2
[11] Albert an Mileva, 24.Okt. 1925
[12] https://www.stern.de/gesundheit/genie–was-macht-menschen-wie-albert-einstein-zum-genie–7446276.html

Leave A Reply