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Ungewollte Kinderlosigkeit: unendlich tabuisiert

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In der Öffentlichkeit wird über künstliche Befruchtung kaum gesprochen. Und das, obwohl jedes achte Paar in Südtirol von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen ist. Besonders in schwierigen Ausgangslagen müssen sich Paare auf einen langen und herausfordernden Weg zum Wunschkind einstellen. Die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung sind nach wie vor begrenzt, Leidensweg, Druck und Enttäuschung groß – und die Paare vielfach auf sich alleine gestellt.

Im Rahmen der MutterNacht rückt das Rittner Haus der Familie am Tag vor dem Muttertag auch heuer wieder ein Tabuthema rund um das Elternsein in den Mittelpunkt. Ein Dutzend Südtiroler Familien- und Frauenorganisationen tragen die Sensibilisierungskampagne mit. Ich freue mich, als Hebamme und freie Mitarbeiterin des Rittner Bildungshauses diese wichtige Kampagne von Anfang an als Projektleiterin begleiten zu können.

Sehnsucht Kind: ungewollt kinderlos – und dann? haben wir das herausfordernde Thema heuer betitelt.

Nur bei jeder vierten befruchteten Eizelle, die in die Gebärmutter eingepflanzt wird, kommt es zur Schwangerschaft und nur in zwei Drittel dieser Fälle wird ein Kind geboren. Mit den Versprechungen der modernen Medizin wächst die Verzweiflung jener, die alle Varianten der künstlichen Befruchtung erfolglos durchlaufen haben. Der seelische Schmerz ist enorm. Wir möchten betroffenen Paaren zeigen, dass sie mit dem Leid nicht alleine sind. Daher haben wir im Herbst 2019 Paare aufgerufen, ihre Geschichte zum Thema Unfruchtbarkeit und ungewollter Kinderlosigkeit mit uns zu teilen. Sehr schnell haben wir gemerkt, dass es heuer besonders schwierig sein würde, Frauen und Männer zu finden, die ihre persönlichen Erfahrungen erzählen.

Ich habe viele Menschen angesprochen, auch befreundete Paare. Und ich war erstaunt, wie tabuisiert Unfruchtbarkeit in unserer Gesellschaft noch ist. Paare, bei denen die künstliche Befruchtung erfolgreich war, wollen sich nicht öffentlich dazu äußern. Meist wissen nur die engsten Familienangehörigen – falls überhaupt – darüber Bescheid.

Manche Paare, die kinderlos geblieben sind, sind so beschämt, dass sie mit niemandem darüber sprechen wollen. Viele schaffen es auch nach Jahren nicht, darüber zu reden. Zu tief sind Schmerz und Angst, gesellschaftlich abgestempelt zu werden.

Und dann gibt es auch noch Familien, die sich ein Geschwisterkind zum bereits Geborenen wünschen, es aber nicht mehr klappt. Diese Paare stoßen ebenfalls auf viel Unverständnis und Kritik.

Und so bleiben diese Paare und Familien in ihrem Schmerz allein. So vergehen manchmal Jahre, in denen die Hoffnung zwar bleibt, aber die Verzweiflung immer stärker wird. Trotz der enormen Tabuisierung hatten wir Glück: Nach Aufrufen, die im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen und auf Facebook veröffentlicht wurden, haben sich Anfang dieses Jahres einige Paare bereit erklärt, ihre Geschichte öffentlich zu erzählen. Die positiven Rückmeldungen waren so stärkend und ermutigend, dass immer mehr Paare den Mut fanden, ihre Geschichte zu schreiben und uns zu schicken, viele auch anonym. Und so ist ein wunderbarer Sammelband mit 25 berührenden Erzählungen entstanden.

Foto: Thomas Ebner

Nun ist die Coronakrise dazwischen gekommen. Die MutterNacht kann nicht wie in den letzten Jahren auf dem offenen Platz in Bozen stattfinden. Eigentlich hätte die Kampagne aus drei Teilen bestehen sollen: einer Fachtagung am 8. Mai, einem Theaterabend am selben Abend und einem Aktionstag auf offenem Platz in Bozen am 9. Mai. Betroffene Frauen und Männer, Fachleute und KünstlerInnen wollten das herausfordernde Thema mit Diskussionsbeiträgen, Geschichten, Theater, Tanz und Musik enttabuisieren.

Weil das Thema Öffentlichkeit so notwendig hat, haben wir beschlossen, einen Teil der Veranstaltung in die digitale Welt zu transferieren. So wird am Tag vor dem Muttertag, am Samstag 8. Mai auf Facebook eine Diskussionsrunde mit betroffenen Personen und Fachleuten in deutscher und italienischer Sprache live übertragen. Thomas Vonmetz und Arturo Zilli werden außerdem in den Tagen vorher und auch am Samstag einige Auszüge der eingesandten Geschichten vorlesen – immer auf Facebook.

Auch wenn die MutterNacht heuer anders sein wird, als in den vergangenen Jahren, bin ich überzeugt, dass sie für dieses Thema genau richtig ist, wie sie ist: Gar manche Paare hätten sich wahrscheinlich nicht getraut, sich bei der MutterNacht öffentlich am Rathausplatz zu zeigen. So können sie die Diskussion der MutterNacht von zu Hause aus verfolgen, anonym und virtuell. Und sie werden spüren: Sie sind nicht alleine.

 

Astrid Di Bella

Astrid Di Bella

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