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Melly, die Kickerin

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Unsere Frau des Monats Juli

Für Melanie Kuenrath aus Burgeis war das Kicken von klein auf eine Leidenschaft. Diese verfolgte sie mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit und die Erfolge blieben nicht aus. Im Mai hat die Fußballerin sich mit dem FC Bayern Frauen den Meistertitel in der 2. Bundesliga geholt. Im Interview spricht sie über ihren Weg, über Klischees gegenüber Frauenfußball und natürlich über die laufende Weltmeisterschaft in Frankreich.

 

Wie bist du zum Fußballspielen gekommen?

Seit ich denken kann, begeistert mich alles, was rund ist und rollt. Egal, wo ich war und was ich machte, einen Ball hatte ich immer dabei.

In der Grundschule habe ich täglich mit meinen Klassenkameraden im Schulhof gekickt und schon bald hab ich mich dazu entschlossen, im Verein zu trainieren und zu spielen. Angefangen habe ich in meinem Heimatdorf, beim ASV Burgeis. Vorerst war ich das einzige Mädchen in der Mannschaft, aber schon bald darauf konnte ich auch meine ältere Schwester Debora zum Fußballspielen begeistern.

Wie ist es dann weitergegangen, was waren deine nächsten Schritte?

Mit den Jungs spielte ich 5 Jahre lang und gewann dabei auch einmal die Meisterschaft. Mit 12 Jahren wechselte ich dann zum ADFC Red Lions in Tarsch. Während ich mit den Mädels um die U-15 Meisterschaft spielte, setzte ich gleichzeitig das Training bei den Jungs fort und konnte mich aufgrund dessen enorm weiterentwickeln.

Gleich dreimal gewannen wir mit den Red Lions den Meisterschaftstitel. Parallel dazu spielte ich noch für die Südtirol-Auswahl und wurde bei den Regionenturnieren von der U 17 Nationalmannschaft entdeckt und regelmäßig zu Lehrgängen eingeladen.

 

Du hast schon mit 15 die Heimat verlassen, um in der 1. Mannschaft der U17 Damen des FC Bayern München zu spielen. Wie war diese Erfahrung für dich?

Es war ein riesengroßer Schritt für mich. Ich habe meine Familie und meine Freunde verlassen, ich bin von einem kleinen Südtiroler Dorf in eine Millionenstadt gezogen und war ganz auf mich allein gestellt.

Eine große Herausforderung war es auch, in ein komplett anderes Schulsystem zu wechseln. Ich bin in die 10. Klasse Gymnasium eingestiegen und hatte im ersten halben Jahr in einigen Fächern große Probleme. Da in Deutschland die Schule insgesamt nur 12 und nicht 13 Jahre wie in Italien dauert, waren meine Klassenkameraden in München mit dem Stoff schon viel weiter fortgeschritten.

Auch fußballerisch habe ich natürlich enorm viel an Erfahrung sammeln können. Ich konnte mich mit vielen herausragenden Spielerinnen messen, habe gelernt, mit Konkurrenzkampf umzugehen, und hatte die Möglichkeit mich ständig weiterzuentwickeln.

Neben den unzähligen positiven Erfahrungen, die ich bisher in München sammeln durfte, gab es natürlich auch mal schlechtere Tage, in denen jedoch meine Familie und meine Freunde immer hinter mir standen und mich immer unterstützt haben.

 

Was sind deine persönlichen Ziele im Sport?

Mein persönliches Ziel ist es, mich immer und immer weiter zu entwickeln. Dazu gehört es, meine Schwächen ab- und meine Stärken auszubauen. Besonders wichtig ist es mir, verletzungsfrei zu bleiben und den Spaß beizubehalten.

Und als Fußballerin will man natürlich Tore schießen und Titel sammeln, das ist ganz klar 🙂

 

Möchtest du vom Fußball leben können, oder machst du noch eine Ausbildung nebenher?

Wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann, ist das ein großer Traum der in Erfüllung geht.

Im Fußball muss man jedoch mit allem rechnen und deshalb ist ein zweites Standbein, ein sogenannter Plan B, nicht wegzudenken. Ich habe in München die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und gleich darauf beschlossen, mich auf der Uni einzuschreiben. Mittlerweile bin ich im 4. Semester Sportbusiness Management und sehr zufrieden mit meiner Wahl.

 

Wie oft trainierst du in der Woche und bleibt da noch Zeit für andere Dinge?

Ich trainiere sechs bis siebenmal in der Woche. Die restliche Zeit nutze ich hauptsächlich für mein Studium. Als ich noch die Schule besucht habe, war mein Tagesablauf von morgens bis abends komplett durchgeplant. Mit dem Studium bin ich etwas flexibler und kann mir meinen Tag besser einteilen, da bleibt auch mal Zeit, um sich mit Freunden zu treffen.

 

Was war bisher die größte Herausforderung in deinem Sport?

Es gab Zeiten, in denen ich nicht die erste Wahl für mein Trainerteam war und den Platz auf der Ersatzbank einnehmen musste. Solche Entscheidungen muss man akzeptieren und man muss lernen damit umzugehen. Man darf dann nicht alles negativ sehen und anfangen, an sich selbst zu zweifeln, sondern muss sich selbst Selbstbewusstsein einholen, z.B. über gute Aktionen im Training.

 

Was ist das nächste Highlight das dir bevorsteht?

Wir haben eine klasse Saison hinter uns, die wir mit dem Meistertitel der 2. Frauen Bundesliga krönen durften. Aufsteigen können wir leider nicht, daher gilt es an den diesjährigen Leistungen anzuknüpfen und den Titel zu verteidigen.

Bist du in deiner bisherigen Laufbahn Klischees in Hinblick auf Frauenfußball begegnet?

Man hört schon hin und wieder, dass Fußball kein Sport für Frauen sei. Frauen sind zum Kinderkriegen da, Frauen gehören in die Waschküche, wie Amateurfußball, nur in Zeitlupe…

 

Das ist jetzt vielleicht ein krasses Beispiel, aber ich glaube dennoch, dass es viele Klischees im Hinblick auf Frauenfußball gibt. Die Menschen in meinem Umfeld sind mehr oder weniger alle begeistert von meiner bisherigen Leistung und sehr stolz auf mich. Mir wird nicht direkt ins Gesicht gesagt, dass jemand Frauenfußball nicht gut findet, ich glaube, das behaupten dann eher die Leute, die sich nicht genug dafür interessieren und sich nicht ausreichend mit Frauenfußball beschäftigen.

 

Durch die Weltmeisterschaft erhält Frauenfußball gerade mehr Aufmerksamkeit. Glaubst du das ist von Dauer? Ändert sich gerade was? Wie siehst du das?

Frauenfußball hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt, sei es die Geschwindigkeit, die Technik, als auch die Spielintelligenz. Mit der WM in Frankreich sieht man nun, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat und dass Menschen auf der ganzen Welt Begeisterung finden.

Dabei sind die Medienpräsenz und eine professionelle Organisation von großer Bedeutung, denn der Sport lebt nun einmal von den Fans und Zuschauern. Sind die Stadien einmal gefüllt, so wird der Sport immer attraktiver und immer mehr Leute interessieren sich dafür.

Ich hab mir auch ein Spiel live angeschaut – Frankreich gegen Norwegen im Allianz Riviera Stadion in Nizza. Das Spiel auf einem Topniveau im ausverkauften Stadion ließ eine bezaubernde Atmosphäre entstehen, wirklich toll.

Sicherlich nimmt nach der WM die Aufmerksamkeit wieder etwas ab, zumindest im internationalen Bereich, das ist ganz normal.

Allerdings wird in den einzelnen Ländern momentan viel in Frauenfußball investiert und die jeweiligen Ligen umstrukturiert und professionell aufgebaut. Das ist in Ländern wie England, Spanien, Frankreich und vor allem auch in Italien zu erkennen.

Ich glaube, dass in den nächsten Jahren noch viel passieren wird und Frauenfußball immer angesehener und attraktiver wird.

 

Muss Frauensport eigentlich immer mit Männersport verglichen werden?

Sollte er eigentlich nicht. Frauen haben nun mal einen anderen anatomischen Körperbau als Männer und sind gerade in den Sportarten, in denen es um Kraft und Schnelligkeit geht, etwas benachteiligt.

Trotzdem sollte jedem bewusst sein, dass hinter jedem Leistungssportler viel und hartes Training steckt, dass Frauen genauso viel trainieren müssen, um einen Sport professionell ausüben zu können, wie Männer. Deshalb sollten auch beide Geschlechter gleichermaßen belohnt werden.

v.li.: Fatma Sakar (TSG II, 16), Melanie Kuenrath (FCB II, 17), Johanna Kaiser (TSG II, 3), Zweikampf, Spielszene, Duell, duel, tackle, tackling, Dynamik, Action, Aktion, 19.05.2019, Sankt Leon-Rot, Fussball, 2. Frauen-Bundesliga, TSG 1899 Hoffenheim II (U20) – FC Bayern München II (U20), DFB/DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO.

 

Wen bewunderst du?

Ich bewundere Stars wie Thiago, Messi und Mbappé, weil sie ein außergewöhnliches Talent auf dem Platz bringen und unglaubliche Dinge mit dem Ball anfangen können.

Ich bewundere aber auch Spielerinnen und Spieler, die sich durch harte Arbeit und viel Training an die Spitze gekämpft haben und jetzt dort sind, wo sie sind, weil sie nie aufgegeben haben, dafür zu kämpfen.

 

Was ist für dich Erfolg?

Erfolg ist für mich, wenn man ein Ziel hat und dieses gemeinsam mit seinen Mitspielerinnen erreichen kann. Ich betreibe eine Mannschaftssportart, bei der jede einzelne vielleicht nicht viel wert sein mag, aber zusammen alles erreicht werden kann. Das Schöne am Fußball ist, dass man entweder zusammen verliert oder Erfolge teilen kann.

Erfolg ist für mich auch, wenn ich mich persönlich weiterentwickle und Schritte nach vorne mache, sei es im sportlichen als auch im privaten Bereich.

Zudem ist Erfolg für mich, wenn man glücklich ist mit dem, was man macht.

 

Dein Lebensmotto?

Kämpfe mit Leidenschaft,

siege mit Stolz,

verliere mit Respekt,

aber gib niemals auf!

 

Interview: Judith Mittelberger

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