Einmal im Monat veröffentlichen wir in der Rubrik #tanterosa einen Beitrag, der sich mit dem Körper von Frauen beschäftigt. Die vergangenen Beiträge hatten den Zyklus, die Menarche, die Wechseljahre, Verhütungsmittel und vieles weitere zum Thema. Der heutige Beitrag tanzt in dieser Hinsicht etwas aus der Reihe, weil er zwar auch eng mit dem weiblichen Körper verbunden ist, allerdings heute mit einer negativen körperlichen Erfahrung – mit der Erfahrung von sexueller Gewalt.
Anlass für dieses Thema ist die Wanderausstellung “Com’eri vestita?”, die derzeit in Meran zu sehen ist. Infos zu Ort und Öffnungszeiten der Ausstellung findet ihr hier.
Die von der Sozialgenossenschaft Cerchi D’Acqua konzipierte Kunstinstallation zeigt verschiedene Kleidungsstücke, die symbolisch für jene stehen, die Frauen während wirklich erlebter Gewalt(episoden) getragen haben. Begleitet sind die verschiedenen auf schwarzen Paneelen drapierten Kleidungsstücke von Aussagen der betroffenen Frauen über die ihnen angetane Gewalt. Das Ziel von D.i.Re – Donne in Rete contro la violenza, der italienischen Vereinigung der Beratungsstellen für Frauen in Gewaltsituationen, der auch Cerchi D’Acqua angehört ist es mit der Ausstellung zum Nachdenken anzuregen und stereotype Vorstellungen über die Gewalt zu entlarven.
Leider ist es oft immer noch so, dass wenn Frauen Gewalt erfahren, ihnen die Frage gestellt wird: “Was hast du getragen? Wie warst du gekleidet?”. Damit wird ihnen unterschwellig unterstellt, dass sie selbst auch einen Teil der Verantwortung für die erlebte Gewalt tragen. Die anklagende Botschaft, die vermittelt wird, ist “du hast es dir doch wohl auch ein wenig selber so ausgesucht…”.
Im Falle eines gewaltsamen Übergriffs auf den Körper von Frauen wird damit das Scheinwerferlicht der öffentlichen Entrüstung auf jene gerichtet die Gewalt erfahren und nicht auf diejenigen, die Gewalt ausüben – ein hartnäckiges und tief verankertes Denkmuster, das die Täter, die alleine die Verantwortung für die ausgeübte Gewalt tragen, in den Schatten stellt.
Com’eri vestita? Was hattest du an? What were you wearing? – Der Begleittext zur Ausstellung bringt die gesamten Problematiken, die mit dieser Frage verbunden sind, folgendermaßen auf den Punkt:
Nur eine einfache Frage, die aber mitten ins Herz eines der am längsten andauernden Mythen unserer Geschichte zielt und tief in patriarchalen Vorstellungen wurzelt. Eine universelle Frage, die in allen Ländern dieser Welt gestellt wird. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, ein kulturelles Umdenken anzuregen: sexualisierte Gewalt wird nicht dadurch beseitigt, in dem das äußere Erscheinungsbild verändert oder einfach nur anderen Kleidung getragen wird.
Die große Aufgabe und Herausforderung, die sich uns allen stellt, ist ein Umdenken anzuregen. Jeder Frauenkörper hat das Recht auf Selbstbestimmung und Gewaltfreiheit. Und das in allen möglichen Situationen: bei der Wahl der Kleidung, bei der Wahl der Verhütungsmittel, bei sexuellen Begegnungen, bei der Zustimmung oder einem “Nein” zu etwas und in vielen weiteren Situationen.
Die Wahl einer bestimmten Kleidung ist NICHT die Ursache von sexualisierte Gewalt. Das Verhalten von Frauen hat NICHT die Gewalt provoziert. Die Frauen waren NICHT zu unvorsichtig. Die Ursache sexualisierter Gewalt liegt NICHT bei den von Gewalt betroffenen Personen, sondern bei den Personen, die Gewalt ausüben.
Es ist unser aller Aufgabe auf die bestehenden Vorurteile rund um (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen zu reagieren und dabei zu helfen diese abzubauen. Die Wanderausstellung “Com’eri vestita” bietet eine beeindruckenden Inspiration dazu.
Yvonne Rauter