Nach der Publikation für die lokale Zeitschrift „Meraner Stadtanzeiger“, freut sich das Frauenmuseum nun einige der Beiträge dieser Frauenkolumne, auch auf dem eigenen Blog zur Verfügung stellen zu können. Nochmals danke dem Meraner Stadtanzeiger für die Zusammenarbeit, bei Bedarf kann der Artikel auch heruntergeladen werden: https://www.meraner.eu/blaettern/2022/04#seite/21
Meraner Frauen von gestern und heute
Sarah Trevisiol
Meran, das prächtige Kleinstädtchen in mitten der Alpen, verbirgt eine vielseitige und weltoffene Geschichte, welche zum Teil auch von Frauen geprägt und geschrieben wurde. In dieser Kolumne werden wir den Stimmen und Erfahrungen einiger Meranerinnen Gehör verleihen, die das Gesellschaftsleben und Stadtbild Merans mitgestaltet haben oder immer noch tun.
Frauen im Tourismus
Martha und Katharina vom Ottmanngut
Das Ottmanngut ist kein gewöhnliches Hotel, sondern ein Familienhaus mit gelebter Historie. Heute von Martin Kirchlechner und seiner Lebensgefährtin Katharina Flöss geführt, verhüllt das bürgerliche Landhaus mit den antiken Biedermeiermöbeln und den prunkvollen Garteneinlagen, die Geschichte einer außerordentlichen Frau – Martha Kirchlechner. Sie hat durch ihr Schaffen, ihrer Liebe zum Detail, dem kulinarischen Können und der herzlichen Fürsorge für die Gäste, gezeigt, was Frauen auch alleine im Tourismus schaffen können. Mit Stolz berichten der Großenkel und seine Lebensgefährtin Katharina Flöss von Marthas Willenskraft und Stärke: „Sie war mit Herz und Blut dabei, kein Aufwand war ihr zu groß und die Zufriedenheit der Gäste war für sie oberstes Gebot.
“Martha Knoll Kirchlechner war eine Quereinsteigerin, sie wuchs zwar in einer Gastwirtfamilie unter den Meraner Lauben auf, war aber lange als Zahnarztassistentin tätig, bevor sie 1973 mit ihrem Mann Josef Kirchlechner den Familiensitz in eine florierende Pension verwandelte. Das Ottmanngut wurde bereits im Jahre 1850 von der Familie Kirchlechner gekauft, anschließend verpachtet und während der Kriegsjahre als Lazarett verwendet. Auch mit spärlichen Mitteln haben Martha und Josef es geschafft, das Familienhaus wieder aufblühen zu lassen und sowohl Gäste als auch Familienangehörige in dem stilvollen Ambiente zu vereinen.Martha kochte, dekorierte die Zimmer und betreute die Gäste, mit denen sie oft sogar jahrelangen Briefverkehr führte. Mit ihrer offenen und sozialen Art unterhielt sie sich stundenlang mit Menschen aus aller Welt, die ihr von den Abenteuern über den Alpengrenzen erzählten – noch heute fragen Gäste nach ihr, die vor Jahren auch nur wenige Tage im Ottmanngut verbracht haben.
Selbst nach dem tödlichen Bergunfall ihres jüngeren Sohnes und dem Tod ihres Mannes, verlor Martha nicht ihre Willenskraft und nahm die Pension ab 1983 eigenständig bis zu ihrem 82sten Lebensjahr in die Hand. Sie kochte dreimal täglich, kümmerte sich sowohl um Gäste, als auch um den Erhalt des Hauses und die Zusammenführung der Großfamilie. „Ich glaube für Martha bot der Tourismussektor eine Chance auf Selbstverwirklichung: Sie blühte darin auf, erhielt Anerkennung von Gästen und Familie und war finanziell eigenständig.“ Katharina Flöss, ist genau wie Martha eine Quereinsteigerin, die vorab als Lehrkraft aber auch im Kompetenzzentrum für Tourismus MGM und dem Innovationsprojekt BASIS gearbeitet hat. Mit ihrem Studium in Ökonomie und Sozialwissenschaften und dem frisch gegründeten Netzwerk Tourisma, welches sie mit den ehemaligen Kolleginnen Elisabeth Rass und Karin Tscholl vor einem Jahr gegründet hat, ist sie ein neuer Gewinn für den Familienbetrieb. „Ich bin nach wie vor beeindruckt, wie Martha so lange Zeit alles alleine geleitet hat, ohne auf die Familie zu verzichten. Für mich ist es heute wichtig zu verstehen, wie ich mir genügend Auszeit mit meinem Kind und meinem Partner gönnen kann, Arbeit vom Privatleben trenne, Arbeitsrollen klar definiere und mir meine Rente garantiere. Damals gab es noch nicht all die Freiheiten und Absicherungen für Frauen. Martha arbeitete viel, es gab wenige Auszeiten. Der Arbeitsplatz war Marthas Zuhause, selbst das Zimmermädchen brachte ihr Baby mit zur Arbeit und Martha schwang es in den Schlaf.
“Die Zeiten haben sich geändert, heute kämpfen Frauen für gleichen Lohn und bessere Arbeitsverhältnisse, auch in der Tourismusbranche. In diesem Sinne entstand Tourisma, ein Netzwerk, das sich an Frauen richtet, die im oder rund um den Tourismussektor arbeiten. Das Netzwerk möchte auch dazu beitragen, das Bewusstsein der Frauen im Tourismus zu schärfen, sodass diese Potentiale besser erkennen und für ihre Bedürfnisse innerhalb der Tourismusstrukturen verstärkt einstehen. Frauen wie Martha Kirchlechner und vor ihr noch Maria Hellensteiner oder Katherina Bermann waren Frauen, die dank phänomenaler Kochkünste, Gastfreundschaft, Feingefühl für Ästhetik und Liebe zur Tradition, dazu beigetragen haben, dem Tourismussektor in Meran den heutigen Glanz und Ruhm zu verleihen. Der jetzigen Generation liegt es am Herzen, das Engagement und die Unabhängigkeit dieser Pionierinnen aufrecht zu erhalten und sich gleichzeitig für mehr Rechte und Freiheiten für die Frauen im Tourismus einzusetzen.