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„Es geht darum den eigenen Körper und die eigene Sexualität (wieder) zu entdecken…“

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Die Frau des Monats November ist Cinzia Cappelletti. Wen Sie bewundert und was Sie bei Ihrer Tätigkeit als Gutachterin für den Bereich des sexuellen Missbrauchs besonders prägte erzählt Sie uns im zweisprachigen Interview.

Erzähl uns etwas von dir, deinen persönlichen Vorlieben in der Freizeit, die dir Energie geben und auch von deiner Familie?
Ich bin seit 1. September in Pension, nach fast 43 Arbeitsjahren.  Mein Vater hatte einen schweren Unfall und verlor die Arbeit, so musste ich mit 17 die Schule verlassen und arbeiten gehen. Das hat mich nicht entmutigt, ich wollte studieren, etwas Tolles und Wichtiges tun im Leben. Ich habe viel und gerne gearbeitet. Ich bin über meine Pensionierung sehr glücklich. Ich genieße es, Zeit für mich zu haben, in Ruhe einen Kaffee trinken zu gehen, zu wandern, meine Enkelkinder in Apulien und auf dem Apennin besuchen zu gehen.

Was hat dich bewogen Psychologie mit der anschließenden Spezialisierung zu studieren?
Ich wollte als Mädchen Medizin studieren, das war aber mit einer Arbeitstätigkeit nicht vereinbar. Dann habe ich an Jura gedacht, fand aber das Studium zu trocken. So habe ich mich für Psychologie entschieden und jetzt bin ich sehr glücklich mit meiner Entscheidung. Ich konnte in meiner Psychosomatik-Psychotherapieausbildung den medizinischen Teil integrieren und in meiner Gutachterintätigkeit die rechtlichen Aspekte.
Du warst sicherlich in Südtirol Pionierin was die Sexualpädagogik betrifft?
Ich bin eine neugierige Frau, die mehr wissen will, neue Aspekte erforschen will, sich mit Themen beschäftigen will, die meistens totgeschwiegen werden. Das Thema Sexualität kam vor vielen Jahren durch meine Klientinnen zu mir. Sie erzählten von Missbrauchssituationen in der Kindheit oder von Schwierigkeiten ihre Sexualität zu leben. So fing ich an mich immer mehr mit dem Thema zu beschäftigen und wollte Jugendlichen eine bessere Chance geben, ihre Sexualität als positive Energie zu leben. So bin ich Sexualpädagogin geworden und dann Ausbildnerin in der Sexualpädagogik. Ich arbeitete für das Institut für Sexualpädagogik im ganzen deutschsprachigen Raum, auch in Südtirol. In den letzten 30 Jahren hat sich in Südtirol viel in diesem Bereich getan.

Hat sich seither etwas im Bereich der Sexualerziehung  weiter entwickelt und gibt es  Gesprächsbereitschaft offen zu reden?
Auch in der Familienberatungsstelle Lilith, die ich mit anderen Frauen vor fast 40 Jahren gegründet habe, bieten wir Kurse für Frauen, für Männer und für Paare an, mit dem Ziel sie zu unterstützen, ihre Sexualität positiv zu erleben. Ich leite mit meiner Kollegin die Frauenkurse. Die Frauen sind sehr dankbar in einem geschützten Raum mit Ehrlichkeit und viel Respekt viele Aspekte der Sexualität anzugehen. Es geht darum den eigenen Körper und die eigene Sexualität (wieder) zu entdecken und sich von alten Tabus und negativen Prägungen zu befreien. Es ist für mich manchmal sehr berührend, die Frauen auf diesem Weg zu begleiten.

Du hast ja auch Lehrgänge in Südtirol begleitet, was dich auch sicherlich positiv stimmen lässt, wenn Frauen und Männer dem Thema mehr Achtung schenken?
Il Consultorio familiare Lilith ha fin dalle sue origini l’obiettivo di sostenere le donne in varie fasi della loro vita. Nel corso degli anni le offerte per le coppie e per gli uomini sono aumentate e, pur mantenendo un’attenzione alla specificità dell’essere donna, il consultorio Lilith ritiene sia importante dare anche alle coppie ed agli uomini strumenti di crescita.

Letzthin warst du Leiterin der Lilith, eine Beratungsstelle, die in ihrer Gründungszeit auch umstritten war und als feministisch galt, heute aber mit viel Engagement doch Ansehen erreicht hat. Ein langer Atem…
All’inizio il Consultorio Lilith non è stato finanziato perché, pur soddisfacendo tutti i requisiti richiesti, si poneva in modo alternativo rispetto al modo di pensare di allora. Oggi il Consultorio Lilith segue quasi 2.000 persone all’anno e effettua più di 10.000 prestazioni. Sinceramente sono molto fiera di quello che abbiamo creato e fatto crescere, ormai il Lilith è veramente un punto di riferimento per molte persone e lavora in modo professionale ed umano.

Für den Bereich des sexuellen Missbrauchs bist du ja immer wieder als Gutachterin gerufen worden. Sicherlich eine bleibende oft schlimme Erfahrung die deine Arbeitsweise auch geprägt hat?
Per molti anni sono stata anche consulente per la Procura o per il Tribunale per casi di sospetto abuso sessuale. È stato un lavoro duro ma per me molto importante. Partivo dal presupposto che l’eventuale esperienza di abuso fosse già accaduta. Io potevo eventualmente aiutare a raccontare quanto accaduto, permettendo di chiarire le responsabilità ma anche un’eventuale elaborazione di quanto avvenuto. L’esperienza più negativa per me è stata quella di essere interrogata in alcuni processi con interventi svalutanti da parte degli avvocati dell’imputato, quasi fossi stata io la colpevole.

Wen bewunderst du?
Ich bewundere alle Menschen die den Mut haben ehrlich zu sein, die sich mutig zeigen, die sich selbst treu sind. Das ist für mich auch ein wichtiges Prinzip in meinem Leben.

Was ist so deine Lebensweisheit bzw. was ist dein Motto?
Je älter ich geworden bin, desto mehr ist der Satz „take it easy“ wichtiger geworden. Ich war immer sehr ernsthaft und musste im Laufe meines Lebens lernen, der Leichtigkeit Raum zu geben. Auch in meiner Arbeit habe ich immer versucht die Menschen zu unterstützen, trotz schmerzhaften Erfahrungen, nach Ressourcen zu suchen.
Meine Ressourcen sind die Natur, meine Partnerschaft, gute Freundschaften, die Zeit mit Frauen, die Zeit mit meinen Enkelkindern, die Zeit für mich alleine.

Interview: Sissi Prader

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