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Femminizid – wen wundert’s?

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Fast jeden zweiten Tag berichten die Medien italienweit von Frauenmorden – femminicidi. Gesprochen wird meist von Handlungen im Affekt, von zu großer Liebe, zu starker Eifersucht. Doch die Ermordung durch den Partner ist keine „verzweifelte Liebestat“, sondern eine exteme Gewalttat mit tödlichem Ende.

Das ist das Statement der Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen, die seit 25 Jahren in Meran im Auftrag der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt vom Verein Gewalt gegen Frauen geführt wird. Sie haben gestern Nachmittag zum Zeichen gegen diese Gewalttaten am Theaterplatz in Meran eine Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer eingeladen, der über 100 Menschen gefolgt sind. Weiße Luftballone stiegen empor…

Rund um die Uhr sind Mitarbeiterinnen erreichbar für Frauen in Not: 800-014008.

Foto: Andrea Dürr

ichfrau hat den Meraner Psychologen Uli Gutweniger dazu befragt.

„Was da in Meran ein paar Häuser weiter von uns passiert ist, schockiert. Es sind nicht die Ausländer, nicht die Moslems, die unsere Frauen gefährden! In Italien werden drei von vier Morden an Frauen innerhalb der eigenen Familie begangen. Dasselbe gilt für Vergewaltigung. Auch hier ist der Großteil der Täter der eigene Vater oder Mann – „Inländer“.

Wir alle sollten alarmiert sein und dieses Signal lesen lernen.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was ist das für eine Gesellschaft, in der Männer glauben, sie können über das Leben ihrer Frau, egal ob sie mit ihr noch zusammen sind oder nicht, frei verfügen? Noch immer gibt es viele Männer, die glauben, eine Frau müsse mit ihnen zusammen bleiben, auch wenn diese es nicht mehr möchte. Dies ist typisch für eine Gesellschaft, die viele Jahrhunderte lang patriarchal organisiert war und sich nun langsam im Wandel befindet Richtung einer gleichberechtigten Gesellschaftsform der Geschlechter.

Ich kann aus Erfahrung in meiner Praxis sagen, dass viele Frauen in der Familie weniger Rechte besitzen, sei es nun bei den Entscheidungen, die getroffen werden, als auch in ökonomischer Hinsicht. Der Mann bringt das Geld und sehr oft verwaltet er es auch. Eine Befriedung der Geschlechter ist erst möglich, wenn gleiche Rechte von seiten des Mannes den Frauen zugestanden werden. Leider sind hierbei unsere inneren Bilder geprägt davon, wie wir unsere Eltern und Großeltern im Umgang miteinander erlebt haben.

Diese Erinnerungen sind wie Programme, welche uns später beeinflussen – wenn wir dann selbst in Beziehung zu einer/m Geschlechtspartner/in treten. Das Dilemma hierbei ist, dass diese Programmierungen unbewusst vorhanden sind und unreflektiert übernommen werden. Es sei denn: Wir hinterfragen, ob der Umgang unseres Vaters bzw. Großvaters mit der Mutter/Großmutter so richtig war, wie wir ihn erlebt haben. Es gilt, sich als Söhne und Töchter einzufühlen in den emotionalen Zustand aller Beteiligten.

Die Unterdrückung der Frau im patriarchalen System bringt zwar Macht für die männliche Seite, ist jedoch ein Bumerang auf emotionaler Ebene. Wird eine Frau vom Mann unterdrückt, zieht diese sich emotional und auch sexuell zurück, was wiederum die Harmonie in der Beziehung nicht gerade erhöht. Würden die Männer ihre Frauen respektieren, schätzen, ehren und ihnen gleiche Rechte zugestehen, hätten sie glücklichere Frauen und damit eine schönere, befriedigendere Beziehung.

Was aus den Medien erfahrbar wurde über den letzten Fall in Meran, lässt darauf schließen, dass die Ehe schon länger in Krise war. Bezeichnend ist, dass sie hierbei sich nicht helfen ließen und keine Beziehungsberatung in Anspruch genommen haben. Sogar der dümmste Mann hierzulande bringt sein Auto schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit zu einer Fachwerkstätte. Es wäre nicht zu viel verlangt in einer Gesellschaft, die sich als familienfreundlich bezeichnet, es als selbstverständlich zu betrachten, bei Eheproblemen eine/n Expert/in aufzusuchen. In das Bild des Mannes passt es nicht, sich um Kinder oder Gefühle zu kümmern. Das wurde seit Generationen schon an die Frau delegiert. Wenn’s brennt, kommt denn auch am ehesten die Frau bzw. Mutter in die Beratung.

Es ist mehr als einleuchtend, dass eine funktionierende Liebesbeziehung der Eltern den Grundstock der Familie ausmacht. Aber leider fühlt man sich immer noch als „verrückt“, wenn man/frau eine psychologische Beratung aufsucht. Das Bild „Bei uns alles in Ordnung!“ wird bis zuletzt aufrecht erhalten – auch wenn dann alles schon zu spät ist. Ob es sich dabei um Selbstmord, Mord oder Missbrauch handelt. Die Kirche muss im Dorf bleiben!

Dass in einem bestimmten Medium, dessen Namen ich gar nicht nennen möchte, das Opfer fast schon als Schuldige hingestellt wird, weil sie anscheinend eine Affäre mit einem anderen Mann hatte, zeigt auf, welch weiten Weg wir als Gesellschaft noch vor uns haben! Sowohl ein Mann als auch eine Frau haben das Recht, selbst zu entscheiden, mit wem sie zusammen sein möchten. Das gibt keinem Menschen einen Freibrief, einen anderen dafür zu töten – und damit Kindern im Grunde zu Waisen zu machen.

So sehr es auch schmerzen mag, betrogen oder stehen gelassen zu werden, so sollten jede/r so gut erzogen worden sein von der ganzen Gesellschaft und den medialen Vorbildern, dass er rational und emotional angemessen reagieren kann. Es wäre ihm zugestanden, zornig zu sein, seine Frau nun stehen zu lassen und entsprechende Schritte einzuleiten.

Aber was sollen wir uns schon erwarten von Männern in einer Gesellschaft, in der sie nicht mal ihrem besten Freund erzählen, wie es ihnen wirklich geht? Lieber ein paar Bierchen runter schütten und künstlich lachen in der Bar, so, als wäre die Welt in Ordnung!

Mander, es isch Zeit, dass enk enkre Gefühle unschaugs und drüber red’s!“

 

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