Blog vom Frauenmuseum Il Blog del Museo delle Donne
Frauenmuseum | Museo delle donne

Stell dir vor: Eine Welt, in der Frauen gleichberechtigt sind!

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Ein Portikus aus vier klassisch-griechischen Säulen mit korinthischen Kapitellen bildet den Eingangsbereich eines herrschaftlich aussehenden Hauses. Die Aufschrift „Clarendon Terrace“ bestätigt, dass wir vor dem Frauenmuseum stehen. Auf unser Läuten hin öffnet uns Penelope Lee, die Vorstandsdirektorin des HerPlace Museums.

HerPlace Museum
HerPlace Museum/Melbourne

HerPlace Museum
210 Clarendon Street
East MELBOURNE
AUSTRALIEN

Die wunderschöne Fassade verliert angesichts der inneren Gegebenheiten etwas an Glanz, wenn Lee erklärt:
„Wir sind sehr froh über dieses Gebäude, das wir 2018/19 von der Regierung des Bundesstaates Victoria für 8 Jahre zur Nutzung bekamen. Wir sehen es allerdings nur als Zwischenlösung, denn das Problem ist die Zugänglichkeit. Es wurde nicht für den Zweck errichtet, ein Museum zu beherbergen. Aber wir haben nun einen öffentlichen Raum für Veranstaltungen, Vorträge und  diverse Aktivitäten und die Gelegenheit, die für Ausstellungen benötigten Sachen zu lagern. Früher überfluteten diese sämtliche Büros der Mitfrauen. Von dort aus verfrachteten wir die Objekte für Ausstellungen in Trucks – und los ging’s , zu den Menschen in den Regionen. Derzeit können wir uns keine Dauerausstellung leisten, weil das Geld fehlt. Fundraising ist ständig ein Thema.“

Obwohl nur als Interimslösung gedacht, führt Lee uns sogleich in ein Zimmer, das an die Zukunft glauben lässt: „Diesen Raum wollen wir in eine feministische Kinderbücherei verwandeln.“ Eine großartige Idee, von der ich das erste Mal in einem Frauenmuseum höre. Um langfristig etwas zu verändern ist es am besten, bei den Kindern, bei der nächsten Generation, anzusetzen.

„Es war auch nicht leicht, die Regierung von der Wichtigkeit eines Frauenmuseums zu überzeugen“, setzt Lee fort. Wie lässt sich das bewerkstelligen? Wie erreicht man das Publikum und weckt Interesse bei den Menschen? Ein erfolgreicher Ansatz ist, an der Basis anzusetzen und alle Frauen mit einzubeziehen, d.h. mit den Gemeinden und der Bevölkerung zu arbeiten. Mit den Ausstellungstrucks verfolgt das Frauenmuseum von Beginn an dieses Konzept.

Als weiteres Beispiel dienen die verbliebenen Reste einer Ausstellung im 2. Stock. In Videos erzählen Frauen aus unterschiedlichen Communities über ihren Werdegang, über ihre Arbeit und was sie damit für ihre Gemeinden erreichen bzw. noch erreichen wollen. „Bewusst wurden ganz gewöhnliche Frauen ausgewählt, um zu zeigen, dass es sich nicht um abgehobene Elitefrauen handelt, sondern um Leute wie dich und mich“,  bestätigt Lee. Linda Burney – Lehrerin, Ruby Tribe – Krankenschwester, Alma Thorpe aus dem Gesundheitsbereich, alle 3 Aboriginal Frauen (*1). Gespannt lausche ich ihren Geschichten und wie sie zur Verbesserung der Lebensbedingungen in ihren Gemeinschaften beitragen. Es freut mich, dass ich in den Videos Frauen der First Nation begegnen kann. Außerdem wird deutlich, dass sich das Bekenntnis bzgl. der Anerkennung und des Respekts gegenüber den Aboriginal People, das am Ende jedes Folders im Kleingedruckten zu lesen ist, nicht in einer womöglich halbherzigen Floskel erschöpft, die gerade gesellschaftlich en vogue ist, sondern in der Museumsarbeit einen ernsthaften Ausdruck findet.

„Wohin du auch gehst, nimm eine Frau mit.“

Gloria Steinem (*1934), amerikan. Journalistin und Feministin

Dieses Zitat von Gloria Steinem erinnert an das Grundprinzip, das Frauenmuseen generell auszeichnet, nämlich Frauensolidarität im Sinne von: Frauen unterstützen Frauen, fördern und helfen sich gegenseitig. Ein überzeugendes Beispiel findet es in der Ausstellung über „25 Jahre Emily’s List in Australien“.

Ausstellung: 25 Jahre Emily’s List

Was steckt dahinter?
Um mehr Frauen in die Politik zu bringen, starten Politikerinnen der Labour Party 1996 ein progressives Netzwerk. Eine ihrer Mitbegründerinnen, July Gillard, die 1. Frau Australiens, die das Land als Premierministerin führt (2010 – 2013), wird noch in einer weiteren wichtigen Angelegenheit präsentiert: im Kampf gegen Frauenfeindlichkeit und -hass. Welch beeindruckende Persönlichkeit sie dabei darstellt, erlebe ich in einem Video. In ihrer „Rede gegen Misogynie“ wendet sie sich in direkter Konfrontation an einen Politikerkollegen, der sie immer wieder in Parlamentssitzungen mit frauenfeindlichen Äußerungen konfrontiert.
Ein großartiges Beispiel einer intelligenten Frau, die sich die Stimme nicht verbieten lässt. Es ist herrlich zu beobachten, wie die anfangs spöttische Mimik des Beschuldigten mit jeder weiteren Äußerung Gillards nach und nach erstarrt. Dem Eindruck nach möchte er am liebsten im Erdboden versinken. Sie müssen nicht ins Frauenmuseum nach Melbourne reisen, um sich an der grandiosen Rede zu erfreuen, es geht ganz ohne Aufwand via YouTube. Hören Sie es sich an! Große Empfehlung!

 

„Jeder Mann, der sich nicht klar von den Frauenhassern distanziert, gehört dazu.
Jeder Mann, der tatenlos zusieht, wenn Frauen benachteiligt, belästigt oder misshandelt werden, macht sich mitschuldig.
Jede Frau, die nicht solidarisch mit einer benachteiligten, beleidigten oder bedrohten Frau ist, spielt das Spiel der Frauenhasser. Frauenhass darf nicht länger salonfähig sein. Denn Frauenhass ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

EMMA, 1992

 

Blick ins Innere des HerPlace Museums

 So kämpferisch, bestimmt und leidenschaftlich wie Gillard, erlebe ich auch die Arbeit des HerPlace Museums vor Ort. Die Anregung des Imagefilms, der im Foyer des Frauenmuseums läuft – „Stellen Sie sich vor: Eine Welt, in der Frauen gleichberechtigt sind!“ – fasst gut zusammen, von welchem Geist die Arbeit der Museumsfrauen getragen wird. Mit der Überzeugung, dass die Gleichstellung der Geschlechter die Grundlage für weniger Gewalt an Frauen ist, arbeiten sie daran, gängige Haltungen und Einstellungen über Frauen herauszufordern. Indem sie die laufenden gesellschaftlichen Debatten aufgreifen und sich in den Diskurs einmischen, stoßen sie Veränderungen an. Sie arbeiten am Puls der Zeit, denn – wie sie selbst formulieren:

SICHTBARKEIT bedeutet MACHT, STIMME, INSPIRATION, RESPEKT

 

(*1): korrekte Bezeichnung für die Ureinwohner:nnen: Indigenous people/First Nation/Aboriginal people

 

Marianne Wimmer

FrauenMuseumSammlerin

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