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Das Leben ist wie ein Fahrrad

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Unsere Frau des Monats September: Ingrid Facchinelli

In der frauenpolitisch bewegten Zeit der 90er Jahre hat Ingrid Facchinelli das Bozner Frauenarchiv mitbegründet. Im Interview erzählt sie, warum Archivarbeit nichts Verstaubtes an sich hat und wie sie zu einer der ersten Biersommeliére in Südtirol wurde.

Du bist Mitbegründerin und im Vorstand des Frauenarchivs Bozen. Hast du dich als Historikerin schon immer für Frauen- und Geschlechtergeschichte interessiert?

Als Frau war für mich die Auseinandersetzung mit feministischen Themen schon immer von großer Bedeutung. Als junge Heranwachsende, auf der Suche nach mir selbst, stellte ich mir die Frage um die Einordnung meiner selbst in anscheinend unüberwindbare Geschlechterrollen – mit Anpassung konnte ich schlecht leben – es war mir einfach zuwider nach Schemata handeln zu müssen, die unhinterfragt verlangt wurden. Ich war rebellisch und wollte frei sein als Mensch, nicht eingeengt vom Korsett unreflektierter Traditionen und der damals anscheinend unreflektierbaren Heteronormativität.

Das Studium der Geschichte begann ich erst in „fortgeschrittenem“ Alter, da hatte ich eine knapp 10jährige Berufserfahrung als Erzieherin und aufregende Reisen von jeweils mehreren Monaten nach Südamerika, Afrika und Australien hinter mir.

Das war Ende der 90er Jahre und es war eine bewegte Zeit, in der die Diskussion um Frauenfragen, um Feminismus und um Geschlechtergerechtigkeit lautstark geführt wurde. In diese Zeit fiel auch die Gründung des Frauenarchivs Bozen.

Wie kam es zur Gründung des Frauenarchivs?

Nicht nur an den Universitäten erfuhr die Frauen- und Geschlechterforschung starken Aufwind, auch in der Politik wurden Frauenfragen und Geschlechtergerechtigkeit öffentlich diskutiert und Forderungen gestellt. In diesem Kontext, in diese, in meiner Wahrnehmung besonders feministisch bewegte Zeit, fiel die Gründung des Frauenarchivs Bozen. Es hat mich damals sehr gefreut, als Gründungsfrau dabei sein zu dürfen, zum Entstehen dieser nach wie vor wichtigen Einrichtung beitragen zu können. Inzwischen sind achtzehn Jahre vergangen und ich bin noch immer im Vorstand des Vereins. Die Diskussion um Frauen- bzw. Genderfragen wird nicht mehr so laut geführt, die politische Situation hat sich verändert, der Wind bläst uns wieder etwas rauer entgegen. Aber gerade deshalb ist es wichtig weiter zu machen, um Erreichtes nicht wieder zu verlieren und um weiter für Diskussion zu sorgen. Das macht ja auch das Frauenmuseum und das ist natürlich verbindend.

Mit dem Frauenmuseum verbindet mich darüber hinaus auch eine Aktion, die wir als autonome Frauengruppe veranlasst haben. Wir haben im Eingangsbereich des Museums eine Bronzefigur installieren dürfen als Zeichen und Mahnmal gegen Gewalt an Frauen.

Im Frauenmuseum
Du hast eine Leidenschaft für Archivarbeit, was normalerweise als eine eher verstaubte Arbeit im Hintergrund gesehen wird, richtig? Was fasziniert dich am Stöbern in alten Briefen, Dokumenten, Hinterlassenschaften…?

Seit fast 15 Jahren bin ich freiberuflich als Archivarin tätig und habe in dieser Zeit viele spannende Einblicke in unterschiedlichste Bestände bekommen. Die Bearbeitung eines Archivs ist wie ein Eintauchen in einen Mikrokosmos, in Sphären eines Menschen, einer Institution, das einem sonst in einer solchen Tiefe nicht gewährt wird. Die Auseinandersetzung mit dem, was für jemanden wichtig war, sich hineinlesen in das, was Menschen bewegt hat und wie diese gelebt haben – ich empfinde das als Privileg. Es ist da nichts Verstaubtes – abgesehen vom tatsächlichen Staub auf Dokumenten, die über Jahrzehnte oder Jahrhunderte irgendwo unbeachtet gelegen haben. Ich empfinde es als bereichernd, mich jemanden über dessen Nachlass nähern zu dürfen und daraus Erkenntnisse für mich als Mensch und natürlich auch als Historikerin gewinnen zu dürfen.

Und was machst du sonst noch?

Mein letztes berufliches Abenteuer ist übrigens die Gründung der FAIN MEDIA Gmbh, eine Film- und Medienproduktionsfirma die ich vor knapp einem Jahr, gemeinsam mit zwei Freundinnen gegründet habe. Zur Zeit arbeiten wir an einem Filmprojekt über Kloster Säben und auch eine Publikation ist schon im entstehen.

Seit 2016 zählst du zu den wenigen Biersommelière in Südtirol. Braust du auch selbst?

Eigentlich war es ein Zufall, dass ich zum Bier gekommen bin und zwar – es mag absurd klingen – in der Südtiroler Weinakademie, wo ich aushilfsweise mitgearbeitet habe. In dieser Zeit wurde der erste Ausbildungslehrgang zum „Bier-Expert“ organisiert und so kam es zur Begegnung mit der faszinierenden Welt der Biere. Daraufhin habe ich die Ausbildung zur Biersommelière in München und Rimini absolviert und mit dem nötigen Know-how organisiere ich bis heute Verkostungen und eben die Ausbildung zum „Bier-Expert“ für die jetzt auch Südtiroler Bierakademie! Meine Passion gilt der Sensorik, also der sensorischen Beurteilung von Bier und dem komplexen Thema der Anpassung von Bier an Speisen. Das Brauen überlasse ich anderen!

Im März wurdest du Vize-Italienmeisterin der Biersommeliers und hast dich damit für die Teilnahme an der Biersommelier-Weltmeisterschaft qualifiziert gratuliere! Nimmst du die Bierwelt noch als Männerdomäne wahr?

Danke, ich hab mich wirklich sehr über diesen zweiten Platz gefreut und noch mehr darüber, dass eine Frau vor mir als Erstplatzierte den Titel gewann. Insgesamt ist die Bierwelt tatsächlich noch recht männerlastig, auch wenn sehr viele Frauen die Vielfalt der Biere für sich entdecken. Durch die vielen kleinen Brauereien, die zurzeit entstehen, wird erst langsam ersichtlich, wie vielschichtig, wie breit das aromatische Spektrum von Bier ist. Die Bierkultur ist eine junge, aufstrebende. Das Klischee des Maßkrug stämmenden Muskelmannes ist größtenteils überwunden, es geht vielmehr um Genuss und um die Kunst des Genießens und da sehe ich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

Bleibt neben deinem gesellschaftspolitischen Engagement, deinem Interesse für Bier, deiner Arbeit noch Zeit für andere Interessen?

Ich treibe sehr gerne Sport – Radfahren ist eine Leidenschaft, die mir mein Vater mitgegeben hat. Anstatt eines heiß ersehnten „Ciao“ hat er mir zu meinem 14. Geburtstag ein Rennrad geschenkt. Seitdem gehört Radfahren zu meinem liebsten Hobby. Früher war ich auch sehr viel in den Bergen unterwegs. Dafür hab ich aber leider nur mehr wenig Zeit, denn vor zwei Jahren hab ich eine neue Herausforderung angenommen, seitdem segle ich mit einem Frauenteam! Wir trainieren einigermaßen regelmäßig, um uns fit zu halten! Höhepunkt im Segeljahr ist dann die Teilnahme an der „Brennercom Sailing Week“ in Kroatien. Wir, sieben Frauen, segeln dann gegen eine fast ausschließlich männliche Konkurrenz. Es macht unglaublich viel Spaß alle Herausforderungen, die so eine Segelwoche mit sich bringt, gemeinsam als Team zu meistern.

Welche Lebensweisheit hast du im letzten Jahr gewonnen?

Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärts bewegen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. (Albert Einstein)

Wen bewunderst du?

All jene, die mutig ihren Weg gehen, auch abseits vom Mainstream.

Was ist für dich Erfolg?

Sich treu sein und Positives bewegen.

Dein Lebensmotto?

Neugierig sein, keine Angst vor Herausforderungen haben, Neues wagen und den Menschen mit Respekt begegnen.

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