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„Die Arbeit als Hebamme war für mich immer meine Berufung“

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Birth Cultures – Geburtskulturen ist ein EU-Projekt von 2019-2022, das zu einer Reise durch Geschichten und Traditionen rund um Geburt und Mutterschaft einlädt. Eine große Wanderausstellung dazu tourt durch Europa und ist ab Dezember 2021 im Frauenmuseum in Meran zu sehen. Kommt vorbei – neben der Ausstellung erwartet euch auch ein vielfältiges Rahmenprogramm.

Im Rahmen diese Projektes möchten wir euch heute die freiberufliche Hebamme Burgi Künig vor. Unter anderem erzählt sie uns wie sie zu ihrem Beruf gefunden hat und was es mit der gestrickten Gebärmutter auf sich hat, welche in der Dauerausstellung im Frauenmuseum zu sehen ist.

Erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrer Person.

Mein Name ist Burgi Künig, ich bin Hebamme, komme aus dem Ahrntal im Pustertal, und bin  in Dietenheim aufgewachsen.  Bin verheiratet,  habe 2 Kinder und vier Enkel zwischen 10 und 22 Jahren. Heuer bin ich 47 Jahren als Hebamme tätig.

Wie haben Sie zum Hebammenberuf gefunden?

Wenn wir unser Leben als ein Puzzle sehen, dann muss ich gestehen, dass mir genau dieses Puzzleteil fehlt. Sicherlich hat es mit meiner Mutter zu tun, die kein einfaches Leben hatte und die neun Kinder geboren hat. Ich selbst bin das siebte Kind. Ich persönlich hatte immer schon einen sehr ausgeprägten Helferinstinkt und meiner Mutter zu helfen war mir stets wichtig. Zu meiner Zeit war Voraussetzung das Krankenpflegediplom zu besitzen, um Hebamme zu werden. Ich habe diese Prüfung gemacht, bin dann 1970 nach Bozen in die Hebammenschule, die zwei Jahre gedauert hat. Zuerst war ich als Krankenpflegerin bei der Geburtshilfe tätig. Nach den zwei Jahren Spezialisierung begann ich meine Arbeit in Brixen.

Burgi Künig vor der Vitrine mit der gestrickten Gebärmutter.

Es gab zu jener Zeit einerseits die Geburten im Krankenhaus. Wie war die Situation mit den Hausgeburten?

Die direkte Auseinandersetzung mit Hausgeburten ist bei mir eigentlich viel später aufgekommen. Erst nachdem ich bereits zwanzig Jahre gearbeitet hatte sind viele Gemeindehebammen in Pension gegangen, dann kam die Nachricht, dass neue Hebammen im Sprengel benötigt werden. Zur Arbeit gehörten einige Stunden im Ambulatorium und die Hausgeburten. Ich war dann im ganzen Land unterwegs, von Ritten bis nach Salurn, und habe dort Geburtsvorbereitungskurse gegeben und die Beratungsstellen besetzt. Teilweise habe sich dann auch Frauen gemeldet, die im Krankenhaus keine guten Erfahrungen gemacht haben oder auch welche die bereits eine Hausgeburt hinter sich hatten und von mir betreut werden wollten. Ich habe die Arbeit aber nie als eine Überbelastung gesehen, auch wenn es oft sehr fordernd war. Viele der Hebammen die schon länger tätig waren, haben dann auch Frauen an mich weitervermittelt. So bin ich in das Thema der Hausgeburten reingerutscht. Dies habe ich dann zwei Jahre lang so gemacht. Damals war es noch so, dass man als verheiratete Frau mit 20 Arbeitsjahren in Pension gehen konnte und was ich auch wahrnahm. Ich habe dann als Freiberuflerin angefangen zu arbeiten, teilweise auch in Kliniken.

Wie vielen Kindern haben Sie bereits auf die Welt geholfen?

Die genau Anzahl weiß ich nicht und ist mir auch nicht besonders wichtig, aber schätzungsweise waren es sicherlich einige tausende Kindern denen ich auf die Welt geholfen habe. Während meiner Zeit im Krankenhaus waren es an die 2000 Kinder.

Welche Herausforderungen begegnen Sie in Ihrem Beruf? Gab es schwierige Situationen?

Schwierige Situationen gehören zum Hebammenberuf dazu und kommen auch vor, genauso wie schöne Situationen. Für einen Notfall ersten Grades bin ich ausgerüstet. Ärzte sind bei Hausgeburten nicht dabei, diese sind für die Frauen nur im Krankenhaus erreichbar.
Es gibt auch schlimme Erlebnisse, wie Totgeburten, wie sie manchmal im Krankenhaus vorkamen. Diese schicksalhaften Zwischenfälle werden wir leider nie in den Griff bekommen, auch wenn man noch so engmaschige Arztbesuche vornimmt. Risiken gibt es aber in jeder Lebenssituation.
Früher war die Hebamme nach dem Pfarrer die wichtigste Person im Dorf war. Auch heute noch werden wir von den Frauen auch nach der Geburt sehr gebraucht. Wir als Hebammen sind zuständig für die gesunde Frau, die physiologische Schwangerschaft/Geburt und das Kind bis zu drei Jahren. Durch das Vertrauensverhältnis das zwischen Hebamme und Frau entsteht, werden auch zu späteren Zeitpunkten gerne Tipps bei uns geholt.

Hat sich Ihr Beruf in den letzten Jahren verändert? Sollte man den Beruf mehr aufwerten?

Es ist kurios zu sehen, dass sich an der Art und Weise wie ein neuer Mensch auf die Welt kommt bis heute nichts geändert hat. Lediglich der Umgang damit hat sich geändert. Früher sagte man, die Frau „ist in der Hoffnung“ als sie schwanger war, was ein  sehr vielversprechendes und positives Wort ist. Heute hört man das Wort Risiko immer wieder im Zusammenhang mit der Schwangerschaft und Geburt. Frauen werden heutzutage oft übersättigt von Infos und „soll-Maßnahmen“, von Lektüren oder Recherchen im Internet. Die Angst spielt heute eine sehr große Rolle, die Geburt wurde beinahe zu einem Business. Die Frau konsultiert sehr viel den Arzt. Manchmal rate ich Frauen die nächste Arztvisite ausfallen zu lassen, weil alles passt, jedoch bleibt sie immer skeptisch und hat Angst ihrem Baby damit etwas Schlechtes zu tun. Angst macht abhängig.
Insgesamt kann gesagt werden, dass die Schwangerschaft heute nicht mehr so locker genommen wie einst. Es ist sehr schade, dass die selbst bestimmten Frauen fehlen, die einfach auf ihren Körper und ihr Gefühl hören und nicht so sehr was andere sagen. Meist ist das, was der Arzt sagt höchstes Gesetz für die Frauen.
Nach außen scheint es oft, als ob zwischen uns Hebammen und den Ärzten eine Art Spannung bestehen würde. Klarerweise sind wir die sogenannten Beschützerinnen des Stillens und der Geburt und der Arzt ist derjenige der alles kontrolliert.
Die Geburt ist eigentlich etwas, das der Körper von alleine hinbekommt und die Erfahrung zeigt, dass je mehr man eine werdende Mutter alleine machen lässt während der Geburt, umso besser geht es.

 Sind junge Frauen heute gut informiert über diese Möglichkeiten der Geburt?

Die Hausgeburt wird heute oft beinahe als etwas „Exotisches“ angesehen. Früher wussten Frauen zwar weniger über ihren Körper aber hatten einen gesunden Hausverstand und auch eine gesunde Ignoranz. Auch Verluste sind hingenommen worden, dies gehörte einfach auch zum Leben dazu.

Gibt es heute noch Frauen, die sich für diesen Beruf ausbilden lassen?

Die Hebammenschulen sind meines Wissens nach gut besetzt, jedoch ist die Art und Weise wie die Arbeit von jungen Frauen verrichtet wird, etwas anders. Ich arbeite indem ich jederzeit erreichbar bin und mache auch so einige Überstunden, dies ist für viele nicht möglich, da sie auch selbst Mütter sind. Die Arbeit als Hebamme war für mich immer meine Berufung.

 Wie schaut es mit den werdenden Vätern aus?

Ich selbst sage den künftigen Eltern immer ganz ehrlich, dass eben nicht jeder Mann „Kreissaal-tauglich“ ist, was auch überhaupt nicht schlimm ist! Für viele Männer ist es auch sehr belastend ihre Frau in diesem Zustand im Krankenhaus zu sehen. Ihnen soll da auch die Freiheit gelassen werden darüber zu entscheiden, ob sie mit in den Kreissaal wollen oder nicht. Die meisten möchten aber anwesend sein. Eigentlich hat es erst in den 80er Jahren begonnen, dass die Männer bei der Geburt dabei waren. Die Präsenz des Mannes gibt der Frau auch eine gewisse Sicherheit, da das Umfeld eines Krankenhauses auch etwas Neues und somit Befremdliches sein kann.

Früher wurden Frauen oft gesegnet vor der Geburt, da sie als schuldbehaftet galten. Wie ist heute das Verhältnis mit der Kirche?

Manche ältere Frauen erzählen heute noch von der Situation, dass sie als Frau im Wochenbett die Vorratskammer nicht betreten durfte, sie durfte keine Lebensmittel berühren, da die Frau als unrein galt. Der Pfarrer kam auch zu den werdenden Eltern nach Hause und führte, wenn nötig Nottaufen durch. Dabei wurde oft das Weihwasser anhand von kleinen Plastikröhrchen in die Mutter, die das Kind noch in sich trug, eingeführt wurde. Dies konnte auch zu Infektionen bis hin zum Tod der Frau führen.
Früher wurden Hebammen sogar auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wenn sie es schafften mit ihren Techniken eine Frau oder auch das Kind zu retten. Sie wurden der Hexerei beschuldigt.

 Erzählen Sie uns von der gestrickten Gebärmutter? Wofür verwenden Sie diese?

Die gestrickte Gebärmutter verwende ich bei Geburtsvorbereitungskursen. So kann man den Frauen, und natürlich auch den Männern, genau erklären was im Körper vorgeht und wieso es sein kann, dass sie hie und da während der Schwangerschaft einen kleinen Schmerz verspüren. So kann man sich alles besser vorstellen. Auch einen gestrickten Beckenboden habe ich selbst angefertigt.
Ich war sogar in Schulen unterwegs um den Schüler*innen zu erklären was bei einer Schwangerschaft mit dem Körper passiert.

 

Interview: Sissi Prader und Nicole Bergamo

 

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