Unsere Frau des Monats im Mai ist Irene Vieider, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Ich heiße Irene Vieider, bin 1955 in Tiers geboren und immer noch dort wohnhaft. Ich besuchte in Tiers die Grundschule, in Bozen die Mittelschule und in Meran die Lehrerbildungsanstalt. Nach der Matura begann ich gleich mit dem Unterrichten. Als Werkstudentin studierte ich berufsbegleitend an der Universität Innsbruck Mathematik. Ich bin – wie man so schön sagt – alleinstehend, habe natürlich dennoch Familie. Ich bin den Familien meiner Geschwister, meinen Neffen und meiner Nichte und ihren Kindern sehr verbunden.
Du warst viele Jahre im Lehrberuf und hast auch innerhalb der Schule „Karriere“ gemacht. Konntest du dort einiges bewegen, was dir ein Herzensanliegen war?
Ich habe 16 Jahre lang mit großer Freude unterrichtet: zuerst an der Mittelschule in Dorf Tirol und am Sandplatz in Meran und dann 10 Jahre lang an der Mittelschule Blumau. In Blumau war ich einige Jahre auch Leiterin der Schulstelle, solange diese eine Außenstelle der Mittelschule „Albin Egger Lienz“ in Bozen war. Als 1988 ein Wettbewerb für Schulführungskräfte ausgeschrieben wurde, haben mich einige Kollegen*innen ermuntert, an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Ich war dann 17 Jahre lang Schuldirektorin, zuerst jeweils ein Jahr an der Mittelschule Ulten und an der Mittelschule Ritten, dann 15 Jahre lang an der Mittelschule Kastelruth, die 2001 mit den Grundschulen des Schlerngebiets zum Schulsprengel Schlern vereint wurde.
In allen meinen schulischen Arbeitsbereichen waren mir eine klare und nachvollziehbare Organisation, eine verständliche Kommunikation, das ausgewogene Beachten der Bedürfnisse der verschiedenen Partner*innen in der Schulgemeinschaft wichtig. Wenn ein positives Herangehen an Neues, die Freude am lebenslangen Lernen, die Erfahrung, dass man gemeinsam Schwierigkeiten leichter bewältigen kann, der Respekt und die Wertschätzung für unterschiedliche Fähigkeiten und Herangehensweisen durch meine Art des Arbeitens bei Menschen, mit denen ich in dieser Zeit unterwegs war, geblieben sind, freut mich das sehr.
Deine weitere berufliche Stationen war die Landesmusikschuldirektion. Wie kam es dazu und was hat dich dazu bewogen in den Bereich der Musikerziehung zu gehen?
Neben der Mathematik war immer auch die Musik eines meiner Lieblingsfächer. Ich habe an der LBA und später dann auch privat Klavier- und Orgelunterricht genommen: Ich bin in Tiers Organistin und Mitglied im Kirchenchor und leite über 30 Jahre eine Frauensinggruppe.
Nach 33 Jahren Arbeit in der Mittelschule spürte ich sozusagen gegen Ende meines beruflichen Lebens den Wunsch nach Veränderung. So habe ich 2006 am Wettbewerb für Stellen als Landesmusikschuldirektor*in teilgenommen und dieses Amt dann 9 Jahre lang bekleidet. Es war für mich eine große Bereicherung, die Musikschulen als besonderen Teil des Bildungssystems mitgestalten zu dürfen. Damals standen große Veränderungen vor allem in der Organisation des Systems an. Ich durfte viele engagierte Menschen kennenlernen, denen die musikalische Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sehr am Herzen lag.
Du hast dich in deinem Heimatdorf vielfach ehrenamtlich engagiert und auch im Gemeinderat mitgearbeitet.
Ja, meine Mutter hat öfters gesagt, die „Vereinsmeierei“ hätte ich von meinem früh verstorbenen Vater geerbt. Ich bin vor allem im kirchlichen Bereich und Bildungsbereich tätig: anfangs in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, dann auch im Pfarrgemeinderat und in den letzten Jahren als Verantwortliche für Liturgie im Pastoralteam und als Leiterin von Wortgottesfeiern. Zudem leite ich seit 40 Jahren den Bildungsausschuss Tiers, der die Aktivitäten der vielen Tierser Vereine koordiniert und selbst Akzente im Bildungsbereich setzt.
Sowohl in der kirchlichen wie auch in der politischen Arbeit ist es wichtig, dass Frauen und Männer in einem ausgewogenen Verhältnis und auf Augenhöhe gleichberechtigt zusammenarbeiten, ihre Sichtweisen und speziellen Fähigkeiten einbringen können, um so zu Entscheidungen zu kommen, die dem Gemeinwohl dienen.
Was gibt dir Kraft und welchen Ausgleich holst du dir, um die vielen Herausforderungen und arbeiten anzunehmen und auszuführen?
Meine Kraftquellen sind das Beziehungsgeflecht, in dem ich stehe, in meiner Familie, in Kreis meiner Freundinnen und Freunde, in der Dorfgemeinschaft und der Glaube.
Gibt es auch Zeiten, wo du Hobbys pflegst und genießt?
Die gibt es auch. Ich lese sehr gerne, höre und mache Musik, ich wandere, reise und schätze gutes Essen in netter Gesellschaft. In letzter Zeit erhole ich zunehmend beim Lösen von anspruchsvollen Sudokus.
Letzthin wurdest du das dritte Mal ehrenamtlich als Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung bestätigt.
Was war deine Motivation in diese Bewegung dich zu engagieren?
Im Nachhinein betrachtet, ist mir dieses Amt einfach zugefallen. Ich war schon in meiner beruflichen Zeit Mitglied der Katholischen Frauenbewegung (kfb). Nach meiner Pensionierung standen im März 2016 die Neuwahlen des Diözesanvorstandes an. Es wurden Kandidatinnen gesucht und ich habe mich dafür gemeldet, weil ich mich auch auf diözesaner Ebene für die Frauenseelsorge einbringen wollte. Die Arbeit im Diözesanvorstand, mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen, der Kontakt zu den vielen engagierten Frauen in den Dekanaten und den Pfarreien sind für mich Ansporn, neue Formen kirchlichen Lebens zu gestalten und Glaubensgemeinschaft als Lebenshilfe erfahrbar zu machen.
Frauen in der Kirche und in der Gesellschaft sind dir ein Anliegen, kostet aber auch Ausdauer innerhalb der Kirche gehört zu werden?
„Lei net lugg lossn“ – ist einer meiner Sätze, die mir – auch wenn es einmal fast aussichtslos erscheint – immer wieder weiterhelfen. Und in tiefem Herzen vertraue ich darauf, dass Gottes Geistkraft wirkt, auch dann, wenn wir sie nicht unmittelbar spüren.
Deine Vorbilder und Lebensmotto!
Mein größtes Vorbild für eine positive Lebensgestaltung ist meine Mutter. Sie hat nach dem frühen Tod meines Vaters 1961 uns drei Kinder – wir waren damals sechs, fünf und zweieinhalb Jahre alt – ins Leben begleitet, uns allen drei den Besuch einer Oberschule ermöglicht, uns Bescheidenheit, Genügsamkeit und Gelassenheit vorgelebt und auch in den Widrigkeiten des Lebens ihren Humor nicht verloren. „Was bleibt sind die Begegnungen, nicht die Lehren“ habe ich einmal gelesen. Ja, Lernen und Leben gut gestalten, gelingt in achtsamer Begegnung mit sich selbst und anderen sicher besser.
Irene Vieider