Unsere Frau des Monats Juli ist Lulieta Hasani. Sie ist im Kosovo geboren und aufgewachsen und lebt seit 1995 in Südtirol. Sie arbeitet als pädagogische Mitarbeiterin für Integrationsprojekte, interkulturelle Mediatorin und Referentin für Kulturkurse für Migrant:innen bei der Urania Meran.
Kannst du dich kurz beschreiben?
Ich heiße Lulieta Hasani, bin im Kosovo geboren und aufgewachsen und meine Muttersprache ist Albanisch.
Ich bin in einer großen Familie mit viel Liebe aufgewachsen. Mein Vater war Lehrer und hat sein ganzes Leben lang an der Bildung vieler Generationen gearbeitet. Die Wichtigkeit der Bildung war auch in unserer Familie zu spüren. Meine Eltern arbeiteten hart dafür, dass wir sechs Kinder studieren konnten. Ich habe acht Semester an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Prishtina studiert. Leider habe ich es nicht geschafft, meinen Abschluss zu machen.
Es war in den 90er Jahren, als im ehemaligen Jugoslawien der schreckliche Krieg begann und ein Leben in der Heimat fast unmöglich wurde. Also habe ich 1995 mit meiner Familie den Weg der Migration eingeschlagen. Durch eine soziale Verbindung sind wir direkt nach Südtirol – genauer gesagt in den Vinschgau – gekommen. Es war damals sehr interessant für mich, dass man in eine Region in Italien einwandert, in der Deutsch gesprochen wird. Dass es im Norden Italiens eine deutschsprachige Provinz gibt, war mir damals unbekannt. Drei Wochen nach meiner Ankunft in Südtirol habe ich angefangen, in der Gastronomie zu arbeiten. Ich hatte großes Glück, dort auf Menschen zu treffen, die mir mit Respekt begegnet sind und mir mit viel Geduld die deutsche Sprache vermittelt haben. Ich bin besonders einer Frau, die dort mit mir gearbeitet hat, zu großem Dank verpflichtet. Das ist Lydia Oberhofer, meine erste liebe und geduldige „Deutschlehrerin“.
Heute bin ich Mutter von drei Kindern, auf die ich sehr stolz bin.
Was machst du derzeit beruflich?
Ich arbeite als pädagogische Mitarbeiterin im Projekt SAI-BZG Vinschgau (ein Schutzsystem für Asylbewerber:innen und anerkannte Flüchtlinge) sowie als interkulturelle Mediatorin für albanische und bosnische Sprache. Außerdem bin ich Referentin für Kultur- und Gesellschaftskurse für Migrant:innen bei der Urania Meran.
Ich weiß, dass du kulturelle Vermittlerin bist. Was bedeutet das für dich?
Kulturelle Vermittlerin bin ich gerne, weil ich selbst Migrantin bin und aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig die erste Zeit in einem neuen Land für Migrant:innen ist. Die Gründe für Emigration sind oft tiefgreifender Natur. Es geht häufig nicht nur um den Wunsch nach einem besseren Lebensstandard, sondern sehr oft um existenzielle Gründe, wie z.B. Krieg, politische Verfolgung, finanzielles Überleben und vieles mehr. Seit 2023 sind Migrant:innen in Südtirol für die Beantragung des Landesfamiliengeldes dazu verpflichtet, Sprach- und Kulturkenntnisse nachzuweisen. In diesem Feld bin ich als Referentin für „Lokale Gesellschaft und Kultur“ tätig.
Wie bist du zu diesem Beruf gekommen?
Eine inzwischen gute Freundin von mir (W.P.) war die treibende Kraft auf diesem neuen Berufsweg. Sie hat mir gezeigt, welche Möglichkeiten ich habe und wo ich mich anmelden muss. Sie war mir behilflich bei allen Schritten, die notwendig waren, um zu diesen Anstellungen zu kommen. Sehr wichtig auf diesem Weg war die Anerkennung meines kosovarischen Maturadiploms, was mit sehr vielen bürokratischen Hürden verbunden war. Ein Meilenstein war für mich auch die Teilnahme an der Schulung für „Interkulturelle Mediation“ im Jahr 2012.
Welche Zukunftsvisionen hast du und was möchtest du verwirklichen?
Ich möchte auch weiterhin die Integration von Migrant:innen in Südtirol unterstützen, da ich der Meinung bin, dort eine sinnvolle Aufgabe mit vielen Erfolgserlebnissen zu haben. Außerdem bereitet mir diese Arbeit große Freude und es erfüllt mich mit Befriedigung, auf diesem Gebiet meinen Beitrag leisten zu können. Ich bilde mich stetig weiter und habe an verschiedenen Kursen und Schulungen teilgenommen. Besonders interessant fand ich die Weiterbildungen „Lokale Gesellschaft und Kultur“, „Systemische Beratungsmethoden im Interkulturellen Bereich“ und „Trauma und Flucht“.
Erzähl mir von anderen sozialen Engagements, an denen du teilnimmst, und was du gerne ändern möchtest.
Ich bin mit den verschiedenen Arbeitsprojekten meistens im sozialen Feld tätig. Besonders gerne besuche ich den „Interkulturellen Friedens-Dialog“, der von der Urania organisiert wird. Sozial engagiere ich mich besonders im Integrationsprojekt „Sensibilisierung für Frauen – Brot aus der Ferne“, mit dem Ziel, Botschafterin der eigenen Kultur zu werden.
Was ist dir besonders wichtig in deiner Arbeit?
Es ist mir sehr wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu meinen Klient aufzubauen und ihre Privatsphäre zu wahren. Beides ist wesentlich, um sie so gut wie möglich bei der Integration zu unterstützen. Sehr schön finde ich es zu sehen, wie z.B. Kinder aus dem Balkan mich freudestrahlend empfangen, wenn sie merken, dass ich ihre Muttersprache spreche.
Du hast aktiv am Projekt des Frauenmuseums und der Urania Meran „Das Brot aus der Ferne“ teilgenommen. Was hast du gemacht und welche Bedeutung hatte es für dich?
Bei diesem Projekt habe ich zwei verschiedene Brote gebacken: ein Polenta-Brot und ein Joghurt-Käse-Brot, beides klassische Brote aus dem Kosovo. Ich habe auch erzählt, dass man auf Albanisch „BUKE E KRIP E ZEMER“ sagt, was „Brot und Salz mit Herz“ bedeutet. Brot essen ist in unserer Kultur mit Freundschaft und Gastfreundschaft verbunden.
Welche Lebensweisheit hast du im letzten Jahr gewonnen?
Es hat sich für mich wieder gezeigt, dass man durch Freundlichkeit und Empathie viele neue Freundschaften gewinnen und Verbindungen zu Menschen aufbauen kann. Das erfüllt mich mit Befriedigung und Freude.
Gibt es eine Frau, die du bewunderst?
Um ehrlich zu sein, bewundere ich alle Frauen auf dieser Welt. Frauen werden auch heute noch sehr oft diskriminiert und kämpfen jeden Tag gegen eine ungerechte Welt. Die Stärke der Frauen ist für mich unumstritten und die Art und Weise, wie wir Frauen uns gegenseitig unterstützen, ist unglaublich inspirierend.
Lulieta Hasani