Vanessa Gómez-Salas Steinhäusl stellt uns heute in der Rubrik #leselust zwei spannende Bücher vor.
Weibliches Schreiben mit scharfem wütenden Blick
Anke Stellings „Schäfchen im Trockenen“ und Nina Lykkes „Alles wird gut“
Schon vor etwa 90 Jahren forderte Virginia Woolf in einem Vortrag, dass Schriftstellerinnen den Engel im Hause töten und endlich die Wahrheit über sich selbst und ihren Körper schreiben sollten. Sie meint damit natürlich den Ausbruch aus der vom Patriarchat eingeschränkten weiblichen Rolle als hochanständige Gattin und liebevolle Mutter. Damals kam das einer Revolution gleich. Inzwischen ist das zornige Anschreiben gegen die tradierten Rollen und gegen das verschämte Schweigen in den von Frauen verfassten literarischen Texten gang und gäbe. Weibliche Autorinnen sind laut geworden, selbstbewusst, ironisch, manchmal überspitzt, aber auch scharfsichtig, nicht ohne Mut zur Peinlichkeit und Unsicherheit. Noch immer werden diese Werke vor allem von männlichen Kritikern mit herablassender Geste als „Frauenliteratur“ bezeichnet, was schon eine qualitative Herabstufung bedeutet: von Frauen geschriebene Bücher, die dann wieder von Frauen gelesen werden. Während Frauen seit Jahrhunderten nichts anderes übrig blieb, als sich mit der männlichen Weltsicht und ihrem Blick auf das weibliche Geschlecht in deren literarischen Werken auseinanderzusetzen, gibt es zumindest das Vorurteil, dass Männer nicht gern von Frauen geschriebene Bücher lesen. Was weibliches Schreiben im heutigen Zeitgeist bedeutet, seine Sichtbarkeit in den Medien und im Literaturbetrieb, ist zunehmend Thema vieler Essays und Artikel. Ein komplexes und hochbrisantes Geflecht aus historischen Altlasten und zeitgenössischer Aufbruchsstimmung.