Unsere liebe Mamma Clara ist am 6. Februar 1928 in Seis, Gemeinde Kastelruth geboren. Sie erblickte als 8. Kind von 12 der Eltern Antonia Hatzis und Jakob Fill das Licht der Welt. Das winterliche Wetter war damals nicht besonders schön und angenehm, es schneite und „Joggl“, ihr Vater, musste für die bevorstehende Geburt zu Fuß die Hebamme aus Kastelruth holen, was nicht ganz einfach war, trotzdem kam die Mamma gesund und munter zur Welt.
Es war eine harte Zeit am Kreuzwegerhof in Seis. Harte Arbeit prägte ihre Kindheit.
Mit 6 Jahren, zur Zeit des Faschismus, in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts, besuchte sie die Volksschule in Seis, welche in der ihr damals noch fremden italienischen Sprache funktionierte. Clara war eine gute Schülerin und Mathematik war Zeit ihres Lebens ihre Stärke.
Oft musste sie, auch wegen der zuhause ärmlichen Verhältnisse, allerdings einiges an Spott von gewissen betuchteren Mitschülern aushalten, denn die Schuhe, welche sie tragen musste, waren ihr immer viel zu groß. Sie gehörten ja auch den Brüdern, und der Spruch einiger ihrer Mitschüler war dann „wenn die Schuhe der Clara in die Kirche kommen, geht sie erst über den Seiser-Platz“. Dies fand sie gar nicht lustig, die Zeiten waren eben hart und zu Hause musste sehr gespart werden.
Auch wenn sie es nur widerwillig akzeptierte, schickte ihr Vater sie mit elf Jahren, nach Lajen auf den Hof „zu Untertschutsch“ zum Arbeiten, anstatt in die Volksschule.
Dort musste sie schon morgens um fünf „Muas“ für den Bauer und die Knechte kochen, in einer großen und schweren Eisen-Pfanne, welche sie in ihrem kleinen Alter kaum vom Herd heben und zum Tisch zu bringen vermochte. Zu „Lichtmess“, im Februar, dem damaligen „Jahreszahltag“ für Knechte und Mägde, nach einem Jahr schwerer körperlicher Arbeit, auch auf den Feldern, konnte sie dann endlich nach Hause gehen. Ihr „Jahreslohn“ bestand in einem schäbigen, abgenutzten blauen Mantel, welchen die Bäuerin nicht mehr nutzen wollte. Den ganzen „Brembach“ entlang, zu Fuß nach Hause wandernd, flossen viele Tränen. Doch ihren Vater berührte dies kaum, denn er beantwortete ihre Klage nur mit einem Hinweis, sie hätte ja Essen und Unterkunft beim Bauer gehabt.
In den folgenden Jahren nahm Clara verschiedene Arbeitsstellen als Hausangestellte von Kaufleuten vor allem in Bozen an.
Als damals in den 40iger Jahren die Nazis über den Brenner kommend mit lautem Getöse samt Kriegsgerät in Bozen einmarschierten, bekam Clara große Angst. Ihr missfielen diese Szenen so sehr, dass sie wieder nach Hause zurückkehrte. Etwas später, kurz vor Kriegsende, fielen auch in Seis einige Bomben in der Nähe ihres Wohnortes und forderten einige Menschenleben. Diese Eindrücke und dieses Bild der Zerstörung des zweiten Weltkrieges hat sie tief beeindruckt und sie hat in ihren Erzählungen immer wieder darüber gesprochen.
Nach dem Krieg hat Clara dann mit ihrem angeborenen Ehrgeiz und Fleiß aus eigener Initiative eine Abendschule besucht, um wenigstens den Volksschulabschluss zu machen, was ihr auch gelang.
Anfangs der 50iger Jahre hat unsere Mamma dann in Klausen bei ihrer Schwester im Kalten Keller als Kellnerin gearbeitet und dort auch ihren Ferdinand kennengelernt, den sie 1954 heiratete. Eine glückliche Zeit nahm ihren Lauf.
Mit unserem Tata zusammen hat sie viele langjährige Freundschaften aufgebaut, gepflegt und gehegt. Oft waren diese Freunde, Bekannten und Verwandten bei uns zu Besuch und wurden von ihr bekocht und bewirtet. Viele Jahre glücklicher Ehe und eine Familie mit vier Kindern, Waltraud, Christian, Markus und Jutta bereicherten nun ihre weitere Zeit. Die ersten Ehejahre verbrachte sie mit ihrer Familie in Miete am “Lörgeterhof“, dann Anfang der 60iger Jahre konnte die Familie das Haus Richard in Trotz (St. Valentin) anmieten, um dort auch mit der Vermietung von Zimmern an Gäste zu beginnen.
Es begann damals ihre Zeit als „kleine Gastwirtin“. Mit viel Engagement und Liebe hat sie eine große Anzahl an Stammgästen aufgebaut. So verliefen die 70iger Jahre mit Frohsinn und Zufriedenheit. Viel Arbeit und wenig Urlaub prägten diese Zeit, doch an Glück und Freude fehlte es nicht.
Anfang der 80iger Jahre wurde die Zeit etwas getrübt, sie bekam samt Familie die Kündigung des Mietshauses und nun musste in relativ kurzer Zeit ein neues Zuhause gesucht werden. Es gab damals keine freien Sozialwohnungen in der Gemeinde Kastelruth, und auch der konservative Bürgermeister hatte jedwede Hilfe bei einer neuen Wohnungssuche unserem Vater und der Familie verweigert.
Dann fand Ferdinand, unser Vater, ein zum Kauf angebotenes, noch im Rohbau befindliches Haus in St. Konstantin-Völs, dessen Preis aber die kleinen bestehenden Geldreserven bei weitem überstieg. Eine sehr teure Kreditaufnahme zum Kauf wurde unerlässlich. Nächtelang haben Clara und Ferdinand damals gerechnet und gerechnet, ob sie es wohl schaffen werden das neue Heim in St. Konstantin bezahlen zu können, bei den damaligen Schuldzinssätzen von 25%.
Doch sie wagten dann erfolgreich diesen großen Schritt des Kaufs. Vor allem ihr Einsatz, ihr Bemühen und der eiserne Zusammenhalt in der Familie haben dazu beigetragen, die dann mit viel Eigenarbeit aller fertig gestellte „Pension Clara“ abzubezahlen. Beim Bau achtete Clara gewissenhaft an jedem Arbeitstag auf ein gutes „Halbmittag“ für alle mit der Fertigstellung des Hauses beschäftigten Bauarbeiter und für die rechtzeitige Begleichung aller damals offenen Rechnungen.
Dann kam der dunkelste Tag für unsere Mamma, der 17. Februar 1987, als ihr über alles geliebter Mann Ferdinand an den Folgen eines Autounfalles starb. Mit viel Kraft und Stärke hat sie diese schwierigen Jahre zusammen mit ihren Kindern gemeistert und sich für den erfolgreichen Erhalt des Hauses eingesetzt.
Mit vollem Einsatz und großer Liebe zum Kochen hat sie viele Gäste bewirtet und alle Freunde und Bekannten mit gutem Essen oder gutem Kuchen verwöhnt. Mit den Worten „Herzlichkeit und Offenheit“ wurde sie immer wieder beschrieben und sie bemühte sich bis zum letzten Tag Verwandte, Freunde und Bekannte zum Geburtstag anzurufen und ihnen zu gratulieren, auch wenn ihre Erinnerungsfähigkeit letzthin etwas nachließ und es sie auch ärgerte einen Namen oder ein Rezept vergessen zu haben.
Clara wollte nie zum Arzt gehen oder Medikamente nehmen und hoffte darauf, eines Tages einfach zu Hause einschlafen zu können. Dieser Wunsch ist ihr nun in Erfüllung gegangen, auch wenn es für uns Kinder überraschend war, weil wir ja noch am Sonntagabend, ihrem letzten Lebensabend, nach einem gemeinsamen Abendessen zusammen „gewattet“ haben.
Nun gönnen wir ihr aber die immerwährende Ruhe und den ewigen Frieden. Wir hoffen, dass sie nun bei ihrem lieben Ferdinand in Gottes Hand gut aufgehoben ist.
Danke liebe Mamma Clara, für die lange und wertvolle Zeit mit dir!
Wir werden Dich nie vergessen.
Jutta, Christian, Waltraud und Markus
Völs am Schlern, Ende Dezember 2020