Blog vom Frauenmuseum Il Blog del Museo delle Donne
Frauenmuseum | Museo delle donne

“Das persönliche Glück ist nicht vorgegeben. Traue dich, deinen Weg selbst zu finden.”

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Unsere Frau des Monat Oktober ist Katharina Mölk, gebürtige Innsbruckerin, aufgewachsen in Südtirol, wohnt und arbeitet als Fremdenführerin in Wien.
Zu ihren Tour-Angeboten gehören neben klassischen Stadtspaziergängen auch Führungen durch das antike Wien.
Zusätzlich erstellt sie leidenschaftlich Beiträge zur Geschichte Österreichs auf Plattformen wie YouTube, Facebook, Instagram und TikTok. Sie hat auch ein Buch zur Antike in Österreich über die Kulturplattform “Der Leiermann” verfasst und war Mitautorin bei weiteren Bänden der Bücherreihe.

Im Interview mit Nadine Lanz, erzählt sie über sich und wie das Leben als Kulturvermittlerin ist.


Wie vereinst du es dich in deinem Beruf wohl zu fühlen?

Es ist der Beruf, den ich immer wollte, ohne es zu wissen. Ich wusste nicht, dass es den Beruf „Austria Guide“ gibt und dass man davon leben kann. Ich habe davon zufällig durch mein Studium erfahren. Während meiner Ausbildung ist COVID19 ausgebrochen und es war nicht klar, ob ich im Tourismusbereich überhaupt durchstarten kann. Doch es hat funktioniert. Seit 2021 lebe ich davon, Menschen durch Wien zu führen. Jeden Tag bin ich glücklich darüber, weil es während Corona so unsicher war, ob mir das überhaupt gelingen würde. Egal wie stürmisch, kalt oder brennend heiß es ist, ich ziehe jede Führung mit Begeisterung durch. Und meine Gäste schätzen die Art, wie ich Geschichte lebendig mache. Klar ist es kein „sicherer Job“ – ich lebe von Woche zu Woche, von Buchung zu Buchung und weiß nie, wieviel Geld am Ende des Monats auf dem Konto sein wird. Aber ich würde nie wieder einen anderen Beruf haben wollen.

Und was mich ganz besonders stolz macht: ich darf nun auch neue Guides ausbilden und sie in Geschichte unterrichten.


Du bist nach Wien gezogen – wie hast du dich dort eingelebt? Wie siehst du Südtirol von außen betrachtet?

Ich wollte immer schon nach Wien. Erstens weil es eine große Stadt mit reicher Geschichte ist, zweitens weil es eine deutschsprachige Stadt ist – ich war in der Schule immer schlecht in Italienisch, was mich so verunsichert hat, dass ich nicht mehr in Italien leben wollte. Seitdem habe ich Südtirol mit negativen Erinnerungen verbunden und bin so selten wie möglich nach Hause gefahren. In Wien habe ich mich schnell eingelebt, studiert und nebenher in Museen gearbeitet. Da sind mir viele italienische Gäste begegnet, die nicht gut Englisch konnten, weshalb ich mit ihnen Italienisch gesprochen habe. Und die haben mein Selbstvertrauen in Bezug auf die Sprache wieder aufgebaut. Ich habe dann sogar meine Prüfung zur Fremdenführertätigkeit auf Italienisch absolviert. Dadurch konnte ich meine Selbstzweifel bekämpfen und meine negativen Gefühle Südtirol gegenüber aus dem Weg räumen. Nun fahre ich gerne wieder in die Heimat und beschäftige mich auch dort mit den Schönheiten und der spannenden Geschichte des Landes. Ich bin auf viele Verbindungen gestoßen und nutze dieses neue Wissen bei meinen Führungen und auf meinen Socialmedia Kanälen, wo ich Fakten aus der Geschichte präsentiere.

Und übrigens: fährt man mit dem Zug nach Wien ist das erste, was man sieht, der Südtiroler Platz 😉


Du unternimmst mit deinem Mann besonderer Stadtrundgänge – was gefällt dir an diesem Beruf?

Alles. Jeder Tag ist anders. Ich arbeite mit Menschen zusammen; jeden Tag mit unterschiedlichen Menschen: Mit Schulgruppen, Familien, Reisegruppen aus aller Welt…

Es macht mir so viel Spaß, den Leuten Geschichten zu erzählen und sie neugierig auf mehr zu machen. Außerdem ist es ein Beruf, in dem man nie auslernt. Für neue Führungskonzepte muss ich mir immer neues anlesen. Ich tausche mich mit den Gästen aus und erfahre auch von ihnen viel Neues. Und wenn man am Ende der Führung noch eingeladen wird, abschließend noch was zu essen oder zu trinken, hat man das Gefühl, fast schon ein freundschaftliches Verhältnis zu den Gästen aufgebaut zu haben. Es ist ein durch und durch schöner Beruf.


Gehst du auch weiblichen Spuren in Wien nach?

Natürlich. Das ist mir ganz besonders wichtig. Bei meinen Führungen werde ich immer auch von den Frauenschicksalen erzählen, da man auf der Straße hauptsächlich Denkmäler von Männern gibt. Schließlich gibt es keine Geschichte ohne Frauen, aber sie ist nicht so präsent wie die „männliche Seite“. Deshalb muss ich aber in dem Themenfeld immer mehr recherchieren, weil es auch viel weniger Quellen zu Frauenfiguren gibt. Aber das finde ich dann immer total spannend. Ich biete sogar eine eigene Themenführung an, die ich den starken Frauen gewidmet habe und habe ein ganzes Youtube Video dazu gedreht.

 

Welche Rolle spielt das „Frau“ sein in deinem Beruf?

Das ist leider nicht immer schön. Oft habe ich das Gefühl, dass ein „süßes, charmantes Mädl“ nicht als so kompetent betrachtet wird, wie ein männlicher Guide. Einmal hat mir ein männlicher Gast eine Frage gestellt und als ich sie beantwortet habe, unterbrach er mich und meinte, dass er nur testen wollte, ob ich das weiß. Ein anderer männlicher Gast googelte bei einer anderen Führung ständig, ob das richtig ist, was ich da von mir gebe.

Als ich einmal eine ältere Reisegruppe im Bus begleitet hab, machten sie dauernd positive Kommentare zu meinem Äußeren, fragten, ob ich vergeben sei und ob sie mich gleich im Bus mit zu sich nach Hause nehmen könnten. Das war zwar humorvoll gemeint, aber ich fand es sehr unpassend.
Ständig werde ich gefragt, ob ich das so spaßeshalber neben dem Studium mache. Aber da fehlt auch generell das Verständnis dafür, dass es sich um einen eigenständigen Beruf handelt, für den eine Ausbildung, ein Gewerbeschein uns sehr viel Biss und harte Arbeit nötig ist.

 

Du hast ja verschiedene Kanäle (Youtube, Instagram…) wie beeinflusst das „Frau sein“ die Wahrnehmung und den Umgang mit Wissensvermittlern im Internet?

Ich habe einen Youtube-, Instagram-, Facebook- und einen TikTok-Kanal, auf dem ich verschiedene Beiträge und Videos zu geschichtlichen Themen veröffentliche. Wenn Männer da mit mir nicht einer Meinung sind, kommentieren sie leider nicht immer sachlich, sondern sehr von oben herab. Ich wurde schon als „Trulla“, „Kindchen“, „dumme Pute“ und Schlimmeres bezeichnet. Schlichtweg nicht respektiert und nicht ernst genommen. Ich habe auch einen Kanal, auf dem ich mich nicht zeige. Man weiß nicht, ob eine Frau oder ein Mann hinter den Beiträgen steckt und dort ist mir so etwas noch nie passiert.

Auch wenn mich solche abwertenden Umgangsweisen verletzen, werde ich aber auch genau deshalb sicher nicht damit aufhören, Geschichtefans mit meinen Beiträgen eine Freude zu machen und als Frau Präsenz zu zeigen.

 

Du spielst auch im Theater – In welcher Rolle, hast du dich am besten entfalten können bzw. bist du gewachsen, was fasziniert dich am Schauspiel?

Ich habe in Südtirol sehr viel Theater gespielt, ein Mal in Tirol und ein Mal in Wien. Was ich daran immer geliebt habe, war das Gruppengefühl. Gemeinsam mit Menschen, die dieselbe Leidenschaft teilen, etwas zu erschaffen, ist wunderbar. Man wächst während jeder Produktion zusammen. Und dann kommt dieser einzigartige Moment auf der Bühne, wo man direkt spürt, welche Auswirkung man auf das Publikum hat: Tränen, Nachdenken, Lachen – man kann das alles in anderen auslösen: ist das nicht faszinieren?
Ich bin an jeder Rolle gewachsen, weil alle Charaktere anders waren und auch immer die Anforderungen der RegisseurInnen und die SpielpartnerInnen.
Am liebsten spiele ich komische Rollen, weil ich es liebe, Menschen zum Lachen zu bringen.

 

Welche Rollen waren für dich eine Herausforderung?

Eine besondere Herausforderung waren für mich immer Rollen, die ich persönlich als langweilig empfand:  hausmütterliche Typen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt das wahrscheinlich daher, dass ich ein großes Problem mit der „traditionellen Rolle der Frau habe“, die die Gesellschaft uns vorgibt. Auch wenn viel im Wandel gerade ist, werden Frauen immer gefragt, ob sie einen Partner haben, wann die Hochzeit ist und wann die Kinder kommen. Ich mag das nicht, weil nicht jede Frau diesen Lebensweg für sich wählen möchte, aber durch diese Fragen das Gefühl bekommt, dass nur dieser Weg die Lebenserfüllung einer jeden Frau sein sollte. Wenn ich feministische Themen bespreche, bekomme ich oft zu hören „Aber bei uns in Europa ist die Frau doch lange schon dem Mann gleichgestellt“. Nein. Da könnte ich jetzt viel aufzählen, aber um bei einem Beispiel zu bleiben: kommt es zu einer Scheidung und sind Kinder vorhanden, werden der Frau die Jahre der Erziehung nicht adäquat bei der Pension angerechnet. Hat sie keine Unterstützung, fällt die Frau deshalb in Altersarmut. Solange das so ist, werden Frauen immer von Männern abhängig sein. Wahrscheinlich wollte ich deshalb damals solche Rollen nicht spielen; weil sie mir eine traurige Realität vor Augen geführt haben.

Freiheit, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit – das ist mir einfach sehr wichtig und es wäre so schön, wenn jeder diese Dinge leben könnte.

 

Wo holst du dir Kraft und was macht du in deiner Freizeit?

Tatsächlich habe ich sehr wenig Freizeit. Alle Selbstständigen werden wissen, wovon ich spreche. Ich arbeite, wenn ich gebucht werde: also zu jeder Tageszeit (teilweise auch Nachtführungen bis Mitternacht) und an jedem Wochentag. Um frei zu haben, muss ich mir bewusst frei nehmen und das überlegt sich jeder Selbstständige gut, da wir ja kein Urlaubsgeld bekommen.

Aber nach den ersten 3 Jahren in denen ich nie ein freies Wochenende hatte, war ich so ausgelaugt, dass ich nun darauf achte, mindestens einen freien Tag die Woche zu haben und auch mehrmals kurze Urlaube zu machen. Dann besuche ich meine Familie, Mittelalterfeste, gehe zum Bogenschießen, erkunde mit meinem Mann Museen oder fahre mal länger ans Meer, wo ich mal komplett abschalten kann. Abends bin ich natürlich in Wien gerne mit Freunden unterwegs, gehe zum Pubquiz oder entspanne einfach auf der Couch und zocke „The Legend of Zelda“.

Welche weiblichen Vorbilder hast du?

Klingt abgedroschen, aber ganz klar: meine Mama, meine Oma, meine Schwester. Sie haben mich immer unterstützt, auch wenn ich oft psychisch oder physisch am Limit war. In allem wo wir uns nicht ähneln, bewundere ich die drei. Sie sind so stark, empathisch und sind immer für die eingestanden, die sie lieben. Und ist es nicht das, was schlussendlich wichtig ist?

Aber ich bewundere auch Frauen, die entgegen der Umstände ihrer Zeit, sich durchgesetzt und etwas erreicht haben: Hedy Lamarr mit der Entwicklung des Frequenzsprungverfahrens; Anna Freud, die ohne Studium zu einer der bedeutendsten Therapeutinnen für Kinder wurde; Ida Pfeiffer, die nachdem ihre Kinder erwachsen waren, alleine um die Welt gereist ist – im 19. Jahrhundert! Und viele mehr…

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