Emma Lee Stoerk ist Gärtnerin, Baumpflegerin und derzeit hauptberuflich Geographie-Studentin. Sie packt immer gern mit an und lässt sich gewiss nicht von einengenden Rollenbildern oder blöden Witzen abschrecken: ob auf dem Bau, als Baumschneiderin oder als Kellnerin. Sie will so viel Erfahrungen wie möglich sammeln und ständig ihren Horizont erweitern.
1) Was hast du alles bisher gemacht und wie sieht deine jetzige Laufbahn aus?
Nach dem Maturabschluss habe ich eine Lehre als Gärtnerin und Baumpflegerin gemacht. Pflanzen haben mich schon immer interessiert und ich habe bereits im Alter von 2 – 3 Jahren, allen um mich herum, in Bezug darauf, Löcher in den Bauch gefragt: Die Ausbildung wurde also fast ein Muss! Während der Oberstufenjahre habe ich immer in Bars gejobbt, was übrigens auch eine gute Lehre ist, um zu verstehen, dass Geld nicht vom Himmel fällt. Der Job ist hart, vor allem, wenn man in der Schwimmbad-Bar steht, während andere Urlaub machen.
Im letzten Schuljahr habe ich dann zudem an einem Glaziologie-Projekt der EURAC teilgenommen. Da ist mein Interesse für Pflanzen wieder neu aufgeblüht. Während der Lehre als Gärtnerin und Baumpflegerin ist dann mein Wissensdurst noch mehr stimuliert worden, weshalb ich in Innsbruck mit dem Biologiestudium angefangen habe und nun Geografie studiere, was mich sehr begeistert.
2) Hattest du als Frau jemals Probleme auf dem Arbeitsfeld?
Naja.. sagen wir so, ich bin eine Frau, 185cm groß, blond und war eine Zeitlang Handwerkerin in Südtirol, da erntet man sehr viele verwirrte und nicht gerade begeisterte Blicke. Einfach hatte ich es nicht, vor allem nicht als ich auf der Suche nach einer Lehrstelle war. Ich bin sehr oft abgewiesen worden und musste mich auch um einiges mehr beweisen, als meine männlichen Arbeitskollegen. Nachdem ich die Lehrstelle erhalten habe, wurde es nicht unbedingt einfacher: Die Blicke, die ich auf dem Bau erhielt, waren alles andere als anerkennend – jedenfalls habe ich das so empfunden. Meine Mutter meint, dass mich die Leute vermutlich auch attraktiv finden und deshalb so schauen – ich glaube weniger, dass dies das Problem ist. Dennoch habe ich ein Leben lang schon das Gefühl, dass ich für mein Aussehen abgestempelt werde. Wahrscheinlich arbeite ich auch deswegen so sehr an mir und versuche immer wieder meinen Horizont zu erweitern.
3) Findest du es sollte weiterhin getrennte weibliche und männliche Berufsfelder geben?
Absolut nicht! Das ist kompletter Schwachsinn. Ich finde, dass jeder Mensch einfach seinen Interessen nachgehen dürfen sollte, ohne dass Andere sich ein Urteil darüber machen sollten.
4) Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Schritte, die wir in Richtung Gleichberechtigung machen sollten?
Wenn uns jemand sagt, dass wir eine bestimmte Sache nicht machen können, weil wir Frauen sind, dann sollten wir das einfach nicht mehr akzeptieren. Leute mit denselben Fähigkeiten, sollten gleichermaßen behandelt werden, sowohl in Hinsicht auf Respekt als auch auf Lohnerhalt. Ich fühle mich noch lange nicht gleichberechtigt, nur weil ich einen Nagel in die Wand hauen kann. Dazu brauche ich die Unterstützung meines Umfelds. Frauen müssen deshalb immer noch laut werden und NEIN schreien, wenn sie nicht respektiert werden. Ich finde, dass wir in letzter Zeit aufgrund der sozialen Medien uns wieder auf Rückschritten befinden, das Äußere zählt viel zu viel, junge Frauen verkaufen sich wie Ware und überprüfen ihren Marktwert. Das finde ich mittelalterlich. Genauso aber müssen wir endlich aufhören, zu glauben, Frauen seinen Gegner von Männern, genauso wenig wie Männer nicht Gegner von Frauen sind.
5) Gibt es eine Frau die dich besonders beeindruckt oder beeinflusst hat?
Um ehrlich zu sein, keine bestimmte Frau. Dennoch haben mich in meiner eigenen Familie vorwiegend die Frauen geprägt. Meine Urgroßmutter, die in den 1920er Jahren in verschiedenen Städten Deutschlands und in Wien studiert hat, war alleinerziehende Mutter von drei Söhnen während des zweiten Weltkrieges. Meine andere Urgroßmutter, die nicht studieren durfte, weil sich das, nach Ansicht ihrer Eltern nicht „gehörte“, und stattdessen Sportlehrerin/Physiotherapeutin (damals noch Krankengymnastin) wurde. 1945 musste sie mit sechs Kindern aus Ostdeutschland in den Westen fliehen. Meine beiden Großmütter sind heute noch Powerfrauen, die mit 79 und 83 Jahren top fit sind. Aber ich wüsste nicht genau, ob ich je ein bestimmtes Vorbild hatte – weder weiblich noch männlich. Das einzige was ich heute mit Gewissheit weiß, ist was ich nicht machen möchte.
6) Wo siehst du dich in einigen Jahren?
Am liebsten würde ich ständig unterwegs sein und mit Reizen und Eindrücken der ganzen Welt überflutet werden. Berufliche Einsatzgebiete gibt es da jede Menge. Derzeit ist leider nicht viel mit Weltenbummeln. Die Pandemie ist noch nicht vorüber und deshalb konnte ich meine Reiseträume noch nicht verwirklichen. Dabei bin ich schon als „Kleine“ gerne gereist. Mit meinen Eltern, mit den Großmüttern, mit 12 alleine zu meinem Onkel nach Chicago, nach Irland, Spanien, England. Die letzte Reise war ein Kurztrip nach Griechenland mit ein paar Freunden.
7) Was ist dein Lebensmotto?
Entweder ganz oder gar nicht.
8) Was sind deine besten Eigenschaften? Welches deine Schwächen?
Ich denke, ich bin ein sehr offener und zugänglicher Mensch. Sehr emotional, sensibel, empathisch. Meine größte Stärke ist meine unendliche Fähigkeit, mich für alles Mögliche zu begeistern. Meine große Sensibilität bringt jedoch auch Schwächen mit sich. Deshalb lasse ich mich von Kritik leider viel zu oft umhauen, statt über den Dingen zu stehen. Vielleicht bin ich auch manchmal ein wenig zu impulsiv. Das ist die Kehrseite der Leidenschaft. Am meisten nervt mich, dass ich so hohe Ansprüche an mich selbst stelle, jedoch nicht an mein Umfeld. Eine recht paradoxe Angelegenheit, ich weiß.
9) Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Requisiten um heute gut zu leben?
Viel mehr Verlass auf das eigene Bauchgefühl und der Versuch, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.
10) Was möchtest du anderen jungen Menschen mitgeben aus deiner eigenen Erfahrung?
Erkenntnis entsteht durch eine Anhäufung von Erfahrungen. Also einfach loslegen und Erfahrungen sammeln. Natürlich nicht komplett wahllos, sondern den eigenen Interessen entsprechend. Dann tun sich immer neue Wege auf. Die eigenen Ziele verändern sich ständig – ist ja auch ein Zeichen des Fortschritts. Das WICHTIGSTE: Nicht einschüchtern lassen. Never give up!
Interview Sarah Trevisiol