Unsere Frau des Monat August ist Lena Adami. Nunmehr Erzählerin, Schreiberin, Theaterspielerin…
Nomadenleben
Wirtstochter, älteste von vier Schwestern. 1940 am zweiten Tag der „Auswanderung“ in Innsbruck auf die Welt gekommen. Da geht mein „Nomadenleben“ schon los. Ich wachse bis 1945 im Burgenland auf und dann geht’s zurück nach Bozen, wo ich die Volks- und Mittelschule besuche. Daraufhin siedeln wir nach Kastelruth um. Die Eltern pachten dort den Rösslwirt, später den Wolfswirt und inzwischen schon etwas arriviert, erwerben sie 1954 im Martelltal den Martellerhof.
Nun bin ich die „Hof-Leni“.
Lehrerin bin ich geworden.
Aber mein Wunschtraum war Schauspielerin! „Fixstern“ nannten mich die Mitschüler-Innen in der LBA. Ich machte ja auch kein Geheimnis aus meiner Zukunftsvision… Zwei Jahre unterrichtete ich an der einklassigen Schule in Bad Salt/Martell. Mein Beruf gefiel mir. Erklären konnte ich schon immer gut. Mit Liebe und Geduld auf die Schwächeren, auf die Kleinen eingehen, die Großen, die Gescheiten, herausfordern, fördern und fordern – das war mein Leitspruch.
Schule Adieu!
Mit 21 Jahren habe ich geheiratet, einen Diplomlandwirt aus Bayern. Erst mal Hausfrau und Mutter. Zwei Kinder, Susanne und Claus. Muss zurück in den Schuldienst, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf… In Bayern herrscht Lehrermangel und so „komme ich zum Zug“. Mit 17 Wochenstunden an der Grundschule Altötting, obwohl italienische Staatsbürgerin und ohne das in Deutschland obligate Pädagogikstudium. In der Not tut’s die Lehrerbildungsanstalt auch…
Und schon geht meine Lebensreise weiter.
Scheidung nach 18 Jahren. Berufswechsel. Diesmal Erwachsenenbildung an der Volkshochschule Altötting. 10 Jahre lang Pädagogische Leiterin
und Kursleiterin für Italienisch sowie Reiseleiterin für Studienreisen nach Italien…
Die Wende: Rückkehr nach Südtirol. In den „Dolomiten“ lese ich: „ErwachsenenbildnerIn mit Erfahrung gesucht. Volkshochschule Urania Meran“
„Mamma, die suchen mich!“ meine ich lachend. Und es wird Ernst.
Meran! Wer will nicht nach Meran?
Erfahrung bringe ich mit. Im September 1989 übernehme ich aus den Händen von Christian Alton die Pädagogische Leitung der Meraner Urania. (Er wechselt als Leiter ans Bildungshaus Schloss Goldrain).
Nach der Pensionierung – tanto per cambiare
arbeite ich als Kursleiterin an einer Erwachsenenbildungseinrichtung in Bozen. Diesmal unterrichte ich Deutsch als Fremdsprache. Eine Herausforderung. So gefällt’s mir. Nur nicht im alten Trott versumpfen.
Schreibwerkstatt
Der KVW holt mich im Jahr 2001 für eine Schreibwerkstatt „Senioren erzählen und schreiben“. Von den Anfängen bis zum heutigen Jahr 2024 entstehen 25 beachtliche Bücher, die man ruhig als Tirolensien bezeichnen darf. Lebens- und Dorfgeschichten.
Wie ich das liebe! Hinaus in die Dörfer, nach Schlanders, Marling, Lana, Welsberg, St. Jakob, hinein in die Täler, nach Ulten, ins Sarntal, ins Eggental, Passeier, hinauf nach Pawigl, St. Felix, Proveis, Gummer, Lajen, Klobenstein, hinüber ins Überetsch und zuletzt noch nach Partschins. Selbst Lehrer in Pension haben „aus der Schule geplaudert“, Bozner und Leiferer haben erzählt und geschrieben. Hab ich sie nun alle?
Auf Leute zugehen, Leute zusammenbringen!
Die Fähigkeit ist mir aus der langjährigen Arbeit an den Volkshochschulen geblieben. Schulbildung? Herkunft? Gesellschaftlicher Status? Ansehen? Wohlstand? Das alles zählt bei unseren Treffen nicht! Einfach erzählen, sich mitteilen, zuhören und dann niederschreiben. Als Krönung zu guter Letzt das Ganze auch noch in einem spannenden Dorfbuch nachzulesen…
Ein Traum wird wahr
Nun bin ich zu alldem auch noch Schauspielerin geworden. Seit 7 Jahren spiele ich im STV -Ensemble „Überholspur“ Theater. Seniorentheater vom Feinsten erlaube ich mir zu sagen. Schreiben wir – ein Mann und sechs Frauen – doch das Drehbuch selber. Unsere Erfahrungen, Ansichten, Macken, Wünsche, kleiden wir ehrlich und schonungslos in szenische Bilder. Dafür zeichnet unsere Spielleiterin, die Theaterpädagogin Maria Thaler Neuwirt.
Welch ein Glück in späten Jahren! Nirgendwo bin ich so sehr ich selbst, als wie im Spiel auf der Bühne. Etwas aufmüpfig, romantisch, kritisch, wehmütig, städtisch… und immer auf der Suche nach dem passenden Ausdruck, dem treffenden Wort, dem urigen Dialekt. Die Deutschlehrerin lässt grüßen…
Ganz persönlich
Ich bin neugierig. Neues zieht mich an. Wenn alles bequem dahinplätschert, überkommt mich der Überdruss. Veränderung und Herausforderung wecken meine Kreativität und meine Begeisterung.
Die Kraft? In mir steckt ein positiver Sinn, Dankbarkeit für mein Leben, für kleine Freuden, für Erfolg und Anerkennung. Lebenskraft und Lebensfreude.
Glück? Gespräche, Begegnungen, Waldwege, das Meer, der Nachthimmel, Autofahren, Schwimmen, ginnastica dolce, aus dem Kühlschrank schnell was Gutes zaubern, lesen, kneippen, reisen, schreiben und – lieben.
Interview Sissi Prader