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Aufwachsen in einer fremden Kultur – Meine Erfahrungen

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Mein Name bereitete mir schon seit Kindesalter an Probleme. Denn der volle Name von mir ist auf Deutsch nur sehr schwer aussprechbar und bereitet dem*der Leser*in schon beim Lesen Probleme. Immer wenn ein*e Lehrer*in beim Aufrufen der Schüler*innen aus der Schüler*innenliste stockte, wusste ich sofort, dass ich gemeint war ohne dass der Name vorgelesen werden musste.

Das löste in mir immer ein gewisses Schamgefühl aus, und ich wünschte mir immer, dass ich einen normalen Namen hätte sowie Laura der Hanna. Etwas was die anderen als normal empfinden würden. Obwohl man sich nie für seinen eigenen Namen schämen sollte, habe ich bis heute noch nicht gelernt ihn zu mögen.

Über mich

Ich heiße Nampet, bin 18 Jahre alt und komme aus Thailand.

Momentan besuche ich die vierte Klasse des Kunstgymnasiums in Meran.

In meiner Freizeit zeichne ich und höre Musik. Besonders Japanischer Rap gefällt mir sehr gut. Zudem habe ich auch eine Vorliebe für kleine Tiere wie Hasen und Vögel. Mit dem Zeichnen habe ich schon angefangen bevor ich überhaupt reden konnte. Man sah mich immer als talentiert an und früh wurde ich von Erwachsenen gepusht. Ich war ein sehr stilles Kind, das nie weinte oder irgendwelche eigenen Wünsche äußerte.

Buddhistischer Tempel in Nampets Heimatdorf

Das thailändische Schulsystem war ganz anders und streng. Schon im Kindergarten erwartete man hohe Disziplin und musste vor Erwachsenen viel Respekt haben. Wegen meinem auffälligen Talent fürs Zeichnen trat ich immer als Kandidatin bei Schulwettbewerben an, wo verschiedene Schulen ihre herausragenden Schüler*innen ins  Rampenlicht stellten. Ich wurde immer in einen einzelnen Raum gesetzt, wo ich mit Aufsicht an einem Werk zeichnen musste. Zeichnete ich etwas falsch bekam ich Stockschläge auf meine Hände und musste von vorne anfangen. Ich war nur 5 und hatte nie Zeit, mich mit irgendjemandem anzufreunden. Mein Talent wurde wie ein Fluch für mich und ich hatte stets Angst, den Erwartungen Erwachsener nicht gerecht zu werden.

Wie ich nach Italien kam

Meine Eltern trennten sich früh, mein Vater war in ein anderes Land ausgewandert um Arbeit zu finden und meine Mutter hatte nie Zeit für mich. Ich blieb die meiste Zeit meiner Kindheit mit meiner Oma. Wir zogen oft um, viel zu oft. Kaum hatte ich mich an eine Gegend gewohnt musste ich schon wieder in eine andere Gegend umziehen und wurde in einen neuen Kindergarten versetzt. Doch der größte Umzug und die größte Veränderung in meinem Leben war wohl, in ein komplett anderes Land auszuwandern. Nach Italien.

Familienfoto

Als meine Mutter einen ausländischen Mann kennen lernte und mit ihm nach Italien ziehen wollte, musste sie ihre Karriere als Mathe Lehrerin hinter sich lassen. Nun arbeitet sie seit 10 Jahren als Putzfrau in einem Hotel.

Es war eine große Veränderung, ich war sechs Jahre alt und wusste damals noch nicht, dass ich meine ganzen Verwandten so schnell nicht mehr sehen würde. In Italien war alles so edel und schön, die Häuser hatten keine Schäden und waren nicht aus Holz. Ich wuchs in einer verarmten Gegend auf und zum ersten Mal ein eigenes Bett zu haben und in einer richtigen Wohnung zu leben, fühlte sich an wie ein Traum. Ich hinterfragte nie die Veränderungen, ich verstand damals nicht mal, dass ich in einem komplett anderen Land war, doch was ich wahrnahm war, dass ich anders war und man mich auch als anders wahrnahm. Mir öffneten sich viele Chancen für Bildung und einem besseren Leben.

Von Erwachsenen gelobt, von Kindern verhasst

Ich wurde von Erwachsenen stets gelobt, dass ich ein talentiertes Kind sei und so schnell so viele Sprachen erlernen konnte. Doch hatte ich in Wirklichkeit denn überhaupt eineandere Wahl, als mich auf diese Weise zu beweisen?

Obwohl ich perfekt Deutsch konnte, fühlte es sich an, als wäre es nicht gut genug, es reichte nicht, um mich unter die anderen Kinder zu mischen. Ich fühlte mich einfach nie wie ein Teil der Gesellschaft und ich vereinsamte sehr.

Ich habe mich in der Schule sehr schwer getan, wurde eine Außenseiterin und habe viele rassistische Kommentare von anderen Kindern ertragen müssen. Durch jahrelangen Mangel an Freunden, dem Verständnis meiner Eltern, meinen Problemen und dem Mobbing entwickelte ich als Kind Verhaltensprobleme die sich in Form von Angststörungen zeigten und womit ich jetzt immer noch zu kämpfen habe. Noch heute belastet es mich sehr.

Nampet Sakong, Selbstporträt mit Freundin und Hase

Ich finde es schrecklich wie viele Kinder, die aus einem anderen Land kommen, oft ausgeschlossen werden. Ich kenne nur wenige Thailändische Kinder die in Italien wohnen, doch was wir alle gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass wir in der Schule gemobbt wurden oder andere Formen von Gewalt erlebten. Was ich sehr schlimm finde.

Besonders jetzt in der Corona Zeit ist die Diskriminierung gegenüber Asiatischen Menschen gestiegen. Erst letztens wurde ich in einem Bus von einem Mann belästigt, und das obwohl ich nicht mal in einer „schlimmen“ Gegend lebe. Ich kann mir gar nicht vorstellen was andere durchleben müssen die nicht so viel Glück haben.

 

Trotz der vielen Schwierigkeiten bin ich froh hier sein zu können. Besonders meine Großeltern aus Südtirol haben mir als Kind viel geholfen, mich in die Kultur einzuleben und diese zu verstehen. In der Oberschule lernte ich neue Freunde kennen. Ich denke, dass durch das sich gegenseitig akzeptieren und sich gegenseitig helfen und Verständnis zu einander wir vieles erreichen können und auch den Rassismus beseitigen können.

 

Nampet Sakong

 

Nampet Sakong hat im März ein zweiwöchiges Praktikum im Frauenmuseum absolviert in dessen Rahmen dieser Text entstanden ist.

Von Nampet Sakong

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