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„Dieses Wilde und Freie wünsche ich allen Frauen in stürmischen Zeiten“

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Unsere Frau des Monats Mai, Jutta Tappeiner Ebner, nimmt uns in diesem Interview mit auf eine Reise zu altem Kräuterwissen, sinnstiftenden Bräuchen und wohltuenden Räucherritualen und gibt einige Tipps über die Heilwirkung bestimmter Kräuter. Sie hat die Selbstständigkeit gewagt und ihre Leidenschaften zum Beruf gemacht: Heute ist sie nicht nur Bäuerin und führt 3 Ferienwohnungen, sondern stellt in ihrer Manufaktur selbst Kräuter-Produkte her und gibt ihr großes Wissen in ihrer Kräuterakademie weiter.

Erzählst du uns von deiner Arbeit und dem vielfältigen Angebot am Bacherhof? Wie bist du zur Bäuerin geworden? Wie wurde deine Leidenschaft für Kräuter und das Räuchern geweckt?

Kräuter faszinieren mich seit ich zurückdenken kann, schon als Jugendliche habe ich mir meine Hautpflege selbst gemacht. Die Rezepte dazu habe ich aus Aufzeichnungen meiner Mutter übernommen und sie für mich angepasst.

Seitdem habe ich viele Kurse, Ausbildungen und Lehrgänge im In- und Ausland besucht und mich mit Kräuterbüchern aus allen Epochen eingedeckt.

Das Lernen ist für mich eine Bereicherung, Erfüllung finde ich jedoch bei der Umsetzung des Gelernten.

Heute freue ich mich, altes Kräuterwissen mit neuen Erkenntnissen sowie mit meinen praktischen Erfahrungen zu verknüpfen und diesen Schatz interessierten Kräuterfreundinnen und -freunden weiterzugeben.

Ich liebe es Kräuter aus meinem Natur-Garten zu sammeln und sie zu den besten Essenzen, Pulverlen, Verreibungen und Salben für die Hausapotheke zu verarbeiten, sowie Hydrolate und Kräuterauszüge anzusetzen und daraus Seifen und die wertvollste Naturkosmetik herzustellen, die es in der Qualität nirgends zu kaufen gibt. Ein ganz besonderer, sinnlicher Zugang zur Natur ist das Räuchern mit heimischen Kräutern und Harzen.

Die Freude an den Kräutern hat mir meine Mutter (sie war Hebamme und eine Kräuterkundige) mit auf meinen Lebensweg gegeben. Über dieses Erbe bin ich ihr unendlich dankbar und so nenne ich meine Arbeit am Hof KRÄUTER ERBE.

Unter KRÄUTER ERBE Bacherhof führe ich 3 Ferienwohnungen. Neben dem Urlaub auf dem Bio-Obsthof gibt es eine KRÄUTER ERBE Manufaktur mit hofeigenen Produkten, die in kleinen Chargen in liebevoller Handarbeit hergestellt werden und eine KRÄUTER ERBE Akademie, wo ich mich mit Kräuterfreundinnen austausche und wir voneinander und miteinander lernen.

Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich den Mut hatte, diesen Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. So kann ich beide Bereiche, die mir so am Herzen liegen, die Pädagogik und die Kräuter verbinden.

Jutta Tappeiner Ebner. Foto: Florian Andergassen
Hast du Vorbilder?

Meine Mutter war und ist mein größtes Vorbild. Die Erinnerung an sie stärkt mich und ermutigt mich, meinen Weg zu gehen.

Wie stehst du zu deinem Frausein? Wieso liegt dir das Engagement zu Frauenthemen am Herzen?

Ich bin aktives Mitglied der Bäuerinnenorganisation, der größten Frauenorganisation im Lande mit über 16.600 Mitgliedern und engagiere mich auf Bezirksebene im Bezirksbäuerinnenrat Bozen. Zudem vertrete ich unsere Organisation im Landesbeirat für Chancengleichheit. Mein Interesse gilt neben der Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Fragen insbesondere der Frauenbildung, der Frauenförderung und aufgrund meiner Kräuterliebe der Frauengesundheit.

Vor einigen Jahren ist Dein Buch „Lebendige Bräuche in Südtirol“ erschienen. Welche Rolle spielen Rituale und Bräuche in Deiner Arbeit?

Als Kräuterfrau spielen für mich die Rituale im Jahreskreis eine besondere Rolle.

Unsere Vorfahren hatten noch einen ganz engen Bezug zur Natur, sie waren mit dem Wechsel der Jahreszeiten fest verbunden. Den Lauf der Zeit haben sie sich wie ein Radl vorgestellt. Das Rad als ein Symbol des Sonnenlichts, das den Jahreslauf prägt. Es hat weder Anfang und noch Ende und steht somit für das Ewige und immer Wiederkehrende. Die 8 Speichen symbolisieren die vier Jahreszeiten mit ihren Wendepunkten.

Diese jahreszeitlichen Wendepunkte in der Natur, wie zum Beispiel die Winter- und Sommersonnwende und die Tagundnachtgleichen im Frühling und Herbst, haben fast alle Völker und Kulturen inspiriert. Sie dienten den Menschen als Orientierung. Heute leben wir im Überfluss und sehnen uns wieder nach dem einfachen Leben und nach den wahren Werten im Leben. Die Jahreskreisfeste mit einfachen Ritualen können uns dabei eine Orientierung sein, wie zum Beispiel bei besonderen Festen ein Feuer zu entzünden.

Die Urkraft und das Element Feuer unterstreichen deren Bedeutung, Feuer verändert und Feuer verwandelt.

Frauen sind Hüterinnen des Feuers und ihr Attribut, der Kessel ist ein uraltes Symbol für den Uterus und für die WEIBLICHKEIT, für das Nährende, die FRUCHTBARKEIT und für die SINNLICHKEIT. In diesem Kontext sehe ich mich als moderne Alchemistin, die am Feuer nährende Suppen kocht, heilkräftige Salben rührt, Kräuterdüfte mit der Destille einfängt und getrocknete Pflanzen in die heiße Glut wirft, sodass der Rauch aufsteigt und alle und alles VERZAUBERT.

Buchcover Lebendige Bräuche in Südtirol
Du sprichst den Zauber an, was verstehst du darunter?

Pflanzen-Brauchtum und Pflanzen-Zauber sind zwei Seiten einer Medaille. In nahezu allen Kulturen war frau überzeugt, dass Pflanzen geheimnisvolle Kräfte besitzen. Interessanterweise ähneln sich die Bräuche und Rituale rund die Heilkraft der Kräuter weltweit.

Bereits im alten Papyrus Eber (gut 1550 v. Chr) heißt es: Das Heilmittel wirkt nur mit dem richtigen ZAUBER und der Zauber wirkt nur mit dem richtigen Heilmittel. Heute wählen wir andere Begriffe und sprechen wir vom richtigen Mindset, welches den Heilerfolg unterstützt, genauso wie Rituale. So verbinden wir uns mit dem Ganzen und spüren uns als Teil der Natur.

Das Ritual beginnt schon beim achtsamen Sammeln der Pflanzen und zieht sich durch den gesamten Herstellungsprozess, mit ausgewählten Zutaten, einer kraftvollen positiven Energie, all dies hat einen Einfluss auf die Wirkung des Heilmittels.

So gesehen verstehe ich die Pflanzenmedizin und das uralte Wissen um die Kraft der Kräuter als weiblichen Erfahrungsschatz, weil er von Frauen geprägt und weitergegeben wurde.

Du hast kürzlich ein neues Buch geschrieben?

Das Buch heißt MEINE ROSENWELT, es ist eine Hommage an einen naturnahen Garten mit vielen Rosen, Kräutern und Beikräutern. Es beinhaltet ein Kistl voll Rosenglück, mit vielen Anregungen für die Xundheit, die Schönheit und die Küche.

Buchcover Meine Rosenwelt von Jutta Tappeiner
Was fasziniert Dich an Rosen?

Keine andere Blume polarisiert wie die Rose und zugleich verbindet sie scheinbare Gegensätze.

Die Rosenblüte steht für das Weibliche, für die Venus in ihrer prallen Sinnlichkeit. Sie strahlt Sanftheit, Liebe und Erotik aus.

Ihre Stacheln symbolisieren das Männliche, das Kriegerische, den Mars. Sie erinnern uns an unsere Wehrhaftigkeit und unsere Durchsetzungskraft. Sie schützen unser Innerstes und zeigen unsere Grenzen auf, die es zu respektieren gilt und auf denen wir notfalls bestehen müssen, um uns selbst treu zu bleiben.

Die Rose ist für mich ein Sinnbild für die Widersprüchlichkeit in unserem Leben, für Freude, Lust und Fülle und zugleich für Sehnsucht, Melancholie und Vergänglichkeit.

Die Rose ist vielseitig einsetzbar – sowohl in der Kosmetik als auch in der Kulinarik. Welche gesundheitlichen Wirkungen haben Rosen?

Die Rose ist nicht nur DAS Schönheitsmittel im Pflanzenreich mit vielen interessanten Inhaltsstoffen, sie ist auch ein wunderbares Heilmittel.

Schon in der Antike galt die Rose als „Universalheilmittel“. Alle großen Kräuterkundigen, von Hippokrates, Paracelsus bis hin zu Hildegard von Bingen, schätzten die Heilkräfte der Rose zur Behandlung von Wunden.

Getrocknete Rosenblätter wurden beispielsweise zu einem Wundstreupulver vermörsert und für die Herstellung von Pestarzneien sowie bei nervösen Herzbeschwerden, Stimmungsschwankungen, Frauenleiden, Durchfall und bei Infekten eingesetzt.

Heute wissen wir, dass das Geraniol im ätherischen Rosen-Öl sogar phytobiotisch und pilzhemmend wirkt. Die Heilwirkungen des kostbaren Rosenöls sind darüber hinaus so vielfältig, dass ich hier nur einige Wirkungen aufzählen möchte:

es wirkt zusammenziehend, wundheilend, keimhemmend, entzündungshemmend, appetitanregend, verdauungsfördernd, entblähend, immunstimulierend, fiebersenkend, krampflösend, schmerzlindernd, tonisierend, hautstabilisierend, hormonell ausgleichend und herzstärkend, entspannend, harmonisierend, stimmungsausgleichend, stresslindernd und aphrodisierend.

Neben dem ätherischen Rosenöl darf in meiner Hausapotheke das Rosenhydrolat, das zudem noch schmerzlindernd und kühlend wirkt, das Knospenpräparat der Hagebutte – das Gemmopräparat Rosa Canina – als mein wichtigstes Mittel bei Halsschmerzen und Viren und das Hagebuttenpulver als Vitamin C Lieferant und als Gelenksschmiere nicht fehlen.

Jutta Tappeiner Ebner ©Armin Huber
Hast du ein neben der Rose noch ein Lieblingskraut?

Neben der Rose habe ich noch viele Lieblingskräuter, eines begegnet mir immer wieder und zu dieser einen habe ich auch eine besondere Beziehung, das ist die Artemisia, der Beifuss.

Sie ist DAS große Schutzkraut und Kraftpflanzl und eine der mächtigsten Frauenpflanzen. Sie heißt nicht umsonst Kraut der Mütter und Mutter der Kräuter.

Ich habe das Glück, dass sich fast 40 verschiedene Artemisias in meinem Paradiesgartele wohl fühlen, sodass ich das ganze Jahr über diesem Zauberkraitl vor meiner Haustür begegne.

Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit, bei Ängsten, Bauchweh, Übelkeit, half eine Tasse vom bitteren Wermuttee gegen fast jedes Übel. Als Studentin bin ich in München während meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin dem Beifuss begegnet. Das Moxen mit einer Beifusszigarre ist eine Wärmeanwendung, die bei vielen Kältezuständen unterstützt und gerade Frauen wohltut.

Die Artemisia mit ihren Geschwistern begleitet mich nun schon eine Weile: bei Gallenkoliken als Schwedenbitter-Auflage, als Kraut der Mütter in der Schwangerschaft, als immunstärkender Wermutwein nach Hildegard von Bingen und in Coronazeiten als Räucherkraitl. Ein Beifussbündel als Räucherstab hat sich bei mir im Sommer sogar auf der Terrasse bewährt, um lästige Plagegeister zu vertreiben.

Zudem sehe ich die Artemisia im Garten als Zierpflanze. Die Silberraute begleitet meine Rosen nicht nur wegen ihres Aussehens, ihre ätherischen Öle halten Schädlinge wie Blattläuse in Schach. Die Artemisia ist unverwüstlich, steckt voller Lebenskraft und Feuer und übersteht sogar heiße Sommer ohne Probleme.

Die Göttin Artemis hat meinem Lieblingskraitl ihren Namen verliehen. Artemis galt in der Antike als die erste Hebamme, denn sie half ihrer Mutter bei der Geburt. Der Sage nach wurde die Mondgöttn Artemis als Erste geboren und half dann als Hebamme, ihren Bruder auf die Welt zu bringen. Dieser war kein geringerer als der Sonnengott Apollo. Seitdem wird Artemis als Beschützerin der Frauen verehrt. Sie gilt als wilde, unabhängige und freie Göttin, genauso wie der Beifuss, der bei mir im Garten frei und wild wächst.

Dieses Wilde und Freie wünsche ich allen Frauen in stürmischen Zeiten.

Jutta Tappeiner Ebner

Studium der Bildungswissenschaften.

Kräuterpädagogin mit Schwerpunkt Volksmedizin, Naturkosmetik, Räuchern und Brauchtum.

Kneippgesundheitstrainerin, Heilpraktikerin

Führt seit 2017 den Bacherhof unter dem Namen KRÄUTER ERBE mit Urlaub auf dem Bio-Bauernhof, einer kleinen Kräuter- und Rosenmanufaktur und einer Kräuterakademie.

 

Kräutererbe Bacherhof

Gebreidweg 10 a

I 39010 Nals | Südtirol

www.kraeutererbe.info

bacherhof@gmail.com

Tel.: +39 333 898 8638

 

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