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„Ich bin eine Kämpferin, das habe ich sicherlich in Südtirol gelernt.“

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Heute möchten wir euch Andrea Dürr vorstellen – unsere Frau des Monats Dezember. Die kreative Kommunikationsdesignerin hat über 15 Jahre in Meran gelebt und mit ihrem beruflichen sowie ehrenamtlichen Einsatz das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Meran mitgeprägt. Im Interview erzählt uns Andrea, wie es dazu kommen ist, dass sie nach Meran gezogen ist, welche Projekte ihr besonders am Herzen liegen und welchen neuen Weg sie jetzt für sich eingeschlagen hat.

Andrea, wie würdest du dich kurz beschreiben?

Kreativ, neugierig, optimistisch 🙂 

Was hat dich bewogen nach Meran, Südtirol zu ziehen…?

2003 habe ich mein Hochschulstudium der digitalen Medien beendet und wollte als Kommunikationsdesignerin neue Erfahrungen sammeln. Ulm war mir damals zu eng geworden. Ich hatte das Gefühl, es geht nicht voran. Für einen Neubeginn hatte ich Genua oder Dänemark in Betracht gezogen. Meran ist es dann geworden.
Anfangs war das eher als Durchgangsstation geplant. Aber dann bin ich geblieben, habe den Papa meiner Tochter kennengelernt, meine Tochter kam zur Welt, ich habe mich selbständig gemacht und aus all diesen Gründen blieb ich in Meran. Im Hinterkopf war jedoch immer der Drang, irgendwann noch woanders zu leben.
Eine Zeit lang hatten wir auch überlegt nach Brasilien zu ziehen, wo der Papa meiner Tochter aufgewachsen ist.

Deine Außensicht zu Südtirol – war es ein Leichtes Gemeinschaften zu finden?

In Südtirol und speziell in Meran fand ich recht schnell Anschluss. Sicherlich auch durch die beruflichen Projekte im kulturellen Bereich, wo oft Freundschaft und Arbeit ineinander fließen.
Die Südtiroler habe ich als sehr warmherzige, hilfsbereite Menschen kennengelernt. In meinem kreativen Freundesumkreis war es nie ein Problem, dass ich eine „Neigschmeckte“ bin, allerdings habe ich auch in anderen beruflichen Feldern oft gespürt, dass gewisse Vorurteile mit dem „Deutsch-sein“ durchaus assoziiert wurden und gewisse Prozesse manchmal dadurch ausgebremst wurden.

Du hast so einige wunderbare Projekte mit FreundInnen realisieren können? Kannst du einige, die dir besonders wichtig sind/waren benennen?

Meine Bachelorarbeit hatte die Documenta in Kassel zum Thema. Kunst und Kultur interessierten mich schon immer, daher war es für mich immer ein großer Wunsch, in diesem Bereich zu arbeiten.

Ich schätze mich dankbar, dass ich an vielen tollen Kunst-Projekten teilnehmen durfte. Für einige Jahre habe ich die ES Art Gallery in Meran unterstützt und auch manchmal bei Ausstellungen mitgeholfen. Harry Reich fragte mich dann, ob ich beim Festival „Summernights“ mithelfen möchte. Er war es auch, der mich der Kultur-Szene in Meran vorgestellt und somit viele Projekte angestupst hat. Dann gab es noch das Projekt Photonights und vor allem das Arbeiten an der Kunst- und Kulturzeitschrift vissidarte – eines meiner wichtigsten Projekte mit Sonja Steger und Katharina Hohenstein.
Die Buchreihe Meran/o des Verlags alphabeta Edizioni darf ich auch seit vielen Jahren grafisch betreuen, und das macht mir viel Freude.

Ich arbeite auch gerne ehrenamtlich, wenn ich von etwas überzeugt bin. Vor allem bei kleinen, kreativen Projekten ist Ehrenamt unverzichtbar. Gemeinsam mit anderen Frauen initiierte ich 2020 die „Unterstützer-Gruppe für das Krankenhauspersonal im 1. Lockdown“.

Was dich auszeichnet ist wohl dein Mitdenken bei so manchen Projekten, deine Kreativität und auch kritisches Hinterfragen. Dies hat dich ausgezeichnet als eine Person, die ernsthaft und mit viel Herzblut ihre Arbeit ausführt.

Ich erlebe oft im Arbeitsalltag, das viele Dinge einfach so hingenommen werden. Hinterfragen ist für mich auch ein Qualitätsmerkmal. Denn erst wenn man „alles“ verstanden hat, kann man adäquate Lösungen anbieten. Meine Stärke ist sicherlich die Improvisationsfähigkeit, also das spontane Finden von Lösungen der jeweiligen Situation. Das macht sicherlich auch einen großen Teil meines Charakters aus, ich kann mich sozusagen in der Arbeit immer wieder neu erfinden.

Wie erlebst du dich als alleinerziehende Mutter? War und ist es zu schaffen, alles unter einen Hut zu bringen?

Alleinerziehende Mütter müssen für Vieles kämpfen, was heute eigentlich selbstverständlich sein sollte! Als alleinerziehende und freiberufliche Mama muss ich sagen, dass die ersten Jahre sehr sehr schwer waren. Ich arbeitete viel nachts und teilweise auch bis zur Erschöpfung. Das hat mich auch geprägt, aber gleichzeitig hat es mich auch unglaublich stark gemacht, so dass ich eigentlich heute keine Angst vor der Zukunft habe. Heute weiß ich, was ich kann und ich bin stolz auf meine Tochter, die mittlerweile 15 ist und eine tolle junge Frau.

Wie siehst du dich in deinem Frausein? Braucht es feministisches Engagement?

Ich nehme mich als feministische Frau wahr, allerdings mit vielen Privilegien die andere Frauen noch nicht haben. Ich habe mich nie in Frage gestellt, aber ich glaube dass es noch viel feministisches Engagement braucht. Auch Frauen untereinander sind teilweise zu sehr mit der Hackordnung beschäftigt, und konzentrieren sich darauf, ihre eigene Karriere voranzutreiben. Oft mangelt es an Solidarität. Das musste ich leider auch sehr oft erfahren.
Da werden großartige Projekte geboren, Menschen motiviert mitzuarbeiten aber dann zerstört Egoismus die tollsten Ideen. Da braucht es neues Bewusstsein – auch von Frauen.

Dass ich das Frauenmuseum seit fast 12 Jahren grafisch und konzeptionell begleiten darf, ist für mich ein Geschenk und eine große Chance, kreativ zu wachsen. Das Museum ist einzigartig. Eigentlich sollte es in jeder Stadt ein Frauenmuseum geben!

Du bist zu deinen Wurzeln zurückgekehrt – wie war das Loslassen und konntest du dich wieder in die neue alte Heimat einleben?

Ich wurde oft gefragt, ob ich jemals nach Ulm zurückgehen würde. Das habe ich immer vehement verneint. Aufgrund familiärer Entscheidungen ist im Winter 2020/21 jedoch die Entscheidung ganz urplötzlich gefallen. Seltsamerweise hat sich dann alles ganz natürlich ergeben – Job, Wohnung, Ankommen.
Ich habe über die Jahre immer Kontakt zu meinen Freunden in Ulm gehalten, und das kommt mir jetzt auch zugute und ich bin dankbar dafür.

Wenn ich morgens mit meinem Hund Gassi gehe und durch den – typisch für die Ulmer Region – nebligen Wald stapfe, fühle ich dass die Entscheidung richtig war.
Ich fühle mich jetzt freier und mag es, meine „alte Stadt“ wieder neu zu entdecken.

Neue Herausforderungen? Dein Lebensmotto?

Thomas Hirschhorn, dessen Ausstellung ich in Kassel im Studium begleiten durfte, sagte: „Ich kann es nur so machen, wie ich es machen kann!”

Dieses Zitat finde ich einfach wunderschön, es begleitet mich seit Jahren und motiviert mich, es so zu machen, wie ich es machen kann!

Mein Lebensmotto ist vielleicht, in jeder Situation das Positive zu erkennen. Ich bin dankbar für die kleinen Dinge, die das Leben einem schenkt. Bestimmte Momente, intensive Gefühle, Freundschaften. Ich bin eine Kämpferin, das habe ich sicherlich in Südtirol gelernt.

In meinem Ideenkoffer sind noch viele Projekte, die darauf warten, verwirklicht zu werden. Einige davon sind schon reif 🙂

 

Interview: Sissi Prader

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