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Was können Museen von Hollywood lernen?

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Ariane Karbe ist die Frau des Monats Jänner 2023. Sie ist seit mehr als 20 Jahren als Kuratorin und Ausstellungsdramaturgin tätig. In ihrer Arbeit unterstützt sie als dramaturgische Beraterin Museen dabei, ihre Geschichten auf ansprechende und spannende Weise zu erzählen. Dies beinhaltet oft die Konzeption und Gestaltung von Ausstellungen und anderen Vermittlungsformaten, die sich an verschiedene Zielgruppen richten können. Sie hat unter andern auch das Frauenmuseum Meran bei der Vorbereitung der jetzigen Dauerausstellung begleitet und die Dauerausstellung für die Villa Freischütz kuratiert.

 

Wann und warum hast du begonnen als Kuratorin zu arbeiten?

Als Jugendliche habe ich sehr oft das Haus der Kulturen der Welt in Berlin besucht. Das war noch vor dem Internet, die Welt war viel kleiner und ich habe dort die internationale Atmosphäre aufgesogen. Dort habe ich eine Ausstellung entdeckt, die vom Iwalewahaus kuratiert worden war, einem Museum für außereuropäische Kunst in Bayreuth. Ich habe mich damals sehr für Afrika interessiert und mich hat der Name magisch angezogen „Iwalewa“: ich bin zum Studium nach Bayreuth gegangen und habe im Iwalewahaus als studentische Hilfskraft gearbeitet. Dort habe ich meine Begeisterung für die Museumsarbeit entdeckt.

Warum faszinieren dich Museen?

Ich liebe Orte, an denen ich mit anderen Menschen zusammen etwas erlebe, ohne zu nahe in Kontakt zu sein. Ich erlebe das als inspirierend, und zugleich bleibt in mir genug Raum, dass sich etwas Eigenes in Bewegung setzen kann. In Museen kommen die Objekte hinzu, die einen eigenen sinnlichen Zauber entfalten können. Ja, das sind Museen für mich: sinnliche Denkräume.

Was ist deine wichtigste Erkenntnis über Museen bisher?

Das ist eine gute Frage! Ich verstehe Museen nicht mehr vordergründig als „Institutionen“ oder als „Gebäude“, sondern definiere sie über die MitarbeiterInnen. Sie alle, WIR alle haben eine individuelle Gestaltungskraft und damit auch eine individuelle Verantwortung. Ich finde das sehr herausfordernd, aber auch befreiend, weil mir das viele Handlungsspielräume eröffnet. Gerade habe ich an einem Ausstellungsprojekt mitgearbeitet und eingebracht, dass Frauen stärker repräsentiert werden sollten. Wenn nicht ich, wer dann?

Im Dezember 2022 ist dein Buch erschienen. Erzählst du uns davon?

Sehr gerne! Ich habe untersucht, was Museen von Hollywood lernen können. Das Buch beruht auf meiner Promotionsforschung, die ich an der University of Leicester durchgeführt habe; deshalb ist es auch auf Englisch. Konkret habe ich erforscht, wie Drehbuchtechniken, die Spannung erzeugen, für das Entwickeln von Ausstellungskonzepten genutzt werden können. Es geht aber auch allgemein um die Fragen: Wie funktionieren Ausstellungen? Was ist eigentlich Spannung? Und was eine Geschichte?

Was können Museen von Hollywood lernen?

Vor allem: das Publikum und sein Bedürfnis nach Unterhaltung ernstzunehmen, und zwar ganz ohne (Ab-)wertung. Einen Film zu schreiben, der auf intelligente Art Vergnügen bereitet, ist in meinen Augen große Kunst.

Wie kam es zu dem inhaltlichen Schwerpunkt in deiner Arbeit?

Ich habe vor vielen Jahren eine Ausbildung zur Drehbuchautorin an der Filmschule Hamburg-Berlin gemacht. Als Ausgleich zur ernsthaften Wissenschaft hat mich das Filmemachen in seiner großen kreativen Freiheit gereizt. Parallel habe ich beobachtet, dass sich die Besucher*innen in Museen oft fasziniert die in die Ausstellungen integrierten Kurzfilme anschauen, an den Exponaten aber eher vorbeischlendern. Ich habe mich gefragt: Was schaffen die Filme, was die Museen nicht schaffen? Und wie könnte ich das Publikum mit Ausstellungsgeschichten in den Bann ziehen? Es sind ja superspannende Objekte und Themen, die in Museen zu finden sind!

Welches ist dein persönliches Highlight in der Entstehung einer Ausstellung?

Ich finde es toll, wenn Teamarbeit gelingt, das Gefühl, gemeinsam etwas Besonderes zu schaffen. Hinter Ausstellungen stecken Monate, manchmal Jahre harter Arbeit, am Ende wird die Zeit immer knapp, aber dann gibt es diesen Moment, wo alles ineinandergreift, und das fühlt sich magisch an.

Was war für dich die bisher größte Herausforderung in diesem Beruf?

Mich durch meine Arbeit finanzieren zu können. Freiberufliche Kulturarbeit ist eine riesige Herausforderung, was materielle Sicherheit angeht. Ich bin sehr froh, dass ich von dem Beruf, den ich liebe, nun schon seit Jahren leben kann.

Ariane Karbe auf dem Tappeinerweg

Wie entstand dein Bezug zu Meran?

Ich habe Meran als Touristin kennen gelernt, als Gast von Anntraud Torggler, die ja Ehrenmitglied im Frauenmuseum ist. Wir haben uns immer sehr angeregt über Ausstellungen und meine Museumsarbeit unterhalten. Als Anntraud in den Vorstand der Stiftung Navarini-Ugarte berufen wurde, und die Stiftung eine Museumsexpertin für den Aufbau der Villa Freischütz suchte, erinnerte sie sich an unsere Gespräche. Sie empfahl mich, der Vorstand lud mich ein, und wir waren uns sofort einig in dem Wunsch, ein wirklich lebendiges Museum aufzubauen. Das war für mich bisher beruflich eine der interessantesten und beglückendsten Aufgaben, die Dauerausstellung für die Villa Freischütz zu kuratieren.

 

Was hast du als nächstes vor?

Inzwischen sind in Südtirol viele Kontakte entstanden, ich freue mich sehr über die positive Resonanz für meinen Ansatz, mit Ausstellungen Geschichten zu erzählen. Für das Museum Ladin werde ich zum Beispiel Drehbücher für Führungen schreiben. Und für die Villa Freischütz plane ich ein Projekt mit behinderten Menschen. Und das zweite Buch ist schon angefangen… aber das ist eine andere Geschichte!

 

Fotos: von Ariane Karbe

 

 

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