Kultur oder Natur? – Die Diskussion darüber hält an. „Das ist eben typisch Mann… oder Frau…“ Wir kennen alle die üblichen Stereotype, die Frauen und Männern immer wieder zugeschrieben werden. Männer sind rationaler. Frauen dafür emotionaler. Männer sind begabt in Technik. Frauen haben ein ausgeprägtes soziales Verständnis. Und so weiter und so fort … Eine neue Studie zeigt, dass die Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten davon abhängig ist, wie traditionell unsere Gesellschaft zu Geschlechterrollen eingestellt ist.
Wir kennen alle die Diskussion, ob die oben genannten Eigenschaften und Verhaltensweisen nun tatsächlich angeboren – oder eben doch anerzogen sind.
Vielleicht werden wir nie ganz herausfinden, welcher Teil unserer Persönlichkeit durch unsere Gene vorbestimmt ist, und welcher durch unsere Umgebung und unser Verhalten geformt wird. Dass aber sehr viele Eigenschaften und Verhaltensweisen eben nicht von Natur aus „typisch weiblich“ sind, wurde immer wieder bewiesen. Leider hält sich diese Meinung immer noch hartnäckig, mancherorts mehr – mancherorts weniger.
Eine neue Studie zeigt, welchen Einfluss Geschlechtergerechtigkeit auf kognitive Fähigkeiten von Frauen und Männern hat.
Sie ist beeindruckend: 200.000 Teilnehmende aus 27 Ländern und 5 Kontinenten.
Die Studie wurde kürzlich in Psychological Science veröffentlicht. Sie zeigt, dass Frauen aus Ländern mit einer konservativeren Einstellung zu Geschlechterrollen weniger Erinnerungsvermögen haben, als die aus geschlechtergerechteren Staaten.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie misst man das?
- In der Studie wurden die Testpersonen über 50 beispielsweise aufgefordert, sich 10 Wörter zu merken, die vom Forschungsteam vorgelesen wurden.
- Oder sie mussten eine Minute lang alle Tiere aufzählen, die ihnen in den Sinn kamen.
So wurden kognitive Fähigkeiten gemessen. Geschlechtergerechtigkeit wurde daran festgemacht, wie Personen zum Beispiel auf diese Frage geantwortet haben:
- „Wenn es wenig Arbeit gibt, sollten Männer vor Frauen das Anrecht auf Arbeit haben?“
Die Ergebnisse zeigten, dass in geschlechtergerechteren Ländern Frauen bessere Ergebnisse erzielt haben als Männer. Dazu gehören beispielsweise Schweden, Dänemark, Niederlande, USA und die meisten anderen europäischen Länder. Umgekehrt war es z.B. in Ghana, Indien, China, Südafrika und in europäischen Ländern mit traditionelleren Geschlechterrollen wie Russland, Portugal, Griechenland und Spanien.
Übrigens haben auch Männer in geschlechtergerechteren Ländern besser abgeschnitten – wenn auch der Unterschied nicht so groß war wie bei Frauen. Mehr Gleichberechtigung bringt also mehr Intelligenz für alle 😉
Spaß beiseite – das Ergebnis der Studie wurde darauf zurückgeführt, dass Geschlechterrollen vorgeben, welches Verhalten und welche Eigenschaften für Männer und Frauen angemessen sind. Diese Vorgaben wiederum beeinflussen Lebensentscheidungen von Frauen und Männern. Dadurch kommen Frauen in Ländern mit traditionelleren Geschlechterrollen wohl weniger häufig mit kognitiven Impulsen durch ihre Arbeit oder Bildung in Berührung. Wodurch sich dieser kognitive Unterschied zwischen den Geschlechtern ergibt.
Die Gründe hinter diesen Unterschieden mögen noch sehr viel tiefgreifender sein. Was durch die Studie aber deutlich gezeigt wird, ist, dass die Diskussion rund um angeboren oder anerzogen ernst zu nehmen ist.
Stereotype – welcher Art auch immer – beeinflussen unsere Fähigkeiten, die von Frauen und Männern. Sie beeinflussen unsere Werte, unsere Normen und womit wir uns beschäftigen. Es ist nur logisch, dass auch unsere Gehirnaktivitäten damit zusammenhängen.
Frauen und Männer sind zu denselben kognitiven Leistungen fähig, aber dazu braucht es auch das Umfeld, das dies zulässt. Klingt logisch, nicht wahr? 😉