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Frauen im Sport

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Nach der Publikation für die lokale Zeitschrift „Meraner Stadtanzeiger“, freut sich das Frauenmuseum nun einige der Beiträge dieser Frauenkolumne, auch auf dem eigenen Blog zur Verfügung stellen zu können. Nochmals danke dem Meraner Stadtanzeiger für die Zusammenarbeit.

Meraner Frauen von gestern und heute 

Sarah Trevisiol

Meran, das prächtige Kleinstädtchen inmitten der Alpen, verbirgt eine vielseitige und weltoffene Geschichte, welche zum Teil auch von Frauen geprägt und geschrieben wurde. In dieser Kolumne werden wir den Stimmen und Erfahrungen einiger Meranerinnen Gehör verleihen, die das Gesellschaftsleben und Stadtbild Merans mitgestaltet haben oder immer noch tun.

Frauen im Sport – Paula Wiesinger und Angelika Rainer

Die gebürtige Meranerin Angelika Rainer (Jahrgang 1986) ist dreifache Weltmeisterin und zweifache Vizeweltmeisterin im Eisklettern. Sie ist bisher die einzige Frau weltweit, der ein Aufstieg mit Grad 15 in der technischen Disziplin Drytoolinggelingt. Angelika zählt heute zu den internationalen Spitzenkletterinnen, die sowohl auf Felsals auch auf Eis geschmeidig und rasant Berggipfel aller Art erklimmt. Ihr großes Vorbild: Paola Wiesinger Steger, die Bozner Star-Bergsteigerin und Schifahrerin der 1920-30er Jahre. Die beiden Frauen haben vieles gemeinsam, dennoch haben sich die Zeiten geändert und bieten den heutigen Sportlerinnen neue Freiheiten, die anfangs undenklich waren.

Lange Zeit wurde den Frauen Europas der Zugang zu den Bergen verwehrt. Man warf ihnen vor, nicht genügend Biss und Stärke zu haben, verspottete sie als vermännlichte „Bergweiber“ oder versuchte ihnen einzureden, das Wandern sei schädlich für die weibliche Gesundheit und behindere den eigentlichen Lebenszweck einer Frau: das Gebären von Kindern. Frauen mussten sich, neben Spott und Ablehnung, auch an eine einengende Kleidung anpassen. Erst um 1900 trauten sich die ersten Frauen in Hosen zu wandern. Bis dahin war das sittlich undenkbar und ver­boten. Frauen bestiegen Gipfel in weiten Reifröcken (Krinolinen), die aus vier­zig Metern Stoff bestanden und bei Regen und Schnee zu schweren Lasten wurden. Bei Überhängen oder Stürmen konnte die Bekleidung sogar lebensbe­drohend werden. Waren die Frauen nicht die Letzten in der Seilschaft, warfen Männer auch gern mal einen Blick unter die Röcke.

Das weibliche Erklimmendes Alpenraums, ging Hand in Hand mit der Befreiung aus Kor­sett und Krinoline und ermöglichte es zunächst den Sportlerinnen (ab den 1960er Jahren dann auch anderen Frauen) Hosen zu tragen und somit eine neue Bewegungsfreiheit zu erobern. Paola Wiesinger war eine der ersten lokalen Frauen, die Wanderhosen trug. Ihr gelangen zahlreiche Erstbesteigungen in den Dolomiten, einige davon sogar als Seilerste – einer Position, die gewöhnlich nur Männern zustand. Hans Steger ermöglichte es seiner willensstarken Lebenspartnerin mehrmalseinen Gipfel als Seilerste zu besteigen. Dies war jedoch im Allgemeinen nicht die Regel. Ein Großteil der ersten Alpinistinnen durfte an Touren nur teilnehmen, weil sie Partnerinnen oder Schwestern von wichtigen Bergsteigern waren.

Angelika Rainer war niemals auf einen Mann angewiesen. Sie konnte immer nach Lust und Laune als Seilerste oder Seilletzte aufsteigen, ob mit Männern oder Frauen. Sie brauchte keine männliche Begleitung bei den Reisen und konnte ständig auf eine angemessene Sportbekleidung zählen. Dies ist für viele Frauen nicht der Fall. So berichtet Angelika z.B. von zeitgenössischen iranischen Sportlerinnen, die immer noch auf Begleitung angewiesen sind, das Land nicht verlassen dürfen und über keine ideale Kleidung verfügen. „Ich hatte ein Leben lang den Luxus all das zu machen, was mir gefällt und mich erfüllt. Es war meine Mutter, die meine Begeisterung für den Berg erweckte. Sie hat mich immer angespornt. Wenn ich als schüchternes Kind meinte, ich würde es nicht schaffen, sagte sie zu mir: Du musst ja nicht die beste werden, aber versuchen kannst du alles!“

Die beste ist Angelika dann tatsächlich in diversen Disziplinen des Klettersports geworden. Ihre alleinerziehende Mutter hat alles gemacht, um ihre Leidenschaft für den Sport anzukurbeln. Selbst durfte sie in Kindesalter keinen Sport ausüben. Sie wurde von Angelikas Großmutter, der das Recht auf ein Universitätsstudium verwehrt blieb, aufgefordert ein Studium zu absolvieren, anstatt herumzutoben. Angelikas Mutter spürte den Drang die Bergwelt zu erklimmen und schrieb sich deswegen in ihren 20ern eigenständig beim Alpenverein ein. Ihre Tochter nahm sie als Kind einfach mit auf die Berge. Angelikas Sportkarriere begann dann mit der Eröffnung der Kletterhalle in Meran, als sie 12 Jahre jung war.

Über 20 Jahre lang hat sich Angelika Rainer kreuz und quer durch die Welt begeben, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen. Hürden gab es so gut wie keine. „Wenn ich mit Freundinnen eine neue Wand begutachte, dann trauen uns manchmal Männer nicht die schwierigsten Routen zu, aber sobald sie sehen auf welchen Niveau wir klettern, sind sie meist begeistert. Im Vergleich zu Männern, haben wir Frauen gewöhnlich mehr Elastizität und ein leichteres Gewicht, aber in Armspannweite und Muskulatur sind uns Männer noch voraus. Dennoch tragen wir dieselbe Ausrüstung bis auf die Gipfel. Das sind Gründe genug für mich, immer einen neuen Frauenaufstieg zu erwähnen, auch wenn es schon einen Männeraufstieg gab. Die körperlichen Voraussetzungen sind anders, die Willenskraft und Resistenz hängen hingegen von jeder einzelnen Person ab, egal welchen Geschlechts.“

Seit vier Jahren hat Angelika die Wettkampfszene verlassen. Sie bevorzugt nun technisch-anspruchsvolle Routen auf dem Fels, die sie im Freien machen kann, bestmöglich in den Bergen zuhause. Nach einem abgeschlossenen Studium in Agrarwissenschaften, ist sie nun gerade dabei, eine didaktische Ausbildung zu machen, die es ihr eventuell in Zukunft ermöglicht anderen Kindern, ob Mädchen oder Buben, ihre Leidenschaft fürs Klettern weiter zu vermitteln.

Angelika rainer @manricodellagnola
Angelika Reiner und Mutter auf Rotwand

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