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Varshitha Serra – Die Reise zurück zu meinem Dasein

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Varshitha ist 1999 in Bangalore, Indien, geboren und dann dank ihrer Adoptiveltern in Südtirol, in Lana, aufgewachsen. Nach einem Kunststudium in Gröden, lebt sie nun in Graz um Kunstgeschichte zu studieren. Schon früh begann sie sich mit Frauenkörpern und dem Thema Geburt auseinander zu setzen. Heute stellt sie zwei ihrer Werke im Frauenmuseum Meran, im Rahmen der Ausstellung „Birth Cultures“ aus.

Welchen Einfluss hatte deine persönliche Geschichte in deinem kreativen Schaffen?

Ich kenne ja nicht mal alle Details meiner Biographie, ich weiß nicht viel von meinen Ursprüngen, kann mich auch kaum an meine Mutter erinnern. Sie, ich und meine Schwester wohnten auf der Straße, bis sie uns schließlich in Adoption gab, ich vermute um uns bessere Lebenschancen zu ermöglichen. Effektiv hatten wir Glück, wir wurden von tollen Eltern aufgezogen, ich war damals 5 Jahre und meine Schwester bereits 9 Jahre alt. Sie war älter und hat viel mehr unter der Entwurzelung und den Anpassungsprozess an den neuen Kulturraum gelitten. Bis heute glaubt sie noch, ich sei der Grund dafür, dass uns unsere Mutter weggegeben hat. Vielleicht bin ich ein Vergewaltigungsopfer, vielleicht auch nicht. Eins steht klar: Alleinstehende obdachlose Mütter, haben insbesondere in Indien keinerlei Schutz, Recht oder Unterstützung, sie sind völlig auf sich alleine angewiesen. Dieser unsichere Lebensstart hat mich immer wieder dazu gebracht, mich mit dem Frauenkörper auseinanderzusetzen, seiner Vulnerabilität aber auch großen Stärke, der Fähigkeit sich aufzuopfern und Leben zu spenden. Zudem hat meine Schwester auch schon mehrere Kinder zur Welt gebracht, also habe ich das Gebären auch schon hautnah miterlebt.

Wie war es für dich als Adoptivkind, unterschiedliche Kulturkreise zu vereinen? 

Ich hatte unglaublich Glück, unsere Adoptiveltern haben uns irrsinnig viele Möglichkeiten geboten. Ich durfte studieren und meinen künstlerischen Fähigkeiten entfalten, heute bin ich selbstständig und habe große Lebensträume. Für meine Schwester verlief es leider nicht so glatt, für sie war es schon als Kind schwieriger, die unterschiedlichen kulturellen Wurzeln zu koppeln. Sie hat sich oft aufgelehnt, ist von zu Hause abgehauen, in irgendwelche Schwierigkeiten geraten und war oftmals nicht emotional stabil. Sie blieb früh schwanger, hat jetzt bereits das fünfte Kind zur Welt gebracht und mehrere davon in Adoption gegeben. Eines der Kinder, mein Neffe, wird heute noch von meinen Adoptiveltern großgezogen. Ich habe selbst oft auf ihn aufgepasst und er ist mir ans Herz gewachsen. Es ist wirklich nicht leicht eine Existenzkrise in einem Land auszuleben, in dem du so oder so als „anders“ betrachtet wirst, als ob du dich zwischen Welten bewegst und in keiner wirklich willkommen bist. Die Kunst hat mir immer geholfen mich auszudrücken, meine Dimension und mein Ich zu finden. Heute bin ich dabei in der Kunstschule Graz meinen ganz persönlichen Stil zu finden, um meine Reflektionen und Erfahrungen mit anderen teilen zu können.

Wie sehr fließt dein Frau-Sein in deine Kunst mit hinein?

Es ist für mich immer wieder erschütternd zu erfahren, wie wenig Platz den Frauen in der Kunstwelt verschafft wurde. Man drückte ihnen teilweise Malstöcke in die Hand damit sie unbeholfener aussahen, damit sie inkompetent erschienen. Die Plätze in den Kunstschulen wurden ihnen Großteils verwehrt. Zum Glück ist das heute anders, dennoch müssen wir Frauen uns immer mehrfach beweisen, als ob man es uns nicht zutrauen würde. Als Frau in Indien ist das heute noch so, du bist eine zweitrangige Person, die ständig Gewalt und Ausgeschlossenheit erleben kann. Ich möchte mich weiterhin bemühen Frauen zu porträtieren, sodass ihre Geschichten nicht untergehen, sodass ihre leben schenkende Kraft gepriesen und nicht verachtet wird.

Sarah Trevisiol

 

Birth Cultures è un progetto UE del 2019-2022 che invita a un viaggio attraverso le storie e le tradizioni intono alla nascita e la maternità. Una grande mostra itinerante su questo tema sta girando l’Europa e sarà esposta al Museo delle Donne di Merano partendo da dicembre 2021. Visitateci – oltre alla mostra, vi aspettano tanti eventi su questo tema.

 

 

 

 

 

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