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Filomena Prinoth-Moroder – ein Stück Südtiroler #herstory

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Letzte Woche fand im Frauenmuseum in Meran eine spannenden Buchvorstellung statt. Als Rückblick und um die wichtigsten Informationen zu Filomena Prinoth Moroder auch auf unserem Blog festzuhalten, haben wir mit einer der Herausgeber*innen ein Interview geführt. Marion Ladurner erzählt uns heute etwas mehr über Filomena Prinoth-Moroder und ihre Tagebücher. Die veröffentlichten Texte ermöglichen einen umfangreichen Einblick in mehrere Jahrzehnte der Frauengeschichte – #herstory – in Südtirol.

Foto: Marion Ladurner
Wer war Filomena Prinoth-Moroder?

Filomena Prinoth Moroder wurde im Jahr 1860 als Tochter einer aus St. Ulrich im Grödental stammenden Geschäftsfamilie in Meran geboren. Hier besuchte sie ab dem Alter von sechs Jahren das Institut der Englischen Fräulein am Sandplatz, wo sie bis zu ihrem 19. Lebensjahr verblieb. Im Jahr 1879 heiratete sie den ebenfalls aus St. Ulrich stammenden Arzt Konrad Moroder. Die ersten Jahre ihrer Ehe verbrachte die junge Familie in Meran, wo auch die ersten beiden Kinder des Paares zur Welt kamen. Daraufhin übersiedelte die Familie im Jahr 1883 nach St. Ulrich, wo Konrad zuerst als Vertretung des Gemeindearztes und schließlich als Privatarzt tätig war. Hier brachte Filomena weitere 11 Kinder zur Welt. Von den insgesamt 13 Kindern des Paares sollten jedoch nur fünf ihre Eltern überleben. Im Jahr 1890 bezog die Familie in St. Ulrich das selbst erbaute Haus in der Stufanstraße, wo Filomena bis zu ihrem Lebensabend im Jahr 1920 verblieb. Filomena führte ab dem Jahr 1885 und bis zu ihrem Lebensende sehr umfangreiche Tagebücher, welche im Jahr 2018 als Gesamtedition unter dem Titel „Mein Gröden. Die Tagebücher der Filomena Prinoth-Moroder (1885-1920)“ im Universitätsverlag Wagner in der Reihe Erfahren-Erinnern-Bewahren, einer Schriftenreihe des Zentrums für Erinnerungskultur und Geschichtsforschung, erschienen sind.

In welchem Rahmen wurde das Buch veröffentlicht? Und was war dein Beitrag dazu?

Die vier überlieferten Tagebücher der Filomena Prinoth Moroder, in welchen sie auf fast 1000 Seiten einen tiefen Einblick in ihr Leben gibt, befinden sich noch heute im Besitz ihrer Nachfahren. Diesen, besonders der Urenkelin Frau Margreth Runggaldier-Mahlknecht gilt ein großer Dank, dass die Bücher für diese Edition zur Verfügung standen. Im Rahmen eines sehr langen Entstehungsprozesses wurden die Tagebücher schließlich von Matthias Egger, Matthias König und Dr. Oswald Überegger, Direktor des Kompetenzzentum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen, transkribiert. Ich selbst habe die Feintranskription sowie Kollationierung der Tagebücher besorgt, die Texte anschließend nach den Editionsregeln der Erscheinungsreihe ediert und diese dabei auch mit zahlreichen Fußnoten versehen. Schließlich konnte ich den Einleitungsbeitrag zur biographischen und historischen Kontextualisierung der Quelle verfassen und zusammen mit Dr. Überegger als HerausgeberIn dieser Edition die Drucklegung der Tagebücher begleiten.

An welchen Augenblick, welche Geschichte, welches Ereignis in Zusammenhang mit der Ausarbeitung des Buches erinnerst du dich besonders gerne zurück?

Filomena hat mich durch ihr Schreiben, ihre detaillierten Ausführungen, das Schildern ihrer Sorgen und Hoffnungen, ihrer Freuden aber auch ihres Leidens in den Bann gezogen.  Teilweise erschien es mir fast so, als wäre ich Teil ihrer Familie und könnte ganz und gar in ihr Leben „eintauchen“. Diese so intensive Beschäftigung mit den Tagebüchern und ihrem Leben über einen sehr langen Zeitraum habe ich sehr gut in Erinnerung behalten und blicke auch heute noch gerne auf diese besondere Zeit zurück.

Welche Bedeutung hat das Buch und die Geschichte von Filomena Prinoth-Moroder in deinen Augen für die Frauengeschichte in Südtirol?

Den Tagebüchern kommen im Kontext der Tiroler Selbstzeugnisforschung sicherlich eine besondere Bedeutung zu, da es sich um ein Frauen-Tagebuch handelt, das die auch aus ethnologisch-historischer Sicht besonders interessante Lebenswelt der ladinischen Gemeinden des Grödentals über einen ungewöhnlich langen Zeitraum von rund 40 Jahren dokumentieren. Die Aufzeichnungen enthalten eine Fülle von Informationen, die für alltags- und mentalitätsgeschichtliche, aber auch kulturgeschichtliche und ethnologische Fragestellungen interessant sind. Über den regionalen Tiroler Bereich hinaus von Bedeutung sind die tourismusgeschichtlich sehr interessanten zahlreichen detaillierten Reisebeschreibungen. Aus historiographischer Sicht von besonderem Interesse sind die umfangreichen Aufzeichnungen über die Zeit des Ersten Weltkrieges. Auf über 200 Seiten werden die Einwirkungen des Krieges auf den Mikrokosmos des eigenen Dorfes bzw. Tales beschrieben. Aufgrund der kontinuierlichen und sehr präzisen Aufzeichnungen stellen sie eine beeindruckende Quelle zur Erforschung des Kriegsalltages und der weiblichen Kriegserfahrung im ländlichen Raum dar. Allgemein gewähren die Tagebücher einen tiefen Einblick in die Berufs-, Lebens- und Freizeitorganisation der Familie und geben Aufschluss über eine sehr stark katholisch-konservativ geprägte ländlich-bürgerliche Lebenswelt im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert.

24Interview: Yvonne Rauter

 

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