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„… immerhin ist Menstruation kein Hobby“

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Gestern war Vollmond – wie versprochen, bringen wir jedes Monat etwas zum Neumond oder Vollmond in der  Rubrik ‚Tante Rosa‘. Aufmerksam wurden wir auf auf Franziska Wartenberg (Blogname: Franka Frei) auf Facebook. Sie hat nach ihrem Uniabschluss einen Post veröffentlicht und ihren Unmut darüber los gelassen, dass ihre Uni das Thema ihrer Bachelorarbeit „Tabu und Menstruation“ als unwissenschaftlich bezeichnet hat. Der Facebook-Post wurde fast 4.000-mal kommentiert und über 12.000-mal geteilt. Offensichtlich brennt das Thema Vielen unter den Nägeln. Wir haben die Studentin gebeten, für unsere Rubrik ‚Tante Rosa‘ ein Interview zu geben.

Franziska, warum hast du dieses Thema für deine Bachelorarbeit gewählt?

Häufig werde ich gefragt, wie ich denn auf das Thema gekommen sei. Das klingt, als hätte ich über etwas sehr Abwegiges geschrieben – dabei betrifft die Menstruation doch 50 Prozent der Weltbevölkerung! Und nicht nur das: Die fehlende Kommunikation über das Thema hat Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und die Geschlechtergleichstellung – Bereiche, die uns alle etwas angehen.

Die abgegebene Bachelorarbeit zum Thema. Franziska hat sie auf Facebook gepostet
Wie bist du vorgegangen?

Auf der Suche nach einem Prüfenden für meine Abschlussarbeit hatte ich über meine Idee, die Darstellung der Menstruation in den Medien und der Gesellschaft zu erforschen, ein Exposé verfasst. Leider bekam ich zunächst nur Absagen. Daraufhin bat ich die Koordinatorin meiner Hochschule um Hilfe, doch sie riet mir gänzlich davon ab, die Periode zu thematisieren. Ihrer Meinung nach bestünde in meinem Vorschlag keine Forschungslücke – außerdem sei die Menstruation als Thema für eine Bachelorarbeit nicht geeignet. Das Argument: „Das ist eine Art Tabuthema.“

Die Tatsache, dass dir von Seiten deiner Uni zunächst davon abgeraten wurde, zeigt, dass die Menstruation bis heute ein Tabuthema ist. Warum ist das so?

Die weibliche Periode ist von einer jahrtausendlangen Geschichte von kulturellen und religiösen Mythen, Irrglauben und medizinischen Fehleinschätzungen geprägt – Menstruierende wurden lange Zeit für unrein, geisteskrank oder sogar giftig erklärt. Bis heute halten sich Aberglauben, dass Essen schlecht oder Sahne nicht steif wird, wenn sie eine menstruierende Frau zubereitet. Die Periode wird immer noch mit Schmutz, Ekel und Scham in Verbindung gebracht. Viele Frauen haben gelernt so zu tun, als gäbe es sie gar nicht.

Das Logo vom Blog ‚Franka Frei‘ stammt von der österreichischen Künstlerin Tina Graf.
Hat dich diese Erfahrung noch mehr angespornt?

Ja! Mir wurde bewusst, wie viel Aufklärungsbedarf hinsichtlich des Themas herrscht. Aufgrund von kulturellen Mythen, Stigmatisierung und mangelnder Hygiene gehen neun von zehn Mädchen in Indien während ihrer Menstruation nicht zur Schule. In West- und Zentralafrika verpassen 40 Prozent der Mädchen mindestens einen Tag im Monat den Unterricht. Und auch in Deutschland bleiben viele Frauen der Schule, der Arbeit oder Veranstaltungen fern – aus Scham. Das hat riesengroße Auswirkungen auf den Alltag, das soziale Wohlbefinden und die Lebensperspektiven von Frauen und Mädchen weltweit.

Außerdem ist das Bewusstsein für ökologische Faktoren gering. Weltweit werden jährlich rund 45 Milliarden Binden und Tampons verbraucht, die zu großen Teilen nicht abbaubar sind – dabei gibt es Produkte wie die Menstruationstasse, die viele tausend Tonnen überflüssigen Müll sparen, schon seit vielen Jahrzenten.

Deine Nachricht auf den sozialen Medien hatte ein wahnsinnig großes Echo. Was hat das bei dir ausgelöst?

Niemals hätte ich damit gerechnet, dass so viele Menschen auf meinen Beitrag reagieren. Ich glaube, dass viele schockiert sind oder eigene Erfahrungen mit Scham gemacht haben und froh sind, dass jemand dem Thema eine Plattform gibt. Das zeigt, wie wichtig und nötig die offene Kommunikation ist. Deshalb habe ich beschlossen, mich auch in Zukunft intensiv mit der Enttabuisierung der Menstruation zu befassen.

Der Facebookbeitrag und seine Reaktionen
Was hat es mit der Luxussteuer auf Hygieneartikel auf sich?

Streng genommen gibt es so etwas wie eine Luxusteuer für Monatshygiene nicht. Was mit der „Tamponsteuer“ gemeint ist, ist dass diese Produkte – obwohl für jede Frau absolut essenziell, um am gesellschaftlichen Leben teil zu nehmen – mit dem maximalen Satz der Mehrwertsteuer (19 Prozent) belegt sind. Im Vergleich: Bei Lachskaviar, Schnittblumen und Hundekeksen gilt der verminderte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Das empfinden viele als ungerecht – immerhin ist Menstruation kein Hobby, das man sich aussucht.

Gibt es etwas, das dich beim Schreiben der Arbeit überrascht hat?

Beschäftigt man sich mit dem Thema aus soziokultureller Sicht, erfährt man so viele unglaubliche, teils skurrile und schreckliche Geschichten.

Im 19. Jahrhundert wurden Frauen mit Menstruationsbeschwerden mit Elektroschocks, giftigen Substanzen und Blutegeln behandelt – Ärzte setzten die Monatsblutung mit einer Krankheit gleich. Schon Philosophen der Antike und Alchemisten im Mittelalter waren davon überzeugt, dass Menstruationsblut giftig sei, Essen zum Verderben und Tiere zum Sterben bringt.

Die Annahme der vermeintlich toxischen Wirkung von Menstruierenden wurde erst in den späten 50er Jahren des 20. Jahrhunderts medizinisch wiederlegt (da gab es schon Schneemobile und Herzschrittmacher). Und trotzdem verloren Frauen in Deutschland noch bis in die späten 60er Jahre ihren Job, weil man annahm, dass sie durch „Menstrualschweiß“ materiellen Schaden verursacht hatten.

Konntest du am Ende die Kritik_erinnen an deiner Uni überzeugen?

Die Prüferin, die mich zum Schluss betreut hat, war sehr zufrieden mit meiner Arbeit und hat mir eine 1,3 gegeben. Die mündliche Verteidigung konnte ich sogar mit einer 1,0 abschließen. Es macht mich sehr froh, dass ich die Relevanz des Themas beweisen konnte.

Auf deinem Blog ‚Franka Frei‘ schreibst du „Also in die Tonne mit Tabus“. Worum geht es auf deinem Blog?

Nur durch Aufklärung und einen offenen Umgang kann man Irrglauben und Stigmatisierung entgegenwirken. Ich habe mir zum Ziel genommen, auf humorvolle Art Mythen zu entlarven, unseren verkrampften Umgang mit der Menstruation zu hinterfragen und Frauen und Mädchen die Scham zu nehmen. Mein Blog soll informieren, vor allem aber auch zum Staunen und Lachen bringen – außerdem ist er nicht nur für weibliche Leserinnen gedacht.

Was hast du als nächstes vor?

Demnächst führe ich mein Studium im Bereich Gender Studies fort. Ich hoffe, mich somit noch intensiver mit Themen der Geschlechtergleichstellung zu beschäftigen und dies in meinem Blog an andere weiter zu vermitteln. Es gibt noch einiges zu tun.

Danke für das Interview und weiter so!

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